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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 2. Februar 2010; 13:47
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Totschlag-Debatte:

> Law and Order

Eine Replik


Das Donnerwetter (1, 2, 3) hatte ich erwartet. Und ja, vielleicht hatte ich in
meinem Protest ein wenig uebertrieben -- aber auf einen groben Klotz
gehoert bekanntlich ein grober Keil. Und die einhellige Empoerung war
mir einfach ein bisschen zu reflexartig.

Mittlerweile wurden auch einige weitere Details zu diesem Prozess
bekannt -- zum einen steht da die Behauptung, der Taeter haette seine
Tat angekuendigt, was einerseits fuer den Vorsatz spricht,
andererseits wiederum gerade fuer das Gegenteil, weil ein ueberlegt
vorgehender Moerder nicht gut daran tun wuerde, sein Opfer
vorzuwarnen. Und: Der Wiener Landesgerichtspraesident Friedrich
Forsthuber betonte im "Standard", das muendliche Urteil haette sich
ueberhaupt nicht auf die Einlassung der Staatsanwaltschaft bezueglich
des migrantischen Hintergrundes berufen.

Doch egal, mir ging es um die oeffentliche Debatte, die auf diese
Details gar nicht Bezug nahm. Diese Debatte sah naemlich so aus, dass
die linken Kommentare meinten, es muesse Mord sein, weil das ansonsten
die Gewalt an Frauen verharmlose und ausserdem das Bild vermittle,
migrantische Menschen wuerden von der Justiz bevorzugt; die rechten
Kommentare hingegen betonten genau dieses Bild. Sprich: Es soll ein
Urteil anders ausfallen, weil es politisch nicht opportun ist.
Brauchen wir das wirklich? Passiert das nicht schon oft genug in
diesem Land?

Ich begebe mich ungern auf das Terrain formalrechtlicher
Argumentation, da sie zumeist den Menschenrechten zuwiderlaeuft. Im
Fall des weniger streng bedrohten Tatbilds Totschlag handelt es sich
aber um eine menschrechtlich sinnvolle Schutzbestimmung -- und die
wird damit auch generell in Frage gestellt. Denn die objektive
Tatseite in diesem Fall ermoeglicht viele Sichtweisen -- neben
versuchtem Mord und versuchtem Totschlag waeren auch "Schwere
Koerperverletzung" oder "Absichtliche schwere Koerperverletzung"
argumentierbar gewesen. Daher kommt es auf die Absichten und die
psychische Konstitution an, die einen Taeter zu dieser Tat
veranlassen. Die Abgrenzung zwischen Mord und Totschlag ist
naturgemaess schwierig und wird in unterschiedlichen Rechtsordnungen
auch unterschiedlich definiert -- doch es ist eben eine notwendige
Schutzbestimmung, denn das Tatbild Mord verlangt nunmal ein
Mindestmass an Planung. Ein anderes Beispiel: Auch den Vorwurf, die
Toetung des 14jaehrigen Supermarkteinbrechers durch einen Polizisten
in Krems waere Mord, wuerde ich nicht unterschreiben. Ja, vielleicht
war der Polizist eiskalt, als er abdrueckte, aber beweisen kann man es
nicht -- in dubio pro reo, also muesste die Anklage auf Totschlag
lauten. (Dass die Staatsanwaltschaft jetzt allerdings von
"Fahrlaessiger Toetung" spricht, ist umgekehrt wirklich ein Skandal.)

Doch zurueck zur urspruenglichen Debatte: Diese hat die juristische
Kategorie "Totschlag" nun ziemlich beschaedigt. In der selben
Stellungnahme Forsthubers denkt dieser laut darueber nach, ob man
dieses Tatbild nicht voellig aus dem StGB streichen und dann immer
wegen Mordes verhandeln sollte -- bravo, damit fiele die Beschraenkung
auf ein Maximalstrafausmass von 10 Jahren Haft fuer Affekt-Delikte.

Damit waeren wir bei der politischen Argumentation. Der Taeter wurde
mit 6 Jahren Haft bestraft -- das ist nicht nichts. Mit diesem
Hintergrund ist eine vorzeitige Entlassung unwahrscheinlich und nach
der Haft ist er ein arbeitsloser und vorbestrafter Migrant Ende
Vierzig -- wenn das keine harte Strafe ist, weiss ich nicht.

Doch wer hat eigentlich ueberhaupt etwas von dieser Strafe? Und: Was
nuetzt es dem Opfer, wenn der Taeter die doppelte Haftstrafe bekommt?

Etwa zwischen 1970 und 1980 gab es -- nicht zuletzt aufgrund der
Bemuehungen Christian Brodas -- auch hierzulande eine starke Tendenz,
die Taeter, speziell im Bereich emotional konnotierter Straftaten,
aber auch im Bereich der Jugendkriminalitaet, ebenfalls als Opfer zu
sehen. Das bedeutete auch in den damaligen keine Rechtfertigung der
Tat, aber es wurde die Frage gestellt, warum der Taeter gehandelt hat
und ob Spezial- und Generalpraevention am sinnvollsten mit langen
Haftstrafen realisierbar waere. Schliesslich geht es ja nicht um
Rache -- oder sollte es zumindest nicht gehen -- sondern um Massnahmen
zur Vermeidung solcher Handlungen. Waren diese damaligen Ueberlegungen
so falsch und muessen wir jetzt dahinter wieder zurueckgehen?

Ein Taeter wie in diesem Fall wird sich durch eine Strafdrohung nicht
abhalten lassen -- also stellt sich die Frage, wie man ihn sonst an
solchen Gewaltexzessen hindern kann. Generalpraeventiv ist die Drohung
mit Haft bei emotional-affektiv bedingten, spontan ausgefuehrten Taten
daher nur als Hilflosigkeitsbekenntnis der Gesellschaft anzusehen.
Spezialpraeventiv kann man den Taeter von der Wiederholung einer
solchen Tat nur abhalten, wenn man versucht, ihn therapeutisch zu
behandeln, oder ihn lebenslang in Einzelhaft sperrt -- letzteres
wuerde wohl bei der FPOe Anhaengerschaft gewinnen, ist aber fuer eine
sich als menschlich mitfuehlend verstehende Gesellschaft hoffentlich
voellig indiskutabel.

Natuerlich erscheint es als Verhoehnung der Rechte von Frauen, wenn
von "Verstaendnis" die Rede ist. Forsthubers Argumentation zur
Abschaffung des Totschlag-Paragraphens geht genau in diese Richtung:
Er meint, dass es immer wieder ein Problem sei, Laienrichtern den doch
nicht so einfachen juristischen Begriff einer "allgemein begreiflichen
heftigen Gemuetsbewegung" zu vermitteln. Damit hat er wohl recht, den
so sahen auch die Kommentare aus: Hier wurde "Verstaendnis" mit milder
Beurteilung oder sogar Billigung gleichgesetzt.

Wir sollten aber den Begriff des "Verstaendnisses" auch im allgemeinen
Sprachgebrauch ueberdenken und ihn von seiner moralischen Behaftetheit
entkleiden. Denn Verstaendnis bedeutet nur, zu verstehen oder
verstehen zu wollen, warum der Taeter so gehandelt hat. Wir weigern
uns gerne eine grausame Tat zu verstehen, weil wir sonst in den
Verdacht geraten, diese Tat als rechtens oder "nicht so schlimm"
anzusehen. Deswegen wollen wir ja auch die Taten bspw. der Nazis nicht
verstehen. Wenn wir aber jeden Versuch des Verstaendnisses
unterlassen, duerfen wir uns nicht wundern, wenn wir nicht verstehen,
warum die Straches und Blochers Zulauf erhalten. Und dann koennen wir
natuerlich auch nichts dagegen tun. Wenn wir "das Boese" nicht
verstehen wollen, werden wir "dem Guten" nicht zum Durchbruch
verhelfen koennen.

Es gibt dieses Boese in der Welt. Und wir wollen es mit den Taetern
wegsperren. Bloederweise macht es aber eine Gesellschaft nicht besser,
wenn sie von einer Kultur des Einkastelns und der Haefngewalt
mitgepraegt wird. Wenn dann unter der Chiffre der Fortschrittlichkeit
und der Menschenrechte wieder mehr und laengere Haftstrafen verlangt
werden, werde ich einfach grantig. Ist das so schwer zu verstehen?
*Bernhard Redl*


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