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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 2. Februar 2010; 13:41
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Debatte:
Weitere Stellungnahme zur Totschlag-Glosse von Bernhard Redl in
akin 2/2010 (http://akin.mediaweb.at/2010/02/02recht3.htm).


> Gewalt faengt frueher an

Auf dieses Urteil gibt´s ja inzwischen viele Reaktionen, von denen ich
die beiden der Justizministerin fuer die problematischsten halte:
zuerst meinte sie, lt. ausfuehrlichem Kommentar von Elfriede Hammerl
im profil, man duerfe Frauen nicht bevorzugen und es gaebe ja auch
Gewalt gegen Maenner. Inzwischen gab`s einen Erlass von ihr -- der
wiederum vom Verfassungsexperten Mayer sehr kritisch beurteilt wurde.

Da halte ich mich "lieber" an Heinz Patzelt von amnesty: Die Bewertung
der Gemuetsbewegung des Taeters als "allgemein begreiflich"
verharmlose brutalste Gewalt an Frauen. Eine derartige
Beruecksichtigung der Herkunft als Milderungsgrund laufe ausserdem dem
Gleichbehandlungsgrundsatz zuwider. Sollte dieses Urteil in der
Berufung halten oder gar zur staendigen Spruchpraxis werden -- so
Patzelt -- so muesse ueberprueft werden, ob nicht eine
Gesetzesaenderung zur staendigen Sicherstellung
menschenrechtskonformer Strafurteile in diesem Bereich noetig sei.
Patriarchale Gewaltstrukturen duerften niemals durch das Strafrecht
privilegiert werden.

Auf einen wesentlichen Aspekt wies Hammerl hin: es werde oft die
Bevorzugung von "den Auslaendern" behauptet - schon deshalb findet sie
dieses Urteil sehr bedenklich, weil es gewiss die "Meinung" vieler
ueber "die Auslaender" verstaerkt.

Zweifellos steckt in der ganzen Problematik ein grundsaetzlich
falsches Verstaendnis von "Integration": viele, vor allem die
"Obrigkeit", verstehen darunter sehr einseitig, dass der Gesetzgeber
und die Behoerden, auch mit neuen Gesetzen, von "den Auslaendern" ein
"Wohlverhalten" einfordern und erwarten, umgekehrt aber "unsere Seite"
sehr wenig dafuer tut, Auslaendern auch "nur" das Gefuehl zu
verschaffen, dass sie integriert sind -- von konkreten Massnahmen ganz
zu schweigen.

Was (auch) ich in jedem Fall fuer falsch halte, das ist, wenn erst
dann "reagiert" wird, wenn bereits eine schwere Gewalttat
stattgefunden hat. Wirkliche Integration muss viel, viel frueher
beginnen, in Kindergaerten, in Schulen, im alltaeglichen "Umgang" mit
"Auslaendern". "Auch" in der Bewusstseinsbildung: ist es wirklich
nicht moeglich, "Auslaender" davon zu ueberzeugen, dass etwa Frauen
gleichberechtigte Menschen mit einem Recht auf Selbstbestimmung sind?
(Wobei es natuerlich ganz wesentlich ist, von "den Auslaendern" "nur"
solche Dinge einzufordern, die konkret auch von Inlaendern
eingefordert werden -- vor allem in der alltaeglichen Gewalt gegen
Frauen sind "auch" viele Oesterreicher recht "erfolgreich")

Ausserdem faengt Gewalt ja viel frueher an, eben z.B. bei der
alltaeglichen Gewalt -- mein "seliger" Vater fand es
"selbstverstaendlich", dass all die Interessen meiner Mutter, die IHN
nicht interessierten, "Bloedsinn" waren/sind, beleidigte "ganz
selbstverstaendlich" in ihrer Anwesenheit ihre Eltern, wertete die
Dinge, die ihr viel bedeuteten, ab und "erlaubte" ihr z.B.
Autobusreisen ausschliesslich deshalb, weil ich, sein "Lieblingssohn",
da mitfuhr -- immerhin ermoeglichte es mir mein Status als
"Lieblingssohn", einzugreifen, wenn er meine Mutter zum Weinen brachte
und dann mit der Frage "Warum flennst du schon wieder?" verhoehnte.

Ganz sicher lassen sich Probleme, vor allem, wenn sie Gewalt gegen
Menschen betreffen, durch Gesetze nicht wirklich loesen --
"Verstaendnis" fuer die "Affekte" von Gewalttaetern halte aber auch
ich fuer unangemessen -- es ist mir klar, dass etwa das Verhalten
meines Vaters -- ebenso wie das anderer Personen, die Gewalt, in
welcher Form auch immer, anwenden -- Gruende und Ursachen in seinem
Leben und seiner Persoenlichkeit, in der Entwicklung seiner
Persoenlichkeit, hatte -- die Auseinandersetzung damit ist grundlegend
wichtig -- VERSTAeNDNIS bedeutet das aber keineswegs.
*Gerhard Lehner*



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