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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 28. August 2012; 22:31
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Cuba:
> Wirtschaftsreformen -- aber kein grosser Wurf
Dritter Teil des Lateinamerika-Tagebuchs von *Hermann Dworczak*
Nach einem 10 taegigen Mexico-Aufenthalt und vor "Rio plus 20" war ich
17 Tage in Havanna. Die GenossInnen der kubanischen
Gewerkschaftszentrale CTC hatten fuer mich ein sehr dichtes
politisches Programm zusammengestellt. Die Eindruecke, die ich
sammelte und eine -vorsichtige- Analyse, koennen als eine Annaeherung
an die Frage dienen, wo die kubanische Revolution heute steht.
Ich referierte mehrmals ueber "Die internationale Lage und das Wachsen
des Rechtsextremismus/Rechtspopulismus " u.a. bei der CTC, ICAP, der
Gesellschaft fuer die Vereinten Nationen und hatte schliesslich ein
ausfuehrliches Gespraech mit den Europaverantwortlichen der
Internationalen Abteilung im ZK der KP Cubas.
Ich fuehrte darueberhinaus viele Gespraeche mit "Leuten auf der
Strasse", bei mir im Hotel etc.-- ein Betriebsbesuch kam leider nicht
zustande.
All das reicht natuerlich nicht fuer eine "umfassende Analyse", gibt
aber doch eine ausreichende Basis fuer eine erste Beurteilung der Lage
her.
Widerspruechlich Eindruecke
Gegenueber dem Vorjahr -- nach der UNO-Umwelt-Konferenz in Cancun war
ich zehn Tage in Cuba- konnte ich eine verstaerkte
Renovierungstaetigkeit registrieren. Nicht nur in Havanna Vieja, der
beruehmten Altstadt. Ich wohnte im "Girasol", in Centro Havanna und an
vielen Haeusern in meiner Umgebung wurde gehaemmert, genagelt und
gestrichen.
Die Versorgungslage scheint sich stabilisiert zu haben. Kenner der
Lage sagten mir, dass die Preisniveau-Schere zwischen staatlichen und
privaten Anbietern kleiner geworden ist.
Sichtbar ist die Praesenz Chinas -- z.B. bei Autos und LKWs. Der
Import erfolgt nicht durch Warenaustausch, sondern v.a. auf der Basis
guenstiger Kredite. Das scheint sich auch im Bewusstsein zu
reflektieren. Beim Gespraech im ZK wird die "Beseitigung der Armut" in
China ins Treffen gefuehrt. Erst als ich auf die enormen
Einkommenunterschiede in China bzw. das Ost-West-Gefaelle des
wirtschaftlichen Entwicklungsniveaus verweise --ich war 2010 bzw. 2011
zu Vortraegen in China --, werden die Dinge relativiert.
Was mir sonst noch auffiel:
- Da gerade die Biennale war, konnte ich mich von der Breite der
kuenstlerischen Stilrichtungen ueberzeugen: etwa bei Installationen
auf dem Malecon -- also keinerlei Fixierung auf den "sozialistischen
Realismus".
- Gegen den starken Durchfall, den ich mir eingefangen hatte, wurde
mir in der staatlichen Apotheke sofort gratis das noetige Medikament
gegeben -- typisch fuer das oeffentliche Gesundheitssystem.
- Das Ausmass der Prostitution ist allerdings negativ auffaellig --
selbst gegenueber dem Vorjahr konnte ich eine Steigerung verzeichnen.
Innerhalb kuerzester Zeit wurde ich mehrmals "angesprochen"...
Spannende Gespraeche
Was waren die wichtigsten Ergebnisse meiner Gespraeche?
- Die "cuenta propria", also das Wirtschaften auf eigene Rechnung
umfasst rund private 400 000 Betriebe- fast ausschliesslich im
Dienstleistungsbereich. In den Restaurants/ Gaststaetten koennen bis
zu 50 Sesseln aufgestellt werden.
- In der Gewerkschaft bzw. Partei fragte ich natuerlich stets nach der
laufenden "Wirtschaftsreform". Meine Argumention: wenn eine
Reformdebatte stattfindet, gibt es natuerlich verschiedene
Standpunkte, "inhaltliche Kristallisationen" usw. Offen gesagt, kam da
auf meine Fragen wenig zurueck. Zugegeben wurde, dass es fuer die
grossen Betriebe bislang keine neuen Konzepte gibt (mehr Partizipation
von unten, mehr sozialistische Demokratie, etc.). Eine Frau aus
Santiago de Cuba , die einem Grossbetrieb fuer den Transport von
Brennstoffen arbeitet, bestaetigte mir dies an Hand ihrer
persoenlichen Erfahrungen.
- Ich erkundigte mich nach den Moeglichkeiten eines gemeinsamen
Agierens der fortschrittlichen Kraefte auf der UNO-Konferenz in Rio
("Rio plus 20"). Man sagte mir offen, dass es dazu wenig
Voraussetzungen gibt: "Zu unterschiedlich sind die Positionen der
fortschrittlichen Laender und ebenso deren Beziehungen zu den
Umwelt-Bewegungen".
- Bei allen Gepraechen konnte ich grosses Interesse fuer "Bewegungen"
registrieren -- auch wenn diese nicht "lupenrein links" sind:
Sozialforumsbewegung, Occupy, Indignados, etc. Als ich ausfuehrte, wir
Linken sollten trotz Schwaechen der Bewegungen nicht oberlehrerhaft
bei Seite stehen, sondern aktiv -- wenn auch kritisch --
partizipieren, fand dies weitgehende Zustimmung.
- Ein echter Hammer war das Kennenlernen von Fabio Grobart. Sein Vater
war in den 20er-Jahren einer der Gruender der KP Cubas. Fabio wurde --
wegen seiner kritischen Haltung schon dreimal aus der Partei
ausgeschlossen (jetzt ist er wieder Mitglied)! Er erzaehlte mir -- in
fliessendem Deutsch, da er in seiner Jugend in Wien war -- von seinen
Erfahrungen mit der Buerokratie. Er hatte auch die Anregung gemacht,
dem Parteiprogramm eine Art "Praeambel" voranzustellen, wo es
sozusagen perspektivisch lang gehen soll. Man signalisierte ihm von
der Parteifuehrung Zustimmung. Er griff zur Feder, aber letztendlich
verschwand die Praeambel...
- Viele Jugendliche scheinen ziemlich unpolitisch zu sein. Im
Gespraech mit einem jungen Kuenstler am Malecon, der der Revolution
positiv gegenuebersteht, wird die Stimmung folgendermassen
charakterisiert: "Viele wollen einfach weg. Florida ist wie ein
Mythos".
Ausblick
Die schwierige Lage des Landes -- v. a. durch den Druck und die
Blockade des US-Imperialismus bedingt -- dauert an. Sollt es Chavez in
Venezuela nicht mehr geben, dann wird es noch dramatischer.
In dieser Situation uebt sich die "alte Garde" der Revolution in
Pragmatismus: einige Reformen, die in Richtung "neuer oekonomischer
Politik" (NEP) gehen. Was meines Erachtens fehlt, ist der "grosse
Wurf" in die Zukunft, der jedoch nach dem Ende der Sowjetunion und der
"Volksdemokratien" in Osteuropa bzw. der Entwicklung eines starken
kapitalistischen Sektors in China unerlaesslich erscheint.
Katastrophismus ist unangebracht. Es gilt jedoch vor allem die Jugend
(wieder)zugewinnen. Ich denke mittel- und langfristig wird dies nicht
mit revolutionaerer Rhetorik, Durchhalteparolen und einigen rein
oekononomischen Reformen zu machen sein.
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Siehe auch:
Lateinamerika-Tagebuch I und
Rio: Der Gipfel der Voelker (Lateinamerika-Tagebuch
II)
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