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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 23. Maerz 2011; 00:51
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Libyen-Debatte:
> Es ist wirklich so simpel
Eine Antwort auf Thomas Schmidinger und die KPOe
Also ja, wir wollen alle aus der Geschichte lernen. Nur meistens, wenn
wir sagen, wir haetten irgendeine Lehre aus der Geschichte gezogen,
wollen wir eigentlich sagen: Ich denk mir das so und so -- und ich
kann euch ein Beispiel aus der Geschichte nennen, das beweist, dass
ich Recht habe. Das ist etwas, was ich aus der Geschichte gelernt
habe -- und ich mache es ja mitunter genauso. Aber e ist eben so wie
mit der Bibel -- man kann damit alles beweisen, auch das Gegenteil.
Wir koennen aus der Geschichte lernen, aber dann sollten wir sie nicht
wie eine Monstranz vor uns hertragen, sondern einfach nur -- ja,
eben -- lernen. Soviel nur vorweg, weil ich komme jetzt natuerlich
auch gleich mit einem Rueckgriff in die Geschichte. Denn was ich aus
der Geschichte gelernt habe, ist, dass "militaerische
Interventionen" -- sprich Angriffskriege oder noch einfacher:
Kriege -- immer die Folge handfester Machtinteressen wirtschaftlicher
oder zumindest geopolitischer Natur sind. Manchmal haben sie
tatsaechlich auch einen menschenrechtlichen Benefit wie etwa im
Zweiten Weltkrieg, aber das ist dann halt Gluecksache.
Ich bin mir da nicht ganz sicher, aber ich glaube Wolf Biermann war
es, der vor dem Golfkrieg 1991 sinngemaess gemeint hatte, er waere
froh, dass die USA und ihre Alliierten in Kuwait und Irak oekonomische
Interessen haetten, weil sie sonst Saddam Hussein nicht entmachten
wollten.
Die USA machten damals doch ploetzlich einen Rueckzieher und liessen
die Aufstaendischen im Stich, weil ihnen die Sache dann zu heiss
wurde. Aber abgesehen davon, kann ich es schon verstehen, wenn man
denkt, egal, warum sie diesen Krieg fuehren, Hauptsache, das groessere
Morden endet. Dann soll man aber bitte nicht die
Menschenrechtsgeschichten glauben, sondern ganz klar sagen, dass die
Interessen wo ganz anders liegen.
Denn: Wer sind denn die treibenden Kraefte hinter dieser Aktion mit
dem euphemistischen Namen "Flugverbotszone"? Die beiden frueheren
faktischen Kolonialmaechte aus Koenig Idris Zeiten, Grossbritannien
und die USA, die Gaddafi rausschmeissen liess -- sowie Frankreich,
dass nicht nur seinen frueheren Kolonien, sondern sowieso ganz Afrika
immer noch als sein "Schutzgebiet" ansieht, wie wir das erst 2006 im
Tschad erleben durften. Wieweit der Einsatz der franzoesischen
Militaers damals dort wirklich gegangen ist, ist immer noch nicht ganz
klar. Aber was klar ist, dass, welch ein Zufall, seit 2003 im Tschad
erstmals Oel gefoerdert wird, weil man dieses erst 1989 entdeckt hat.
Da gibt es sicher noch mehr dieses schwarzen Goldes. Und wenn dann
ausgerechnet Herr Sarkozy sich um Menschenrechte kuemmern will, naja,
da trampeln die Nachtigallen aber ziemlich.
Das Problem ist: Das Kriegsziel bestimmt die Vorgangsweise -- ginge es
um Menschenrechte, waeren "Kollateralschaeden" nicht zu akzeptieren.
So aber sind die wurscht. Was mittlerweile auch -- die vorher etwas
seltsam naiv sich gegeben habende -- Arabische Liga konstatierte.
Und natuerlich haetten speziell die europaeischen Kolonialmaechte
grosses Interesse daran, auch gleich Bodentruppen zu entsenden, um
damit den Fuss in der Tuer zu haben, und sollte das nicht so einfach
moeglich sein oder politisch daheim nicht opportun, wird man
spaetestens mittels "Aufbauhilfe" nach dem Krieg dafuer sorgen, dass
die richtigen "Investoren" die Ressourcen in die Hand bekommen.
Und noch etwas faellt auf: Vor der japanischen Katastrophe war die
Einigung ueber die "Flugverbotszone" noch nicht klar. Aber Fukushima
ist auch ein Super-GAU fuer die Atomindustrie. Vielleicht ist es purer
Zufall, dass danach der militaerische Einsatz im Sicherheitsrat auf
keinen ernsthaften Widerspruch mehr traf. Ganz trocken emotionslos
gesagt: Mit der Diskreditierung der Atomtechnologie ist die
Energiereserve Oel noch interessanter -- ja, also da kann man auf
Libyen wirklich nicht verzichten.
Gaddafi war immer ein Feind des Westens. Er fuehrte sich auf, als
waere Libyen ein Grossmacht -- mit allem was dazu gehoert:
Geheimdienst, Terrorismus, aber auch oekonomische Unterstuetzung ihm
genehmer ziviler Opposition in anderen Laendern. Speziell die USA und
Grossbritannien unternahmen alles, um ihn loszuwerden -- bis hin zu
den Luftangriffen von 1986. Er war ein ernstzunehmender Konkurrent.
Und: So sehr er sich auch in der arabischen Welt oft genug Feinde
geschaffen hat, war sein Widerstand dennoch ein Symbol, dass diese
Welt sich nicht alles gefallen lassen duerfte. Libyen konnte diese
Rolle finanzieren -- mit dem Oel. Das wurde deswegen zwar ueberallhin
verkauft, denn Gadaffi haette sich seinen eigenen Lebensnerv
abgeschnitten, haette er die Oelfoerderung zu sehr gedrosselt, aber
Libyen behielt die volle Kontrolle ueber seine Oelquellen -- und das
war angesichts labiler Weltmaerkte halt auch recht unangenehm fuer die
"internationale Gemeinschaft".
In den letzten Jahren hatten sich die westlichen Staaten mit Gaddafi
weitgehend arrangiert -- auch in der Fluechtlingsfrage, wo die
libysche Polizei zur Hilfstruppe der FRONTEX wurde. Zwar war man mit
dem "verrueckten" Revolutionsfuehrer nie gluecklich, aber besser ein
ungeliebtes als ein instabiles Regime. Doch jetzt gibt es diese
Aufstaende und ein jahrelanger Buergerkrieg droht. Insofern koennten
die Angriffe der Alliierten vielleicht (aber wirklich nur: vielleicht)
weniger Menschenleben kosten als der Verzicht darauf. Aber darum geht
es bei den Angriffen eben nicht.
Wie so oft, will man nachher wieder ein Vasallenregime errichten --
bis dieses dann in 10, 20 oder 30 Jahren entweder seinen frueheren
Lehnsherren untreu wird oder es halt doch wieder zu einer Revolution
kommt, wo man sich dann wieder "engagieren" muss -- usw. usf. Kann man
Afrika und den arabisch-islamischen Raum nicht endlich in Frieden
lassen?
Nein, kann man nicht. Speziell Afrika ist so verdammt reich: Oel,
Diamanten, Gold, Coltan, Bauxit und und und. Die industrialisierte
Welt ist einfach sehr daran interessiert, diese ganzen schoenen
Rohstoffe nicht diesen Blossfuessigen zu ueberlassen -- aus reiner
Liebe zum Menschenrecht. Stimmt schon, in vielen Gegenden Afrikas sind
genug seltsame Potentaten unterwegs, die die Macht haben, ganz ohne
europaeischen oder US-amerikanischen Einfluss die Bevoelkerung zu
terrorisieren. Aber diese Zustaende sind schon auch Folge der
Kolonialgeschichte und sie werden sich mit der Perpetuierung des
Neokolonialismus sicher nicht verbessern.
Schmidinger hat uns erklaert, dass Linke nach dem Krieg kritisieren
muessten, was in Libyen passiert, aber jetzt waere der Angriff halt
notwendig. Nunja, einmal abgesehen davon, dass unsere Ansichten zu
diesem Thema den Herren dieser Welt sowieso wurscht sind, muss schon
klar sein, dass die Militaeraktionen ganz allein wegen der
zukuenftigen Ausbeutung passieren. Diese Aktionen sind Investitionen
in die Zukunft und die beteiligten Maechte haben sicher kein Interesse
daran, diese Kosten als stranded investments abzuschreiben.
Thomas, vielleicht klingt dir das zu einfach, aber manchmal ist es
eben wirklich so simpel.
*Bernhard Redl*
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