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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 24. Februar 2022; 02:45
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Wien/Verkehr/Debatte:

> Noch einige Fakten zum Lobautunnel

*Wolfgang Rehm* von VIRUS antwortet ein weiteres Mal auf Leo Buchner
(akin 4/2022)


Ich war von der Akin-Redaktion gebeten worden, den (ersten) Kommentar von
Leo Buchner um eine Stellungnahme zur Lobauautobahn zu ergänzen. Der
S1-Abschnitt Schwechat-Süßenbrunn ist ein Projekt, das mich jahrelang
beschäftigt und das ich seit 2011 begleiten darf. Ich kenne Herrn Leo
Buchner nicht, aber bin jetzt nicht überrascht, dass er eine Replik nach dem
Muster "Ich habe Recht!" loswerden musste. Der Stil ist allerdings
fragwürdig. Er qualifiziert den Vergleich Zwentendorf - Hainburg - Lobau
ohne weiteres Argument als "lächerlich" ab, unterstellt Pauschalität,
wünscht sich eine nicht näher spezifizierte Einzefallbetrachtung,
beansprucht für sich offenbar Seriosität die er "der Diskussion" im gleichen
Atemzug abspricht und unterstellt nicht getätigte Aussagen wie "jede Straße
ist schlecht". Ansonsten sollen vermeintliche Gewissheiten offenbar
vorwiegend aus der eigenen Selbstgewissheit generiert werden.

An und für sich wäre es müßig, darauf noch viel zu antworten. Ich denke aber
dass einige zusätzliche Fakten zum Projekt für die Akin-Leser_innen
interessant sein können:

Verkehrsentlastung Südosttangente durch S1: Laut "Gutachten" Buchner: "mit
Sicherheit"!

Ergebnisse Asfinag-Verkehrsuntersuchung: Südosttangente (Praterbrücke)
derzeit Gesamtverkehr DTVW (durchschnittlicher täglicher Verkehr an
Werktagen) 186.000, Prognose 2025 mit S1 221.100, 2035 mit S1 dann 243.500
(dies bei 60.000 im Tunnel und im Mittel einer Staustunde/Werktag auf der
Südrichtung). Betrachtet man den Schwerverkehr dann sieht es folgendermaßen
aus (auch DTVW): 18.200 LKW derzeit, 2025: 26.500 (plus 5100 im Tunnel),
2035: 29.200 plus 5600 im Tunnel. Von Entlastung kann nicht die Rede sein.

Zentrales Problem im Buchner- Essay ist die offenbar fest verdrahtete
Vorstellung, dass Verkehr konstant ist und nur verlagert wird. Die reale
Verkehrsentwicklung ist aber nicht mit dieser Vorstellung im Einklang.

Deshalb funktioniert die Verlagerung "vom Gebirge in die Ebene" (und die
dazu erdachte Energieeinsparung) nicht, weil es keine Verlagerung gibt, die
nicht gleichzeitig kompensiert wird, deshalb keine Einsparung - dazu müsste
schon die A21 außer Betrieb gehen. Weiters:

. Das S1-Untersuchungsgebiet ist beträchtlich größer, als es sich Buchner
offenbar vorstellt und kann durch kleinräumige Verlagerungsansätze nicht
ausgetrickst werden.

. Induzierter Verkehr findet statt und nicht nur kleinräumig. Eine Erhöhung
des Angebotes (egal ob West-Ost oder Nord-Süd Achse) generiert auch hier
Neuverkehr

. Eine Ortsumfahrung ist ein Ersatz einer Ortsdurchfahrt durch eine außen
herumführende Straße gleicher Kategorie. Ein als "Regionenring" gelabelter
195 Kilometer langer Autobahnring der beträchtlich Verkehr induziert ist
keine Ortsumfahrung.

Bleibt noch darauf hinzuweisen, dass die für die S1 errechneten
Lärmimmissionspunkte an den Fassaden von Wohngebäuden liegen. Das Gesetz
sähe sogar, um auch bei starken lokalen Belastungen eine Genehmigung
erteilen zu können, ein "Entlastungsprivileg" vor, wenn mehr Nachbarn
entlastet als belastet werden. Davon kann bei nahezu dreimal so vielen
Punkten mit Mehrbelastung als solchen mit Entlastung keine Rede sein und
sollte diese Angabe (ohne den Fachbereich Lärm erschöpfend behandeln zu
wollen ) nur andeuten, dass auch immissionsseitig von keinem
Entlastungsprojekt die Rede sein kann. Ein Belastungsprivileg steht übrigens
nicht im Gesetz.

2006 gab es eine Werbekampagne der Stadt Wien mit einer Grafik die den
Lobautunnel als waagrechten mit steilen Rampen skizzierten Schlauch zeigte.
"Dichter Untergrund" stand da zu lesen. 2021 wurde dieselbe Kampagne neu
aufgewärmt. Man kann das jetzt unkritisch apportieren oder bevor man es
weiterverbreitet, doch noch andere Erkundigungen einholen. Faktisch gibt es
dort, wie die geologischen Längenschnitte des Einreichprojekts zeigen,
Schotter, Sand und Sand mit Siltfraktionen, also keinen dichten Untergrund,
sondern müsste der Tunnel in grundwasserführenden Schichten
(unterschiedlicher Durchlässigkeit) vorangetrieben werden. Die Tunnelröhren
durchmessen 15 Meter. Es macht also einen Unterschied, ob von
Tunnelunterkante oder -oberkante gemessen wird. Ca. 60 Meter Tiefe erreichte
die Tunnelbohrung unter der Donauinsel; ab Tunneloberkante wären das ca. 45
Meter, der Tunnel steigt aber dann nach Norden zu wieder an und läge die TOK
an der Nationalparkgrenze nur mehr ca. 13 Meter unter der Geländeoberkante.

Ach ja und die Wasserhaltungen für tiefe Baugruben für einen Autobahntunnel
verursachen signifikante Absenktrichter - an der Nationalparkgrenze und im
Süden im Bereich Schwechat - da geht's um Reichweiten von hunderten Metern.
Das Problem ist nicht mit einem "Häuslbau" und einer Wiederversickerung nach
ein paar Metern vergleichbar.

Ja, eine oberirdische Straßenverbindung durch die Lobau ist nicht
verträglicher als eine Untertunnelung, aber diese Verbindung an sich ist
nicht gottgegeben, sondern grundsätzlich zu hinterfragen, neben der
Klimaschädlichkeit schon deshalb, weil sie die ihr stereotyp zugeschriebene
Hauptfunktion der Verkehrsentlastung nicht erfüllen kann. Wenn schon eine
12. Donauquerung in Wien gebraucht wird dann wäre eine zweite Ostbahnbrücke
für den viergleisigen Ausbau erste Kandidatin dafür.
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