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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 2. Februar 2022; 23:24
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Verkehr/Debatte:
> Lobautunnel bringt eben keine Entlastung!
*Wolfgang Rehm* von der Umweltorganisation VIRUS antwortet auf Leo Buchners
"Warum ich für den Lobau-Tunnel bin!" (akin 2/2022)
Die Lobau-Autobahn S1-Schwechat Süßenbrunn ist ein langjährig projektiert
gewesenes und nun abgesagtes 19 km langes Autobahnstück das den 8,5 km
langen Lobautunnel beinhaltet. Fragt man nach dem Warum dieses Projektes
dann steht an erster Stelle die stereotyp propagierte "Verkehrsentlastung".
Sie hat einen Schönheitsfehler: Sie findet nicht statt, nicht einmal in den
zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) eingereichten Verkehrsuntersuchungen
der Asfinag. Für wesentliche Durchzugsstraßen in der Donaustadt wie die
Esslinger Hauptstraße kommt es zu einer Zunahme gegenüber dem Bestand wie
insbesondere auf der allen Wortmeldungen voran gestellten Südost-Tangente.
Der Schmäh dabei: man vergleicht nicht mit dem Ist-Zustand, sondern einem
Referenzplanfall im Prognosejahr mit dem Vorhaben und weist so relative
Reduktionen aus. Was dabei erzielt wird, ist aber die Dämpfung eines
Zuwachses und das auch nur vorübergehend. Der Lobautunnel selbst wäre
bereits 2035 wieder verstaut. Wichtig: Der Gesamtverkehr nimmt stark zu, in
Konsequenz auch die Treibhausgasemissionen. Hier steht die S1 für ein
Szenario mit 60% straßenverkehrsbedingter CO2-Emissionszunahme im
Untersuchungsgebiet - eine nicht hinnehmbare Entwicklung.
Viele Menschen (Anm.: Dazu gehören auch Bürgermeister und sonstige
Polit-Funktionäre). haben hier Vorstellungen im Kopf nach dem Motto "einmal
Verkehr auf zweimal Straße aufgeteilt ergibt weniger Verkehr pro Straße" -
aber Verkehrsentwicklung funktioniert nicht nach dieser simplen Formel. Der
Grund dafür heißt in der Fachwelt "induzierter Verkehr". Die dabei oft
verwendete Formulierung "Verkehr anziehen" ist irreführend, weil es eben
gerade nicht nur um Verlagerung geht sondern es entsteht Neuverkehr durch
zusätzliche Fahrten und geänderte Verkehrsmittelwahl. Langfristig verändert
sich die Raumstruktur ungünstig, folgen Zersiedelung und
Speckgürtelentwicklung (wie sie die Stadt Wien schon 2003 für die jetzige S1
nachweisen ließ) bei schlechterem Versorgungsgrad mit öffentlichem Verkehr
und verstärkte Autoabhängigkeit wird dauerhaft einzementiert. 157 ha direkte
Flächenversiegelung stehen im Einreichprojekt, die indirekte durch die
geschilderte Speckgürtelentwicklung ist dabei nicht erfasst. Was
Lärmimmissionen (Nachtzeitraum) betrifft, stehen 32.328 berechneten
Immissionspunkten mit Zunahmen lediglich 12.246 Immissionspunkte mit
Abnahmen gegenüber.
In den Donauauen soll zwar nicht gerodet werden, aber unter ihr im
geologisch heiklem "Schwechater Tief" mit dem Lobautunnel (15m durchmessende
Tunnelröhren) als Hindernis der erste Grundwasserhorizont und tiefere
Grundwasserstockwerke (Notwasserreserve) gequert und für große Baugruben
Wasser abgepumpt werden. Der Vortrieb würde nicht, wie. 2006 und 2021/2022
in Werbekampagnen der Stadt Wien behauptet, in dichtem Untergrund, sondern
durchwegs in wasserführenden Schichten (großteils Sand) erfolgen und im
Nationalpark teilweise nur ca. 13 Meter unter Geländeoberkante liegen. Neben
der Trinkwasserversorgung berührt dies die Achillesferse eines
Auenökosystems, das als Feuchtgebiet auf Grundwasser angewiesen ist und im
Bereich der Lobau ohnehin unter Wasserknappheit leidet. Entgegen der
Wichtigkeit dieser Beweisfrage wurde seit Beginn der Verfahren diese Frage
nicht adäquat untersucht. In den nachfolgenden Wasserrechtsverfahren hat die
Asfinag bestätigt, dass die davor in der UVP eingesetzten Methoden
ungeeignet waren.
Das sind die Rahmenbedingungen vor denen Leo Buchner einen akin-Beitrag
geschrieben hat, in dem er wie viele SPÖler annimmt, dass eine unterirdische
Donauquerung schon OK ist weil ja oben kein Wald gerodet wird und die
Tunnelbautechnik alles im Griff haben wird. Als A21-Anrainer in Gießhübl
erhofft er sich Entlastung und tappt in die bereits erwähnte Falle der allzu
simplen Formel. Jetzt verhagelt der Straßenverkehr seit 30 Jahren jedes Jahr
die Klimabilanz Österreichs praktisch im Alleingang. Da wäre gemessen am
Erfordernis ein Ansatz, der versucht, Emissionen einzusparen, indem
gebirgigere Strecken durch ebene Strecken ersetzt werden, selbst dann nicht
problemadäquat, wenn er überhaupt funktionieren würde. Abgesehen davon dass
Tempolimits mehr brächten und in Autobahnneubau viel treibhausgasintensiver
Energieinput steckt, käme es auch hier durch zusätzliches Angebot nicht zu
einer Entlastung, sondern zu Mehrverkehr und schlechterem "Modal-Split"
(Anteil verschiedener Verkehrsträger am gesamten Aufkommen) im Personen- und
Güterverkehr.
Hier ist weiters anzumerken, dass der Transitbegriff überstrapaziert ist,
und sich mittlerweile verselbständigt hat. Eigentlich ist damit
internationaler Fernverkehr mit Quelle und Ziel außerhalb Österreichs
gemeint, gebraucht wird er für jedwede Form von Durchzugsverkehr. Der
Versuch Verkehr in guten heimischen und bösen Transitverkehr einzuteilen ist
weder sachlich gerechtfertigt noch hat sich dieses Bild im EU-Kontext
(Nichtdiskriminierung) als zielführend erwiesen. Der Großraum Wien hat
überwiegend ein lokales Problem im Personenverkehr. Auf der Straße sind 8%
wiendurchgängiger Verkehr. Beim Güterverkehr fehlen genaue Daten, kann aber
von ähnlicher Größenordnung ausgegangen werden. Betrachten wir die
überregionale Ebene, dann förderte eine Lobauautobahn (die gerade keine
Ortsumfahrung wäre) neben mehr donauparallelem Ost-West Verkehr auch eine
neue Transitachse in Nord-Süd Richtung und würde damit der Slowakischen D2
Konkurrenz machen und über ihr Schwesterprojekt S8 (neben Querverbindung
eben zur D2) eben via Fortsetzungen D4 und D1 neue internationale
Fernverkehrsrouten von und bis zur Ukraine manifestieren.
Die von Buchner angesprochenen großen Umweltkonflikte Zwentendorf und
Hainburg unterscheiden sich stark voneinander, sie eint dass beide top-level
Ereignisse waren. Der seit Jahrzehnten währende aktuell wogende
Lobau-Konflikt ist wiederum anders, aber in derselben Größenordnung. Ich
finde nicht diesen Vergleich perfide, sondern, dass die Wiener SPÖ immer
noch die Betoniererpartei und Ludwig den Beton-Bürgermeister gibt und mit
viel Steuergeld via Inseraten und der Berichterstattung die neuerdings auch
"Inseratenkorruption" genannt wird, Desinformation in die Medienlandschaft
gießen lässt - in einem Ausmaß, wie ich es hier nur exemplarisch anschneiden
und widerlegen konnte. Ich denke es sollte nun klar sein, dass die
Lobau-Autobahn kein Heilsbringer, sondern ein Relikt aus der Alt-Betonzeit
ist. Ihre Absage durch die Klimaschutzministerin macht noch keine
Klimawende, aber mit Lobau-Autobahn wäre eine solche unmöglich. ###
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> Kasten: Lobautunnel nicht genehmigt, Stadtstraße nicht für Wohnungen für
> 60.000 Personen
(Aussendung VIRUS)
Die Umweltorganisation VIRUS stellt zu wiederholt kolportierte
Falschinformationen klar: Der abgesagte Lobautunnel verfügt nicht über aller
erforderlichen Bewilligungen, zu 6 von 7 beantragten Bescheiden laufen
Beschwerdeverfahren. Das Vorhaben führt gemäß Einreichprojekt nicht zu einer
Entlastung der Südost-Tangente.
In Richtung der Wiener Stadträtin Sima korrigiert VIRUS, dass die Seestadt
Nord nicht Wohnungen für 60.000 Personen umfassen würde. Diese Zahl beziehe
sich vielmehr auf alle Stadtentwicklungsgebiete in der Donaustadt. Als
einziges einer UVP unterzogenes Projekt habe aber lediglich die Seestadt
Nord eine Bedingung im Bescheid, der die Verkehrsfreigabe nicht nur der
Stadtstraße Aspern, sondern auch der S1-Spange Seestadt erfordert. Zur S1
Spange Seestadt laufen noch Bewilligungsverfahren für die Stadtstraße und
ein von der MA28 beantragtes Änderungsverfahren. Ein Änderungsverfahren für
die Seestadt kann hier relativ rasch Abhilfe schaffen, objektiv braucht
dieses Prestigeprojekt keine überdimensionierten Straßen, auch dann nicht
wenn die Behauptung ständig wiederholt wird.
(gek.)
https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20220201_OTS0144
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