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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 13. Juni 2019; 19:14
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Polizei/Debatte:

> Ich wünsche mir Empörung!

Zu: "Das Überraschende an der Polizeigewalt", akin 13/2019

Bei der Klimaschutz-Demo am 31.Mai wurde ein Demonstrant, der bereits am
Boden gelegen ist, von einem Polizisten mehrfach geschlagen. Wie auf einem
Video, dass seinen Weg nach youtube gefunden hatte genau zu sehen ist,
hatten bereits fünf Polizisten auf seinen Körper Platz genommen, als der
prügelnde Polizist mittels Faust auf einen wehrlosen Menschen eingeschlagen
hatte, es muss aber schon der Kopf - zumindest Kopfnähe gewesen sein.

Nicht zu erfahren war, wie es dem Opfer geht, wie schnell ein Arzt, eine
Ärztin anwesend gewesen ist, wie schnell die Rettung den Weg durch die Demo
gefunden haben mag. Die Medienberichterstattung fokussierte auf die
Gewaltszene, wichtig wäre es aber schon zu wissen, wie schnell und wer in
der von der Polizei kontrollierten Umgebung dem Gewaltopfer zu Hilfe eilen
durfte, wie rasch diese zu ihn durchdringen konnte und ob es ihm
mittlerweile körperlich besser geht.

Ich weiß schon, dass wir in einer Welt leben, in der Gewalt Alltag ist. Darf
ich trotzdem schockiert sein, bitte! Ich kann nur den am Boden gelegenen
verletzten Mann wünschen, dass ihm ausser diesem grausamen Erleben zumindest
keine bleibenden körperlichen Schäden zurückbleiben. Ich krieg das nur über
die bürgerlichen Massenmedien mit: zynisch war für mich ein Interview,
welches auf "krone.at News-Talk" mit dem Wiener
Landespolizei-Vizepräsidenten Michael Lepuschitz geführt worden war. Selbst
auf sanft gestellte Fragen des Journalisten konnte der Vize-Bulle sich keine
Entschuldigung abringen. Zunächst berichtete er, dass es in Wien im
Vergleich zum gesamten Bundesgebiet viele Kundgebungen und Demonstrationen
geben würde und stellte diese als Herausforderung für die Polizei dar. Der
Vize-Bulle konnte nur äußern, die Staatsanwaltschaft werde wohl Licht ins
Dunkel bringen. Oder auch nicht.

Mechanisch erklärte der Vize-Bulle, dass es einem normalen Polizei-Prozedere
geschuldet wäre, dem Waffen-Gebrauchs-Gesetz Folge zu leisten. Dazu gehöre
auch der Einsatz von Körperkraft. Nach Waffen-Gebrauchs-Gesetz ist die Faust
eines Polizisten also eine Waffe, derer sich ein Polizist bedienen könne.
Wie schön, dass er den Mann nicht gleich erschossen hat. Wäre auch komisch
gewesen, einen am Boden liegenden Menschen eine Kugel durch den Kopf zu
jagen. Nach Waffen-Gebrauchs-Gesetz ist die Faust des Polizisten eine
legitime Schutzwaffe, um potentielle Gewalttäter dingfest zu nehmen. War das
Gewaltopfer eine Gefahr? Als bereits fünf bewaffnete Polizisten auf ihn
knieten? Laut Waffen-Gebrauchs-Gesetz wird der Polizist wohl auf den wehrlos
am Boden liegenden einschlagen dürfen: Von Hainburg bis Wackersdorf kennen
wir die Gewalt des Staatsapparates, auch der Polizeiknüppel ist uns nicht
fremd.

In der akin normal?

Dennoch: Diese Gewalt und diese Gewalttat ist keine Normalität. Es wäre
gruselig, diese als solche anzusehen. Die Art und Weise, wie die akin
darüber reflektiert, dass ein Polizist hemmungslos auf ein am Boden
liegendes Opfer einschlägt, läßt diese Brutalität gelangweilt als Normalität
erscheinen, so nach dem Motto: warum aufregen, das kennen wir doch. Die akin
stellt gut recherchiert fest, dass Polizeigewalt dort Einzug hält, wo
Protest gegen den Staat und seine Handlanger sichtbar geworden sind und es
immer wieder werden und bringt hinglänglich Beispiele.

Was mich stört an dieser Berichterstattung ist die Trockenheit der
Nacherzählung. Die Berichterstattung klingt altklug: naja, damals sind wir
mit Wasserwerfern getauft worden, heute bekommst Du Bullen-Fäuste. Das ist
nicht normal, und was die akin auch immer an Widerstandsaktivitäten
aufzählen mag, es ist abscheulich, auf einen Menschen einzuschlagen, der
bereits am Boden liegt, um auszusagen, dass das schon immer so war.

Medien sind ein Spiegel unserer Gesellschaft. Wenn es eine Erwartungshaltung
an alternative Kleinmedien gibt, ist es eine moralische Haltung, die sich
daran knüpft, dass diese nicht nur der Gesellschaft einen Spiegel vor die
Wand stellen sondern auch ihrer Empörung Ausdruck verleihen, etwa dann, wenn
ein Mensch verprügelt wird. Das Aufzählen vieler Gewaltopfer, die der
Polizei und Justiz ausgeliefert waren und wurden macht es nicht besser auch,
wenn man lesen muss, dass wir das ja schon gelernt haben

Es ist kaum auszuhalten, wie dieser Vize-Bulle dasteht, erklärt, wie es laut
Gesetz noch legitim sein könnte, auf einen wehrlosen Menschen
einzu-dreschen, weil dieser am Boden liegend noch gezuckt hatte. Es ist kaum
auszuhalten.

Liebe akin, liebe Redaktion, bitte lasst es in Eurer Berichterstattung nicht
zur Normalität werden, über Polizeigewalt so zu berichten, als hätte es das
immer schon gegeben, als wäre das unsere Gegebenheit und vor allem als würde
es das immer geben. Gott-Staat- Patriarchat, ein Naturgefängnis.

Was mich stört ist diese gelangweilt wirkende Aufzählung. In dieser sehr
berechtigten Aufzählung spiegelt sich wider, dass wir eh wissen, mit wem wir
es zu tun haben, so als wär das nichts Neues. Ist es auch nicht.

Es ist aber ein Mensch geschlagen worden, dem mit der Aufzählung derer, die
schon vor ihm Polizeigewalt erleben mussten, wenig geholfen sein wird. Jeder
Mensch, der Gewaltopfer wird, ist und bleibt ein Opfer für sich.

Was an der trockenen Aufzählung zu kurz gegriffen wirkt, ist das Entsetzen
darüber, dass ein am Boden liegender Mensch, auf dem schon Polizisten
drauf-sitzen auch dann noch eingeschlagen wird.

Auch wenn das immer wieder passiert, dass der staatlich eingesetzte
Polizeiapparat, der demokratische Prozesse, die sich mitunter auf der Straße
abspielen, nicht begreifen will, darf der Polizeiknüppel, auch als Faust
gehandhabt nicht zur Normalität werden. Im gelassen geführten Gespräch auf
krone-tv konnte der Polizei-Vize keine Brutalität im Verhalten des prügenden
Polizisten feststellen. Der versteckte sich hinter Wörtern wie
"Waffengebrauchsgesetz" und mutmaßte, dass das Gewaltopfer sich keine
Handschellen anlegen lassen wollte, was die Gewalttat, die er als solche
nicht gesehen haben will, irgendwie entschuldigen sollte. Der Vize-Bulle
wartet auf Ergebnisse der Staatsanwaltschaft. Er selber könne sich da kein
Urteil bilden, wisse aber, dass es in Wien schon ein Problem sei, dass es
immer wieder zu Kundgebungen und Demonstrationen komme. Selten entblößt sich
die Staatsgewalt so sehr, dass sie den auf der Straße gelebten Protest gegen
unerträgliche Zustände als Problemzustand offenlegt.

Und wenn es hundertemale geschieht, dass der Polizeiknüppel auch als Faust
feige, weil sich in der Übermacht wähnend, zu regieren scheint, ist es nicht
normal. Es ist nicht in Ordnung, wenn Stärkere auf Schwächere einschlagen.
Kindern, die ihre Kräfte ausprobieren möchten, sagt man, dass sie sich wenn
nicht an Stärkeren so doch zumindest an gleichstarken Kindern messen
sollten. Sich an Schwächeren zu messen ist niederträchtig und gemein. So
einfach läßt sich das auf den Punkt bringen, vielleicht sollten Polizisten,
bevor sie Waffen tragen dürfen und ihre Fäuste als Waffen definieren dürfen,
zunächst einmal diese einfache Kindersprache erlernen.

Ich wünsche mir eine Empörung und einen Aufschrei. Der Anständigkeit. Der
Ablehnung.
*Rosalia Krenn*


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