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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 31. Mai 2017; 18:52
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Glosse/Verfassung:

> Die Sinnfrage

"Staatsverweigerung" soll demnächst ein Delikt werden -- einmal abgesehen
davon, daß dieser Gummiparagraph demokratiepolitisch höchst bedenklich ist
und man damit alles mögliche verfolgen kann -- hat diese Norm eine innere
Logik: Der Staat mobilisiert seine Truppen, um sich selbst zu verteidigen.
Er deklariert sich damit aber -- im Gegenteil zum allgemeinen Verständnis
als Verwaltungsapparat, als politisches Gefäß, als Volkskoordinator und
Schiedsrichter -- auch zum Kombattanten. Ja, §247a StGB wäre nicht die erste
Strafnorm, mit der sich der Staat gegenüber seinen Gegnern zu schützen
versucht, sie ist aber die erste, in der pönalisiert wird, den Staat als
solchen abzulehnen. Genau dadurch macht sich der Staat aber auf einer
rechtsphilosophischen Ebene angreifbar, denn er definiert sich dabei als in
Frage stellbar. Das Undenkbare wird somit denkbar.

Die Organisation von Menschen und Territorien in Staaten ist uralt. Fürsten
aller Jahrhunderte mußten sich gegen ihre Völker wehren, sei es mit
bewaffneten Männern (denen sie auch nicht immer blind vertrauen konnten),
sei es mit großem Brimborium, sich selbst zu weisen, gottähnlichen Wesen zu
stilisieren; Pomp and Circumstances quasi und dann noch ein bisserl Brot und
Spiele.

Die Zeiten haben sich geändert, die Völker haben sich erhoben, heute hat das
Volk selbst als Souverän zu gelten. Eingedenk der Molochhaftigkeit des
Staates führte man die Trennung der Gewalten ein. Genau durch solche
Revolutionen wurde aber die Idee des Staates gerettet: Nicht der Staat, also
ein Hegemon mit seinen Beamten, sollte das Volk regieren, sondern das Volk
sollte das Gefühl haben, den Staat zu regieren, ja, wie einst die
absolutistischen Herrscher sich selbst als der Staat fühlen.

Nur: Ein Staat blieb es doch. Und der hat ein Problem, wenn Teile seines
angeblichen Souveräns ihn ablehnen. Denn damit wird an der Legitimation des
Staates gerüttelt. Die Frage steht dann im Raum: Wem dienen die Staatsdiener
wirklich und wozu brauchen wir den Staat überhaupt? Wozu ist er nütze? Was
ist das Ziel seiner Existenz?

Staatsziel statt Amtsweg

Womit wir bei einer anderen anstehenden Novelle wären, die die gerade
zerfallende Koalition noch durchbringen möchte, der Reform des
Staatszielgesetzes.

Bis vor einem paar Jahren hatte der Staat überhaupt keinen Bedarf, seine
eigene Sinnhaftigkeit zu belegen: 'Der Staat ist einfach und wir alle sind
der Staat.'

Bis 2013 fand sich im österreichischen Verfassungsrecht nur eine einzige
Stelle, die man als Staatszieldefinition ansehen konnte, nämlich das
Bekenntnis zur Landesverteidigung -- was schon allein eingedenk der
Tatsache, daß ein Mittel zur Aufrechterhaltung des Staates als Zweck
definiert wird, eher absurd erscheint.

Anfang dieses Jahrhunderts stellte das Sozialstaatsvolksbegehren die
Forderung auf, den Sozialstaat, also die institutionelle Armutsbekämpfung,
als Staatsziel zu definieren -- damit war aber erstmals in der Zweiten
Republik auf einer größeren Bühne der Staat aufgefordert, seinen
eigentlichen gesellschaftlichen Auftrag zu definieren. Der Selbstzweck
reichte plötzlich nicht mehr.

Vor vier Jahren wurde dann etwas beschlossen, was offiziell etwas sperrig
"Bundesverfassungsgesetz über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den
umfassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und
Lebensmittelversorgung und die Forschung" heißt und in der öffentlichen
Diskussion mitunter als "Staatszielgesetz" bezeichnet wird. Sehr
ernstgenommen dürfte man das wohl auch nicht haben, denn man ging
offensichtlich davon aus, daß Verfassungsrecht in Österreich wie üblich
sowieso nicht als unmittelbar anzuwendendes Recht angesehen wird und damit
zumindest solange als "tot", bis sich der Verfassungsgerichtshof damit
beschäftigen muß. Nun stellte man fest, daß es aber in Österreich Richter
gibt, die das ernstnehmen. Also muß man da auch wirtschaftliche Definitionen
aufnehmen -- und plötzlich wird ein Sonntagsredengesetz zu lebendigem Recht:
Der Staat sieht sich genötigt, seine Aufgaben und damit auch seine
Zweckhaftigkeit zu defnieren. Und da fällt dann halt schon auf, daß das, was
er da als seine Legitimation anführt, ein bisserl wenig ist -- der Kaiser
ist anscheinend doch nackt.

Ob es da ausreichen wird, ein Gesetz zu erlassen, daß das Erkennen dieser
Blöße unter Strafe stellt, bleibt abzuwarten.
*Bernhard Redl*

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Siehe auch: Initiativen in diesem akin-pd



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