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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 27.Februar 2016; 23:00
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Katalonien

> CUP: Ein Anhauch von Bewegung

Am Donnerstag, den 25. Februar, kommt der soziale Aktivist und ehemalige Abgeordnete Quim Arrufat von der katalanischen Candidatura d'Unitat Popular (CUP) nach Wien zu Besuch. Die linke CUP ist vor allem in der Kommunalpolitik engagiert und in 33 Gemeinden an der Kommunalregierung beteiligt. Seit den Regionalwahlen stellt sie 10 von 135 Abgeordneten im katalanischen Parlament und wurde dort so zum Zünglein an der Waage. Aber was ist die CUP eigentlich? Die Gegeninformationsinitiative *Aug und Ohr* hat sich das genauer angesehen:

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Die CUP ist eine Organisation, die als Bewegungspartei bezeichnet werden kann und strikt auf Basisdemokratie und kollektiv-egalitärer Entscheidungsfindung basiert, die beinahe durchgehend praktiziert wird. Sie kommt von sozialen Bewegungen her, von solchen nämlich, die seit Jahrzehnten in Katalonien aktiv sind, als Organisation ist sie auch selbst seit Jahrzehnten präsent, aber erst in den letzten Jahren hat sie einen großen Aufschwung erfahren.

Woher kommt der Zuspruch? Einerseits daraus, daß die CUP eine radikal antikapitalistische Politik fährt und konsequent alle Arbeitskämpfe unterstützt oder sie mitträgt, und sich gleichermaßen für die Rechte der Arbeitslosen und der sonstigen Marginalisierten einsetzt (und dies hat sie mit der nicht-nationalistischen radikalen Linken, wie sie etwa durch Ada Colau und deren kommunales Bündnis Barcelona en Comú repräsentiert wird, gemein), und zweitens rührt die zunehmende und massive Unterstützung für diese Partei aus ihrem harten Einsatz für eine strikte Abtrennung Kataloniens vom spanischen Gesamtstaat. Scharfer Antikapitalismus, scharfe Politik der Sezession.

Innerhalb eines unabhängigen Katalonien wäre ein antikapitalistischer Weg leicht, ja überhaupt erst durchzusetzen, denn die Volkssouveränität, besonders der arbeitenden Bevölkerung, und die nationale Souveränität seien zwei Dinge die ineinanderlaufen, so lautet, einfach zusammengefaßt, die Unabhängigkeitsformel der CUP.

Auch wenn man nur wenig Verständnis für den Sezessionismus aufwenden möchte, wird man doch den sozialpolitischen, antikapitalistischen und antiimperialistischen Anteil an den Kämpfen der CUP nicht außer acht lassen können. Denn die Bewegungspartei CUP ist nicht nur eine Partei, in deren Zentrum etwa nur der (wesentliche!) feministische Kampf (nicht der von postmodernen, blasierten Universitätsgrüppchen, sondern der einer breiten Bevölkerung und für eine breite Bevölkerung) verankert ist, sondern, und dies ist integraler Bestandteil ihres Programms: der Kampf die EU und die NATO. Die CUP ist für einen Ausstieg Spaniens aus der NATO (wie anfänglich ansatzweise der gute Iglesias auch), und radikal gegen die "Europäische Gemeinschaft".

Mit dieser Polyvalenz im Kampf gegen die Imperien und deren Instrumente EU und NATO, gegen das Kapital, gegen den spanischen Einheitsstaat, mit diesem sozialpolitischen Einsatz, mit diesem basisdemokratischen Prinzip ist die CUP zu einer (auch im europäischen Rahmen) bedeutenden Organisation geworden, die von der europäischen radikalen Linken als - wie soll ich sagen? - als Wegweiser eingestuft werden sollte, oder als Weggefährte, Weggefährtin.

Allerdings hat die CUP im Verlauf ihrer Souveränitätskämpfe einige schwere Fehler begangen, und wir schulden es der europäischen Linken, der CUP die Leviten zu lesen. Diese Fehler sind: Die voreilige, überschnelle Andockung an die konservativ-reaktionäre Mehrheit des Unabhängigkeitslagers, die unbedachte Zustimmung zu einer politischen Vereinbarung zwischen der Linken und der Rechten des Unabhängigkeits-Blocks, mit der eine Art erpreßter Unterordnung unter die Agenden und Interessen der herrschenden reaktionären Unabhängigkeits-Partei CDC in die Wege geleitet wurde. Drei wesentliche Kräfte der CUP (teils Bestandteil der CUP, teils mit ihr eng verbunden) stufen die CUP nun als Kraft ein, die auf den sozialpolitischen Kampf weitgehend verzichtet hat, weil die diese Entente vorwärtstreibende CUP-Fraktion auf Biegen und Brechen Protagonistin des Unabhängigkeitskampfes werden wollte.

Inzwischen ging Endavant ("Vorwärts"), eine Organisation, die eine zwar kritische, aber anfänglich eher vermittelnde Position einnahm, dazu über, nach einer Revision ihrer bisherigen Einstellung, im Falle eines Falles sich für den Sturz der Regierung bereitzustellen.

Das hatte Auswirkungen. Damit konnte erreicht werden, daß von der Führung her das neue, geschärfte Ansinnen von Endavant gnädigerweise als legitim angesehen wurde. Die praktische Folge davon ist, daß es im kommenden Frühjahr ein Gesamtplenum der Partei geben wird, ganz der politischen Kultur des planerischen Subjekts verpflichtet.

Von der rechts-reformerischen CDC-ERC-Koalition wird versucht, Endavant gegen die CUP auszuspielen, Verhandlungspartei sei die CUP und nicht Endavant heißt es. Endavant hat sich für einen aktive parlamentarische Arbeit im Sinne einer Korrektur des Octrois ausgesprochen und für einen aktiven Kampf gegen Sozialdumping, Umweltzerstörung und Unterstützung und Deckung der Korruption. Sollte sich die Unabhängigkeitsbewegung als eine Sackgasse erweisen "sollte sie im Kreis gehen", dann werde Endavant nicht zögern und diese Regierung zu Fall bringen, heißt es explizit. Angesichts des ziemlich weitgehenden Abrückens von einem strengen Sezessionskurs, das Puigdemont (von der liberalen CDC) bereits unmittelbar nach seinem Amtsantritt als neuer Regierungschef angekündigt hatte, ist diese Drohung von Endavant nicht ohne Substanz und Anlaß.

Manche munkelten schon, der Erpresservertrag sei das Ende der CUP. So ist es nicht. Eine Reihe von derzeitigen Kämpfen in den Institutionen ist Beispiel für die politische Kunst, in den Institutionen und mit ihrer Hilfe gegen die Institution Kapital Widerstand zu leisten. Daher seien einige der derzeitigen Projekte der CUP angeführt.

Es betrifft Großveranstaltungen. Ebenso wie die beispiellose Zerstörung großer Teile Barcelonas durch einen gesichtslosen und immer mehr auswuchernden Massentourismus, der immer mehr herkömmliche Wohnstrukturen bedroht, so sind auch die wirtschaftlichen Großveranstaltungen in der Wirtschaftsmetropole Barcelona der CUP ein Dorn im Auge, weil sie einerseits das Geld der Bürgerschaft ansaugen, andererseits die interimistisch Angestellten miserabel bezahlen. Zeitgleich wird ein Metrostreik stattfinden, den die neue Bürgermeisterin Ada Colau vergebens abzubiegen versucht hatte. Sie versuchte zu "vermitteln", also zu beschwichtigen. Ansonsten eine radikale Demokratin, hat sie hier einen kleinen Kotau vor dem internationalen Großkapital gemacht.

Die CUP ist in der Lage, auf den rechten nationalistischen Präsidenten Puigdemont, mit dessen Wahlkoalition sie ein für sie recht gefährliches "Stabilitätsabkommen" abgeschlossen hatte, immerhin so sehr Druck auszuüben, daß er sich bereit erklärt hat, die, wie überall, erpreßte Verschuldung Kataloniens neu zu diskutieren und ein Hearing/Audit zu veranstalten.

Die CUP stellt sich am Beispiel eines Megaprojekts gegen die Privatisierung der Wasserwirtschaft.

Kampfterrain ist auch das Budget. Man werde dem Budget nicht zustimmen, wenn nicht fundamentalste Forderungen der CUP erfüllt werden. Der Pla de Xoc (Sozialer Notplan) ist nur zu einem Teil von der Mehrheitsriege der Regierung aufgenommen und akzeptiert worden. Das ergibt einen permanenten Kampf.

Auf die längst konzipierte Auslandsvertretung Kataloniens wurde von der Zentralregierung enormer Druck ausgeübt, die CUP fordert den (einigermaßen zu konfliktmindernden Kompromissen neigenden) Puigdemont auf, die Anmaßungen Madrids zu "mißachten", entsprechend einem die ganze CUP-Politik prägenden Prinzip des politischen Ungehorsams.

Nicht zuletzt sind die Arbeits- und Betriebskämpfe zu erwähnen, die ein eigenes Kapitel in Anspruch nahmen würden. Das Interesse der metropolitanen Gesamtlinken daran ist gering.

Termin
Donnerstag, 25. Februar, 19h
Diskussionsveranstaltung Ara és hora - Katalonien im Wandel:
Diskussion mit Quim Arrufat von der katalanischen Kandidatur der Volkseinheit (CUP)
Amerlinghaus, Stiftgasse 8, 1070 Wien
Siehe auch: "Etappensieg oder Niederlage für die CUP?" (akin 2/2016)

 

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