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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 20. Januar 2016; 15:17
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Katalonien:

> Etappensieg oder Niederlage für die CUP?

Nach Monaten harter Verhandlungen ist es der katalanischen radikal linken
Bewegungspartei CUP gelungen, zu verhindern, daß der reaktionäre CDC-Führer
Artur Mas katalanischer Präsident wird. Dies scheint von großer Härte und
Konsequenz zu zeugen. Hätten sie nachgegeben und Mas akzeptiert, dann wäre
das wohl ein Desaster für die unbeugsam antikapitalistische und
sezessionistische Partei geworden und eine Niederlage für die radikale
Linke.

Bis zum letzten Augenblick hatte Mas darauf beharrt, Präsident des
katalanischen Parlaments zu werden. Andere Kandidaten aus dem konservativen
und liberalen Lager, die von der CUP vorgeschlagen wurden, sind nicht
akzeptiert worden.

Ohne die Stimmen der CUP aber, die für die Zustimmung erforderlich waren,
wäre der anvisierte Abspaltungsprozeß (in der Politfachsprache kurz procés
genannt) der bis dato autonomen Region Katalonien vom Gesamtstaat wieder den
Bach hinuntergegangen.

Hätte Mas nicht einen Schritt zurück getan, hätte man wohl auch ihm das
Scheitern des "Prozesses" in die Schuhe geschoben.

Es ist wohl auch ein Gewinn für die (konservativen) independentistas, denn
wenn Mas sich erst langsam in radikale Unabhängigkeitspositionen
hineintreiben ließ (und viele daran zweifelten, ob es ihm damit denn
tatsächlich ernst war), so ist der nunmehrige Präsident Puigdemont mit allen
Wassern des independentismo gewaschen, er bekleidet gleich eine ganze Reihe
von Funktionen im Unabhängigkeits-Sektor, und der unerbittliche spanische
Einheitsfanatiker Rajoy wird mit ihm noch seine Freude haben.

Carles Puigdemont studierte ein wenig katalanische Sprachwissenschaft und
hatte journalistische Posten inne, die von zentraler Bedeutung waren für die
Unabhängigkeitsbewegung. Er war Chefredakteur der 1979 entstandenen
katalanischen regionalen Tageszeitung El Punt-Diari, die sich 2011 mit der
bereits seit 1976 erscheinenden Tageszeitung Avui ("Heute") zu El Punt-Avui
zusammenschloß. Er war von 1999 bis 2002 Direktor der katalanischen
Nachrichtenagentur Agència Catalana de Notícies ACN, http://www.acn.cat/)
(1), die er begründete, wurde 2004 Chefredakteur der englischsprachigen
Tageszeitung Catalonia Today (eines Produkts, das keineswegs die Qualitäten
anderer katalanischer Nachrichtenorgane zu bieten hat) und seit Juli 2015
ist er Vorsitzender des Netzwerkes der für die Sezession optierenden
Gemeinden, der Asociación de Municipios por la Independencia (katalanisch:
Associació de Municipis per la Independència). Die übergroße Mehrzahl aller
katalanischen Gemeinden gehört heute diesem Netzwerk an, das auch in den
vergangenen Tagen, zusammen mit anderen Massenorganisationen der
Unabhängigkeitsbewegung, wie der einflußreichen Kulturorganisation Òmnium
Cultural, einen sehr starken Druck auf die für den procés notwendige
Einigung zwischen der Rechten (Convergència Democràtica de Catalunya, CDC),
den "Liberalen" (Republikanische Linke, ERC) und der radikalen Linken (CUP)
ausgeübt hat.

Außerdem ist er einer der Mitbegründer der seit 1980 bestehenden
Nationalistischen Jugend Kataloniens (Joventut Nacionalista de Catalunya),
die erst einmal einen Prozeß, um das Wort nochmals zu verwenden, in Richtung
nicht nur Autonomie, sondern Unabhängigkeit, also Sezession, zu durchlaufen
hatte, mit dem sie dann aber wesentlich auch die CDC beeinflußt hat.

Gleichzeitig ist er ganz im Zentrum, ganz im Apparat der Rechtspartei
placiert. Seit 2006 fungiert er als Abgeordneter der CDC, und im Jahre 2011
wurde er Bürgermeister von Girona (spanisch Gerona). Damit löste seine
Partei die Sozialdemokraten ab, die dort 32 Jahre lang den Bürgermeister
gestellt hatten.

Wieso hat sich die CUP denn ausgerechnet diesen Ämterkumulierer aufgehalst?

Nun, Mas war, für die Bewegungs-Linke, ein Symbol für Korruption und den
verhaßten repressiven Staat geworden, er mußte abserviert werden. Wenn sie
dies Versprechen nicht eingehalten hätten, hätte dies die Partei ein wenig -
gelockert. Der viele Klaviaturen bedienende Unabhängigkeits-Ritter Carles
Puigdemont steht aber den reinen independentistas der CUP näher als der
oszillierende Mas.

Aber mit Puigdemont als Präsident, und womöglich Präsident eines
unabhängigen Staates, also relativ uneingeschränkt, auf Staatsebene
agierenden Spitzenvertreters der katalanischen Bourgeoisie, würden die
cupaires noch ihr blaues Wunder erleben.
(Aug und Ohr / stark gek.)

(1) Die auch eine - politisch geglättet-zurückhaltende, ja eher fade -
englischsprachige Ausgabe hat: http://www.catalannewsagency.com/

*

Die ungekürzte Fassung dieses Textes ist auf dem Blog nachzulesen:
https://akinmagazin.wordpress.com/2016/01/20/katalonien-etappensieg-oder-niederlage-fur-die-cup/



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