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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 21. Mai 2014; 16:59
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EU-Wahl/Linke/Debatte:

> Anders verändern

Eine Antwort auf M.Birkner: "Warum ich als parteifreier Kommunist
'Europa anders' unterstütze"

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Vorstehende Analyse erscheint mir grosso modo richtig. Nur: Was hat
das mit "Europa anders" zu tun? Zwar bin ich durchaus auch geneigt,
Herrn Ehrenhauser in seinen Bemühungen, sein Mandat zu verlängern, zu
unterstützen, aber um mehr geht es letztendlich in dieser Wahlbewegung
nicht. Vielleicht schenke ich "Europa anders" meine Stimme, aber
hauptsächlich aus dem Pragmatismus heraus, daß ich ja sonst nicht
wüßte, was ich damit anfangen sollte, und weil ich ein paar Menschen
in meinem Freundeskreis, die sich dafür engagieren, eine kleine Freude
bereiten kann.

Soweit bin ich damit von Birkner auch gar nicht weg, denn dieser ist
ja auch nicht gerade ethuasmiert von der Bewegung und sieht sie rein
pragmatisch. Nur: Was ist der große Benefit von "Europa anders" für
die Linke? Schafft Ehrenhauser wieder sein Mandat, wird er 1
Abgeordneter von 751 sein - sonderliche Bedeutung wird er dort nicht
haben und auch in Österreich bekommt ein EU-Abgeordneter erst dann
Aufmerksamkeit, wenn die nächsten Wahlen anstehen oder er einen
veritablen persönlichen Aufreger liefert - am besten einen negativen.
Schafft Ehrenhauser den Wiedereinzug nicht, war das Ganze sowieso
wieder nur die x-te erfolglose Kandidatur von etwas, das man mit
einigem guten Willen "links" nennen kann.

Da stellt sich die Frage: Lohnt sich der Aufwand? Noch dazu, wenn man
sich auch noch so verbiegen muß, daß man die EU als reformierbar
darzustellen hat, weil ja nur schwer zu argumentieren ist, warum man
ein Mandat in einer Institution haben will, in der man eh nichts
ändern kann.

Ich verstehe schon, was hinter den Zeilen Birkners hier angedeutet
werden soll: Eine Hoffnung, daß "Europa anders" ein Nucleus für einen
Pragmatismus linker Zusammenarbeitspolitik und damit für andere
Wahlbewegungen sein könnte. Nur wird das so nicht funktionieren, auch
deswegen, weil dieses Wahlprojekt sich auf nichts anders als diese
EP-Wahlen konzentriert und nur dafür begründet worden ist. Wenn die
Wahlen geschlagen sind, wird Ehrenhauser im EP sitzen oder auch nicht,
aber sonst wird es nichts zu tun geben für dieses politische Projekt.
Es wird so sein, wie bei vielen dieser Projekte - ähnlich auch bei
Volksbegehren oder auch nur Vorbereitungen für eine Großdemo -:
Nachher war man in irgendeiner Form erfolgreich oder ist gescheitert,
aber alle Beteiligten verlaufen sich und bei den nächsten nationalen,
regionalen oder kommunalen Wahlen fängt man von wieder vorn an,
großartige Bündnisse zu schmieden. Vielleicht fällt es dann leichter,
weil man ja schon mal gemeinsam kandidiert hat - aber eine
vielversprechende Bewegung sieht anders aus.

"Europa anders" ist ein politisches Retortenbaby. Es entstand nicht
aus einer gemeinsamen starken Bewegung, sondern aus einem Kompromiß
mit dem Movens "Wir wollen auch einmal in ein Parlament!". Und ich
glaub sogar, daß das gelingen könnte; Ehrenhauser hat sich mit seinem
Aktivismus wahrscheinlich genug Freunde geschaffen, die mal etwas
"anderes" wollen. Aber allein der Name macht klar, wie vage die
Inhalte sind. Hätte die Liste als "Sonstige" kandidiert, hätte das
vielleicht noch wenigstens von Humor gezeugt. Aber "Europa anders"
heißt leider genau gar nichts, "anders" ist der Stadler auch.

Sicher: Begeisterung ist immer auch eine gefährliche Kategorie in der
Politik. Aber so etwas wie eine Bewegung sollte schon vorhanden sein
und nicht nur eine Wahl-Bewegung. Eine Kandidatur, die wirklich etwas
bewegen soll, sollte nicht mehr sein als eine Zugabe zu einer Bewegung
oder deren unwichtigerer Arm - und nicht deren einziger Inhalt. Man
kann eine Wahl zur Beförderung einer Bewegung benutzen, das ja - um
deren Inhalte zu transportieren und einen Einfluß auf den Common Sense
zu bekommen. Aber dann ist die Kandidatur lediglich
Transmissionsriemen für die Inhalte. Doch ist "Europa anders" so
aufgebaut? Das sehe ich nicht. Schon gar nicht, wenn man versucht,
sich als eine bessere Sozialdemokratie mit Kreisky-Reminiszenzen
darzustellen. Da fehlt jedes Bürgerverschrecken und jede Avantgarde
und jede schwungvolle Bewegung. Es riecht vielmehr nach: Wir haben
schon einen Abgeordneten, da haben wir gute Chancen, als Gruppierung
doch mal gewählt zu werden. Man merkt die Absicht...

Wie gesagt: Für "Europa anders" zu stimmen ist sicher nicht die
blödeste Idee, die man bei dieser Wahl haben kann. Ein Ansatz für eine
gesellschaftlich relevante Linke ist es - selbst bei allem
Pragmatismus - aber wohl nicht.

*Bernhard Redl*



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