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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 30. Maerz 2011; 02:38
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Debatten/Libyen
> Andere Brennpunkte beachten
Letzte Woche (akin-pd 23.3.2011) hatte ich unmittelbar
nach dem Beginn
der Militaerintervention in Libyen folgendes geschrieben, dass ich es
fuer sehr wahrscheinlich halte, dass Qaddhafi bei einer Einnahme
Benghazis ein Massaker mit tausenden toten ZivilistInnen anrichten
wuerde und ich es deshalb in unmittelbar drohender Gefahr
grundsaetzlich fuer richtig halte, dieses drohende Massaker
militaerisch zu stoppen.
Qaddhafi stand vor einer Woche mit seinen Truppen, Milizen und
Soeldnern bereits in den Vororten von Benghazi. Haetten Frankreich,
Grossbritannien und die USA nicht militaerisch eingegriffen, waere
Benghazi mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit bereits in ein
Massengrab verwandelt.
Benghazi ist nicht gefallen. Das angekuendigte Massaker blieb dank der
Zerstoerung der libyschen Luftwaffe und anderer militaerischer
Kapazitaeten Qaddhafis aus. Am Samstag konnten die Rebellen die
Rueckeroberung der Hafenstadt Ajdabiya vermelden. Damit ist die Front
wieder rund 100 km von der zweitgroessten Stadt Libyens (ca. 700.000
EinwohnerInnen) entfernt.
Die Zivilbevoelkerung in Benghazi und in der rund 150.000 Einwohner
zaehlenden Stadt Tobruk, oestlich von Benghazi, ist damit vorerst aus
unmittelbarer Gefahr gerettet. Die Region Kyrenaika mit insgesamt etwa
1,7 Millionen Menschen ist nicht mehr unmittelbar von der Einnahme der
Staedte durch Qaddhafi-loyale Truppen bedroht.
Das ist ein Erfolg, jetzt stellt sich allerdings die Frage wie es
weiter geht. Ich bin kein Politikberater und faende es ebenso falsch
wie laecherlich, wenn sich unbedeutende linke Politikwissenschafter
wie ich, auf die ohnehin niemand von den Maechtigen hoert, als solche
gebaerden wuerden. Mir geht es um politische Kritik und nicht um
Politikberatung. Diese Kritik sollte nach dem erfolgreichen Schutz der
Zivilbevoelkerung Benghazis allerdings wo anders ansetzen, als bei
dieser erfolgreichen Militaerintervention.
Insofern wuerde es durchaus Sinn machen, ueber die v.a. von der
Einbindung Libyens in die Fluechtlingsabwehr gepraegte europaeische
Libyen-Politik der Vergangenheit (und Gegenwart?) zu diskutieren.
Linke Kritik sollte derzeit aber auch andere, wesentlich
unruehmlichere Schauplaetze westlicher Middle-East-Politik unter die
Lupe nehmen.
Die saudische Militaerintervention zu Gunsten einer extrem repressiven
Monarchie in Bahrain, die mit freundlicher Duldung der im dortigen
Flottenstuetzpunkt stationierten US-Truppen geschehen konnte oder die
militaerische und finanzielle Unterstuetzung der US-Regierung fuer das
Regime Ali Abdullah Salihs im Jemen, sind bisher leider nicht in den
Fokus linker Kritik gerueckt. Sowohl in Bahrain als auch im Jemen
wuerde es allerdings derzeit wohl noch genuegen den dortigen Regimen
endlich die Unterstuetzung zu entziehen, um den Weg fuer einen
demokratischen Wandel frei zu machen. Aber wen interessieren solche
Details, wenn man im Falle Libyens so schoen das ebenso eingaengige
wie naive Mantra wiederholen kann, dass Krieg niemals eine Loesung
waere und sich damit zugleich als moralisch ueberlegen fuehlen kann.
*Thomas Schmidinger*
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