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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 2. Maerz 2011; 01:53
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Frauen/Debatte:

> Gegen Herrschaft statt gegen Maenner

Zu: Oeffentliche Stellungnahme des Wiener Frauenzentrums (akin 5/2011)


100 Jahre Frauentag und immer noch kein Grund zum Feiern, feiern
werden Frauen trotzdem und die Lust am Leben lassen wir uns bestimmt
nicht nehmen!

Mein Problem sind die traditionellen Forderungen und Wuensche, ich
moechte naemlich zum Beispiel keinen gleichen Lohn fuer gleiche
Arbeit. Ich bin der Meinung, dass ein Fabriksarbeiter viel zu wenig
verdient und der Meinung, dass er mehr verdienen sollte. Ich wuensche
mir, dass die Fabriksarbeiterin ebenfalls sehr viel mehr verdient.
Eine Gleichverteilung des gesellschaftlich produzierten Reichtums
schliesst ein, dass Frauen egalitaer fuer ihre Arbeiten und Dienste
oekonomisch autonom abzusichern sind. Es wuerde den Rahmen dieses
Artikels sprengen, sich der Herrschafts- und Gewaltstruktur
kapitalistischer Arbeitsverhaeltnisse zu widmen. Mit der Koenigin von
England hab ich kein solidarisches Bewusstsein, ich moechte nicht
dafuer eintreten, dass sie soviel Reichtum besitzen soll wie die
uebrigen Koenige. Bei so manchen Frauen hab ich ein zusaetzliches
Problem. Wenn ich an die Frau Fekter denke, moechte ich am liebsten
eines fordern: ein Volxbegehren fuer AbschiebeministerInnen zum
Nulltarif: wer die Menschenrechte nicht zu respektieren vermag, soll
zumindest kein Geld dafuer bekommen, anderer Leute Existenz zu
vernichten.

Die sogenannte glaeserne Decke wird ebenfalls als Problem
wahrgenommen, es sollten den Frauen dieselben Chancen zugestanden
werden, in "Fuehrungs"-Positionen "aufzusteigen" als dies den Maenner
zugebilligt wird. Fuehrung ist an und fuer sich schon ein
verraeterisches Wort, es beinhaltet, dass eine Person ueber andere,
manchmal viele Menschen Macht und Herrschaft ausueben kann. Ich als
Frau moechte nicht gefuehrt werden, ich fuehre mich schon selber. Ich
moechte auch nicht von anderen Frauen gefuehrt werden, ich moechte
selber bestimmen. Die Macht-, Gewalt- und Herrschaftssysteme sind
Beispiel genug, um die Knebelung des Menschen sich vor Augen zu
"fuehren".

Die sogenannte Frauenfrage ist kein Nebenwiderspruch, der sich in
einer kommunistisch orientierten Gesellschaftsstruktur aufheben
laesst, sie ist aelter als der Kapitalismus selbst, die Entwicklung
und Herausentwicklung von Kapitalismus und Patriarchat laesst sich
dennoch in einem Zusammenhang lesen, mit dem Kapitalismus haben sich
neue "kreative" Methoden der Ausbeutung der weiblichen Ressourcen
ergeben, mit den Besitzanspruechen hat sich die Frage der Erbabfolge
gestellt, damit die Frage auch ueber die maennliche Kontrolle
weiblicher Sexualitaet.

Das duemmlichste Beispiel zur Ueberwindung maennlicher
Herrschaftsstrukturen ist die Katholische Kirche. Die sogenannte
Kirche von unten, die mehr Einbindung der Frauen fordert, bis hin zur
Forderung, `ich moechte Paepstin werden' ist nicht lustig: Maria, die
unter Schmerzen Gebaehrende eines Gottes -- derselbe Gott hat die Frau
aber gestraft, so dass sie nur noch unter Schmerzen gebaehren durfte,
weil sie ihre Lust ausgelebt hat. Die Kirche hat Angst vor der
weiblichen Lust und eine Nonne duerfte keinen Sex haben, die Hexen
wurden eh schon verbrannt. Um nicht missverstanden zu werden: ich habe
Respekt vor allen Frauen, die sich fuer andere Menschen aus
christlichen Motiven heraus einsetzen, ich habe Respekt vor einer
Berta von Koenigsegg, aber ich kann nicht nachvollziehen, dass diese
Frauen vor einer Drei-Goetter-Mannschaft ihren Knicks machen.


Maenner auf die Frauendemo

Zur Frauendemo in diesem Jahr gibt es verschiedene Standpunkte. Ich
mache diese oeffentlich, weil ich der Meinung bin, dass es die Maenner
betrifft. Die wenigen Maenner, die sich dafuer interessieren, werden
sich zurueckhalten, die Info ist aber fuer sie relevant. Es wurde
diskutiert, anlaesslich des Frauentags-Jubilaeums Maenner zur
Frauendemo zuzulassen. Ein Fluegel war dagegen, ein Fluegel war
dafuer. Ziel der Demo war es, moeglicht viele Menschen auf die Strasse
zu bewegen. Das ist eigentlich ein Nebenargument, da die Mehrheit der
Menschen Frauen sind. Ich hab ein komisches Gefuehl, auf eine reine,
und das meine ich wortwoertlich, Frauendemo zu gehen.
Interkulturalitaet schliesst Maenner mit ein. Ich begreife nicht, was
ich aussetzen soll an einem Mann, der auch findet, dass das
Patriarchat scheisse ist. Das einzige Argument, aber das wurde in der
Debatte nie geaeussert, waere, zu sagen, ich halte die physische Naehe
von Maennern nicht aus. Dass wir maennliche Verbuendete brauchen, um
das Patriarchat zu ueberbinden, ist nicht diskussionsbeduerftig. Dass
wir - nein, vielleicht mehrere Frauen - gerne maennliche
Schriftfsteller lesen, so wie Thomas Bernhard oder Leo Tolstoi - schon
in der Lage sind, zwischen kapitalistischen Habegieren und netten
Maennern zu unterscheiden, setzt frau voraus.

Den einzigen Grund, den ich in einer Frauendemo sehen kann ist der
Lustfaktor, die Strasse gehoert meines Erachtens aber allen, die um
ihren Lohn geprellt werden, weil die Reichen immer reicher werden
wollen.


Frauenraeume?

Es braucht intime und vertrauensvolle Frauenraeume. Die Maenner haben
uns das nachgemacht, nach all der Forderung nach
Frauenselbsthilfegruppen und Frauenzentren und Frauenkulturzentren
sind die Maenner auf die Idee gekommen, auch mal
Maennergespraechsgruppen zu bilden, etwa Gruppen wie ‚Maenner gegen
Maennergewalt', das ist doch ein Erfolg.

Wir brauchen unsere Raeume. Mein persoenlicher Frauenraum ist nicht
die Strasse. Der einzelne Fabriksarbeiter in der verloren gegangenen
Halleiner Papierfabrik ist nicht mein Problem, wenn der gemeinsam mit
den Frauen, die dort auch ihre Arbeit verloren haben auf die Strasse
geht, ist das hilfreich und nix anderes.

Wem die Strasse gehoert ist eine Frage der eigenen
Existenzmoeglichkeiten. Entschuldigung, es gibt auch Frauen, die mehr
auf das Maennliche stehen als auf Frauen, darf das auch sein? Eine
Frau, die sich lieber von maennlichen Haenden und ihren Schwaenzen
beruehren lassen mag, weil das einfach geiler ist? Die betroffenen
Maenner stehen unter denselben Ausbeutungsverhaeltnissen und es
betrifft sie. Frauenraeume brauchen wir fuer uns, die Strasse geht uns
alle an.

Ich mag lieber mit meinem Mann auf eine Frauendemo gehen als ohne ihn
und der Frauentag gehoert nicht den homosexuell orientierten Frauen
alleine. Sollte er hingegen als Tag deklariert werden, an dem Frauen
sagen, die physische Naehe von Maennern mag ich nicht -- dann waere de
Auschluss von Maennern nachvollziehbar.

Wer auf die Strasse geht, dem oder der geht es aber darum die
Reichtumsverhaeltnisse anzugreifen, davon sind Maenner und Frauen
gleichsam betroffen. Mein Mann hat am 8. Maerz immer eine Ausrede, auf
die Demo nicht zu gehen, weil er sich ausgeladen fuehlt.

Es gibt schon einen Grund, sich als Gruppe zu definieren, so wie die
Schwulenbewegung oder als die sogenannte Krueppelbewegung, die
sogenannten "Anderen" werden damit wieder ins Boot geholt. Viele
Menschen braucht es, um Leute anderen Geschlechts, anderer Religion,
anderer Kultur sich zugehoerig fuehlend gegenueber unterstuetzend
einzugreifen, um existenzgestaltend zu wirken. Was soll die
Ausgrenzung bewirken? Schafft Ausgrenzung Lust? Mir persoenlich nicht.

Lust will ich aber. Und Lebensfreude. Ich bin nicht nur Frau, ich bin
auch ein Weib und ich will den Schwanz zu dem Mann, den ich liebe, und
trotzdem auf eine Frauendemo gehen, weil das Patriarchat, schlicht
gesagt, so scheisse ist wie der Kapitalismus und sein aeusserstes
Mittel, der Krieg.

Solidaritaet ist eine soziale Frage. Kraft fuer die eigenen Interessen
einzustehen drueckt sich nicht durch Verbotszonen aus. Die Strasse
gehoert uns allen, sie gehoert den Kindern, den Maennern, den Frauen,
den Menschen. die spezielle Uebergriffe erfahren, weil sie keinen
Aufenthaltsstatus haben, den dieser Staat zulaesst, Autonomie betrifft
alle, die, um es mit Brecht auszudruecken, sagen wuerden: Waerst Du
nicht reich, waer ich nicht arm.
*rosalia krenn*




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