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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 16. Februar 2011; 05:48
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Debatte/Frauen/Bewegung:

> Oeffentliche Stellungnahme

des Wiener Frauenzentrums (FZ) zu den Demos am 8.3 und 19.3.11
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Bei den ersten Vorbereitungstreffen im Sommer und Herbst 2010 haben
wir uns als Autonome Feministinnen an der Vorbereitung zur
Frauendemonstration am 19.3.11 beteiligt. Wir fanden und finden die
Idee wichtig, weil der 8. Maerz als Internationaler Frauenkampftag
Teil unserer Frauenbewegungsgeschichte ist. "Anlaesslich des 100.
Jahrestages des Internationalen Frauentages gedenken wir respektvoll
aller Frauen, die sich den Grenzen ihres Zeitalters, den sexistischen,
rassistischen und sozialen Kategorisierungen nicht unterworfen haben
und fuer die Freiheit der Frauen und Menschheit grossen Widerstand
geleistet haben. Unsere Verbundenheit mit diesen Frauen heisst fuer
uns, uns auf ihren Widerstand zu beziehen, ihnen Bedeutung beizumessen
und diese Kaempfe zu noch groesseren Erfolgen zu fuehren." (Aus "Alle
Kaempfe beginnen mit Utopien" der kurdische Frauenbewegung vom 8.
Maerz 2010").Der erste Aufruf vom Sommer 2010, den KP-Frauen, Autonome
Feministinnen und einzelne Frauen schrieben, hiess: "Wir rufen auf zu
einer bundesweiten Demonstration von Tausenden Frauen am Samstag, dem
19. Maerz 2011! Am bzw. rund um den 8. Maerz sollen regionale
Aktivitaeten und Demonstrationen stattfinden."

Buendnispolitik und Zusammenarbeit

Wir wollen eine grosse Frauendemonstration mit vielen Frauen. Darin
waren wir uns alle einig. Doch wie und mit welchen Mitteln dies
erreicht wird, da gab's unterschiedliche Ansichten. Wir sahen die Demo
als Moeglichkeit und Chance fuer ein breiteres Frauenbuendnis, weil
der Anlass, "100 Jahre Frauentag" fuer unterschiedliche Feministinnen,
Lesben, autonome FrauenLesbenGruppen, Frauenorganisationen,
Migrantinnenprojekte, Fraueneinrichtungen, Frauen aus
antirassistischen, antifaschistischen und linken Gruppen und
Bewegungen und aus Parteien ein Anlass sein koennte, auf die Strasse
zu gehen. Die Spaltung in autonome FrauenLesben, die auf die Strasse
gehen, die Frauenprojekte und -einrichtungen, die sich um (hart
erkaempfte) Subventionen bemuehen und die Parteifrauen und etablierten
Frauenorganisationen die, wenn sie ueberhaupt feiern, in ihren Hallen
feiern, ist ja in den letzten 10, 15 Jahren immer wieder praktiziert
worden.

"Buendnispartnerinnen": Buendnisse und Zusammenarbeit sind eine Frage
der eigenen Staerke aber auch der gegenseitigen Anerkennung und
Sichtbarkeit. Selbstorganisierte/autonome Strukturen "scheuen"
Buendnisse mit Institutionen und Parteien aus der Befuerchtung,
vereinnahmt zu werden. Erfahrungen dafuer gibt's zu hauf. Etablierte
Strukturen und Einrichtungen ignorieren oft autonome,
selbstorganisierte Organisationsstrukturen oder benuetzen sie als so
genannte Basis oder als Aktivistinnen, die bei Aktionen den "Kopf
hinhalten", von denen man sich dann aber "in Ruhe und in Sicherheit"
distanzieren kann. Mit "Chaotinnen", "Autonomen", "militanten Emanzen"
oder "Kampflesben" will man nichts zu tun haben, wenn der Freund oder
einE NachbarIn ueber "die" schimpfen, wenn die Medien hetzen, wenn
Demos verboten werden, wenn aktiver Widerstand mit Terrorismus-Vorwurf
oder als "Mafia" verfolgt wird.

"Mit dem gemeinsamen Wunsch nach Veraenderung zusammen kommen": Vom
Vorbereitungsplenum wurden etablierte Frauenorganisationen und
"prominente" Frauen sehr umworben. Sie erscheinen manchen als Ausdruck
von gesellschaftlicher "Staerke" und "Breite". Wir sehen es aber als
notwendig an, die eigenen Kraefte aufzubauen, sich selbst ernst zu
nehmen und mit dem gemeinsamen Wunsch nach Veraenderung zusammen zu
kommen. Dieses Zusammenkommen ist kein "Event" und keine inszenierte
"Show-Buehne", es ist ein Zusammenkommen mit Entschiedenheit, Begehren
und Leidenschaft fuer Frauenbefreiung! Dann kann sich Zusammenarbeit,
mit allen Konflikten und Unterschieden zu einer gemeinsamen Kraft
entwickeln -- fuer eine starke feministische Bewegung "von unten".

Warum sind wir letztendlich aus der Vorbereitung ausgestiegen?

Basisarbeit: Einer der Konflikte in der Vorbereitung zur Demonstration
am 19.3. war fuer uns, dass ein Grossteil des Vorbereitungsplenums das
"breite Buendnis" nur in der Beteiligung von der SPOe, den
Gewerkschaften und etablierten Fraueneinrichtungen sah und sieht und
nicht in der Basisarbeit in den eigenen Strukturen, Stadtteilen und
Arbeitszusammenhaengen. Es wurde damit argumentiert, dass wir nur dann
viele werden koennen, wenn sich die SP-, Gewerkschaftsfrauen und der
Frauenring beteiligen. Wir sehen in der Beteiligung dieser
Organisationen jedoch nicht die Garantie, dass 20.000 Frauen auf die
Strasse gehen. Wir sehen darin mehr ein Anbiedern an die
institutionalisierte Macht. Die OeVP-, SPOe-, Gruene- und
Gewerkschaftsfunktionaerinnen tragen die herrschende Politik mit, die
sich gegen die meisten Frauen richtet und staatlichen Rassismus,
Ueberwachung, Militarisierung und neoliberale Politik etabliert. Aber
wir wissen es gibt auch Widerstand in deren eigenen Reihen. Wir
wollten die "Funktionaerinnen" der SP, Gewerkschaften und Gruenen
nicht ausladen, aber ihnen auch nicht extra nachlaufen. Wir erwarten
eher, dass sie sich aus eigenem Interesse beteiligen und z.B. die
Frauen an der "Basis" in den Stadtteilen und Betrieben ueber die
Vorbereitungen informieren, um sich einbringen zu koennen (nicht nur
fuer Wahlen!). Die Kraft von autonomen Frauenstrukturen wird sich
darin zeigen, ob es eine Demonstration wird, wo Frauen fuer sich und
fuer eine notwendige gesellschaftliche Veraenderung auf die Strasse
gehen, oder ob es oeffentlich eine Demo von SP, Gewerkschaften und
"prominenten" Frauen wird, denen wir dann zuhoeren und zuapplaudieren
"duerfen".

Die Selbstorganisierung von Frauen: Wir verstehen eine
Frauendemonstration als einen wichtigen Bestandteil einer
Selbstorganisierung von Frauen. Dieses Bewusstsein von
Selbstorganisierung ist fuer jede Einzelne und fuer Frauen gemeinsam
ein kaempferischer Bruch mit dem patriarchalen System und seinen
Lebensbedingungen, ein Bruch mit maennlicher Dominanz und maennlicher
Vorherrschaft -- auch in seinem neuen neoliberalen Gewand von so
genannter Partnerschaft und Gender Mainstreaming, die eine "weibliche"
Ergaenzung zum "(maennlichen) Mensch" als "Herr" postuliert. Doch
man/n ist nicht die Welt! Jede Frau und Frauen gemeinsam sind es
(auch). Die Selbstorganisierung ist grundlegend dafuer, dass Frauen
sich selbst befreien und sie ist eine grosse Kraft! Sie wird spuerbar,
wenn Frauen gemeinsam demonstrieren, streiken, Feste feiern,.....
"Frauen erhebt euch und die Welt erlebt euch", hiess ein Demospruch
aus der Autonomen FrauenLesbenBewegung. "Radikaler Feminismus ist eine
Politik von LesbenFrauen, die an die patriarchalen Wurzeln geht,
Solidaritaet lebt, aber auch um die Mit-/Taeterinnenschaft von Frauen
Bescheid weiss und sie auch nicht verdraengt. Lesbischer radikaler
Feminismus sieht die Unterschiede zwischen Frauen und vor allem die
Spaltung von Frauen im Heterosexismus und setzt dem die Leidenschaft
fuer und die Anerkennung von Frauen und ein gemeinsames politisches
Handeln mit Frauen entgegen". (aus: Aufruf zur Frauendemo 8.3.06,
Wien)

"Solidarische Maenner": Die Auseinandersetzung "warum eine
Frauendemonstration" und "es gibt auch solidarische Maenner", gibt es
ueber die Jahre immer wieder in Vorbereitungen. Das Problem waeren
nicht die "solidarischen Maenner". Moeglichkeiten fuer Solidaritaet
gaebe es genug: das Klo putzen, die Waesche waschen, den Haushalt
mitorganisieren statt "mal mitzuhelfen", mit Buben antisexistische
Gespraeche fuehren, antipatriarchale Maennergruppen bilden,
solidarische Aktionen in der Stadt machen, Arbeitskolleginnen in ihrem
Kampf um gleiche Loehne unterstuetzen, die eigenen Privilegien
hinterfragen. Das Problem sind eher welche, die dann unbedingt bei
einer Frauendemonstration mitgehen wollen, oder jene die sich mit
Feministinnen "schmuecken", aber patriarchale Strukturen nicht in
Frage stellen wollen, und jene die sich oeffentlich als "Feminist"
praesentieren und "privat" Frauen oder Maedchen als Sexobjekte
behandeln und sich bekochen lassen, oder jene, die
Frauendemonstrationen und feministische Frauenraeume mit Steinen,
Schlaegen oder Vergewaltigungsandrohungen angreifen, und jene die
Frauen benuetzen, einsperren, vergewaltigen, toeten, oder jene die
Frauendemonstrationen politisch nicht ernst nehmen, oder jene
Maskulisten der Vaeterrechtsbewegung, die meinen sie haben ein Recht
auf "eigene" Frauen und Kinder. Jeder, auch die so genannten "Netten"
und "Solidarischen", sind Teil des strukturellen patriarchalen
Problems.

"Maenner koennen die Technik machen": Die Vorstellung von einigen,
dass Maenner aus "Solidaritaet" die Demotechnik machen koennten, sehen
wir als Unterstuetzung der patriarchalen Arbeitsteilung, die Frauen
aus bestimmten wirtschaftlichen Bereichen ausgrenzt. Mit der
Frauenbewegung haben sich Frauen und Maedchen und immer schon viele
Lesben, mit viel Kraft und trotz zahlreichen Konfrontationen mit dem
sexistischen Alltag bei Ausbildungen und Arbeiten, u.a. technische und
handwerkliche Bereiche angeeignet, die uns (immer noch) vorenthalten
werden und an denen wir immer wieder strukturell gehindert werden. Und
es gibt sie, die Elektrikerinnen, Mechatronikerinnen, Tischlerinnen,
Schlosserinnen, DJanes, Licht- und Tontechnikerinnen,..... Bei einer
Demonstration "anlaesslich 100 Jahre Frauentag" und "fuer
Frauenrechte" muessten Frauen und Lesben gefragt werden, die Technik
zu machen!

In der Diskussion im Vorbereitungsplenum wurde gesagt, dass sich die
SPOe und die Gewerkschaften nicht beteiligen wollen, wenn Maenner
nicht mitgehen "duerfen". Die offene Auseinandersetzung darueber wurde
nicht gefuehrt. Einigen war das Mitmachen von etablierten
(Frauen-)Organisationen einfach wichtiger als die Kraft und Staerke
einer Frauendemonstration.

Abstimmung: Bei der letztendlichen Abstimmung im Vorbereitungsplenum
waren 10 Frauen fuer eine gemischte Demo, 6 fuer eine
Frauendemonstration und einige haben sich der Stimme enthalt. Nach der
Abstimmung sind Autonome Feministinnen vom FZ aus der Vorbereitung
rausgegangen.

Geschichte -- Herstory

Der Anlass "100 Jahre Frauentag" waere eine Chance fuer eine
breite(re) Frauendemonstration gewesen. Das haetten wir wichtig und
notwendig gefunden! "Vor beinahe 100 Jahren, am 19. Maerz 1911, fand
in Wien die erste grosse Demonstration fuer Frauenrechte statt. An die
20.000 Personen - mehrheitlich Frauen - marschierten vom
Gartenbaupalais zum Rathaus. Ihre Anliegen waren: allgemeines
Frauenwahlrecht, Arbeitsschutzgesetze, Mutter- und Kinderschutz,
8-Stunden-Tag, gleicher Lohn fuer gleiche Arbeit, die Senkung der
Lebensmittelpreise, die Einfuehrung einer Sozialversicherung, die
Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs und die Verhinderung des
sich am Horizont bereits abzeichnenden 1. Weltkrieges. Aehnliche
Demonstrationen fanden im selben Jahr in Deutschland, der Schweiz,
Daenemark und den USA statt" (aus dem 1.Aufruf zur Vorbereitung der
Demonstration am 19.3.2011)

Ja, vor hundert Jahren waren auf der 1. Demonstration zum
Internationalen Frauentag in Wien auch Maenner mit, ziemlich wenig
fuer die vielen in der damaligen SP. Es war vor allem die Kraft und
die Wut der Frauen, die viele auf die Strasse trieb, und die meisten
waren "einfache" Arbeiterinnen, aber einfach war es fuer sie nicht.

1979 riefen in Wien erstmals autonome Frauen zum 8. Maerz auf. Damals
setzten KP-Frauen die Beteiligung von Maennern durch. 1980 gab es dann
2 Demonstrationen zum 8. Maerz (aus: "Donauwalzer.Damenwahl" und
"Frauennachrichten" von 1980). In den 80er Jahren krachte es in
Buendnissen, oder scheiterten Frauenbuendnisse mit etablierten
Frauenorganisationen und Parteien zum 8.Maerz u.a. an der Forderung
zur Entkriminalisierung von Abtreibung und an der erkaempften
selbstbewussten Sichtbarkeit von Lesben, bzw. von "Lesbischer
Existenz" Auch die Frage "Gleichberechtigung" oder grundsaetzliche
Veraenderung der gesellschaftlichen (patriarchalen und
kapitalistischen) Machtverhaeltnisse sind immer wieder Streitpunkte.
Seit den 90er Jahren haben sich immer mehr vom feministischen Kampf
auf der Strasse zurueckgezogen. Zahlreiche praesentierten ihre
Frauenprojekte auf "Frauenmessen" des Frauenministeriums, oder
organisierten zum 8. Maerz "Frauenparlamente" oder etablierte
Frauenkongresse.

Am 8. Maerz 2011 wird es eine FrauenLesben-Demonstration zum
Internationalen Frauenkampftag geben, weil uns die Selbstorganisierung
von FrauenLesben grundsaetzlich wichtig ist und weil wir wollen, dass
am 8.3. feministische Aktionen regional -- mit internationaler
Verbundenheit stattfinden. Die naechsten Vorbereitungstreffen fuer den
8.3. sind am: Do 17./ 24. 2. und Fr. 4.3, jeweils 19h im FZ.

Die Demonstration am 19.3. wird jetzt eine "Demonstration fuer
Frauenrechte" sein. Grundsaetzlich sind zusaetzliche gemischte
Demonstrationen gegen Sexismus und Patriarchat und fuer Frauenrechte
wichtig. Viel zu wenig wird bei Veranstaltungen, Aktionen und
Demonstration gegen Sexismus Stellung bezogen. Wir kennen keine Aktion
oder Demo, wo auch Maenner gegen Vergewaltigungen oder Frauenmorde
oeffentlich Aktionen gesetzt haben. Zu sagen: "Ich schlage mein Frau
nicht" ist dabei eher zynisch, denn das sehen wir als minimalste
Selbstverstaendlichkeit! Es braeuchte den Mut, auch gegen das
patriarchale System und gegen das patriarchale-maennliche
Selbstverstaendnis aufzutreten, bei sich selbst und gegenueber anderen
Maennern.

Es sind meist Frauendemonstrationen und autonome Frauen/Lesben-Bloecke
auf gemischten Demos, die oeffentlich und auf der Strasse Sexismus
oder das Patriarchat thematisieren und radikal kritisieren. Die Demo
(im Juni 2010) aus den queeren Zusammenhaengen gegen die
Vaeterrechtler/maskulistische Maennerbewegung ist da eine der wenigen
Ausnahmen.

Ueber die Beteiligung an der bundesweiten Demonstration am 19.3. mit
einem Frauenblock und Aktionen diskutieren wir weiter. Das naechste
autonome FrauenLesben-Plenum fuer den 19.3. ist am Mo 14.2., 19h im FZ

*Frauen, Lesben vom FZ-Plenum* (gekuerzt)


Kontakt:
FZ, Waehringer Strasse 59/Stiege 6, 1090 Wien
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Tel.: 01 - 4085057



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