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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 9. Februar 2010; 21:05
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Debatten:
> Patriarchale Gewaltstrukturen und autonome Gegenentwuerfe
Der Fall eines Gewalttaeters mit tuerkischen Wurzeln, den man zum 
Totschlag verurteilt hat, schlaegt hohe Wellen. So hat er es 
geschafft, eine Diskussion in der akin auszuloesen (s. akin 
2&3/2010)
Ich stehe bei dieser Diskussion zwar etwas abseits, weil ich von 
unserer Judikatur nicht erwarte, meinen Vorstellungen zu entsprechen, 
schmunzeln musste ich allerdings bei den Worten: "Patriarchale 
Gewaltstrukturen duerfen niemals durch das Strafrecht priviligiert 
werden". Ein Strafrecht, wie es in Europa und in den weitesten Teilen 
der Welt zur Anwendung kommt IST patriarchal. Gewaltentrennung hin 
oder her, die Rechtssprechung ist EINE von drei moeglichen 
Staatsgewalten. Es ist ein romantischer Fehler, dass Justitia staendig 
als unschuldige junge Frau dargestellt wird. Es handelt sich doch eher 
um einen breitschultrigen Mann mit Dreitagebart, der ungeschaut Steine 
auf die Waage legt. Oder Justitia ist bloss die Person die die Waage 
haelt, waehrend sie seit tausenden von Jahren von maechtigen, weissen 
Maennern mit jeweils den Brocken beladen wird, die diesen Maennern als 
die passenden entsprechen.
Wer nach Rechtssystemen sucht, die nicht die Bestrafung des Taeters 
zum Ziel haben, der muss bei afrikanischen Staemmen oder 
matriarchalischen Kulturen zu suchen beginnen. Die Diskussion selber 
wundert mich uebrigens nicht sonderlich, nein, eigentlich bin ich es 
gewohnt. Sexualisierte Uebergriffe scheinen zumindest Teile der Linken 
regelmaessig zu paralysieren, und verfuegen ueber grosses 
Spaltungspotential. Wer sich in autonomen Kreisen bewegt, dem wird der 
Terminus "Definitonsmacht der Betroffenen" bekannt vorkommen.
Es handelt sich hierbei um ein Konzept, das zur Anwendung kommen soll, 
sobald einE BetroffeneR (hier beginnen die Querelen, weil man sich 
uneins darueber ist, ob die DefMa nicht nur fuer Frauen gueltig sein 
soll) einen Uebergriff als solchen klassifiziert. In diesem Falle soll 
es gelten, parteilich mit dem/der Betroffenen zu agieren, und dem 
Taeter ("die DefMa" schreibt DER Taeter, um darauf aufmerksam zu 
machen, dass ein erschreckend grosser Teil von Sexualtaetern -- und 
Straffaelligen ueberhaupt -- maennlich ist) keine Chance zu geben, den 
Uebergriff als Buehne fuer seine Ausreden zu verwenden und dem/der 
BetroffeneN provokatives Verhalten o.Ae. zu unterstellen. Was aber 
nicht heisst, -- und das wird oft vergessen -- dass man dem Taeter 
nicht zu erklaeren braucht, was er eigentlich falsch gemacht hat.
Ein weiterer Punkt der "DefMa" ist, dass auf Wuensche der/des 
Betroffenen eingegangen werden soll -- vor allem was die Konsequenzen 
des Uebergriffs fuer den Taeter angeht. Eine Strafmilderung gibt es in 
diesem Konzept also nur dann, wenn der/die Betroffene das wuenscht. 
Wenn der Taeter sein "Opfer" umbringt, so nimmt er damit die letzte 
Person, die fuer ihn sprechen koennte.
Das Konzept ist keineswegs perfekt, unstreitbar oder immer anwendbar. 
Es geht bei seiner Anwendung auch hauptsaechlich um szeneinterne 
Konflikte. Aber auf den Fall der erstochenen Tuerkin (irgendwie wird 
staendig vom Taeter geredet) angewendet macht es verstaendlich, warum 
so viele Leute ein Problem mit dem Urteil haben.
Auch ich kann nicht nachvollziehen, wie die kulturelle Praegung des 
Taeters eine Meucheltat wie das staendige Einstechen auf eine Frau 
(weil sie die Scheidung will) eine "heftige Gemuetsbewegung" 
"allgemein begreiflich" machen kann. Parteilicher geht's wohl kaum. 
Verharmlosender auch nicht.
-postcore-
webtip: http://defma.blogsport.de
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