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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 20. Mai 2008; 19:02
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Debatte:

> Manchmal sind Emotionen besser

Zur Diskussion ueber die Sinnhaftigkeit von Mediation bei jeder
Gelegenheit.
Antwort auf Liesl Fritsch: "Polarisierung oder Mediation",
akin 13/08 (akin-pd 6.5.2008)
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Meine Aeusserung, dass sich der Bad Voeslauer Buergermeister genoetigt
sah, einen Mediator beizuziehen, sollte unterstreichen, wie verfahren
die Situation war und ist. Wenn der Buergermeister als Baubehoerde
sich ausserstande sieht, ein Bauverfahren gemaess den rechtlichen
Bestimmungen durchzufuehren, halte ich das fuer bedenklich. Das liegt
nicht an ihm, das liegt daran, dass Gruppen von aussen (die FPOe) die
Stimmung derartig polarisiert hatten, dass das Politische vor das
Rechtliche trat. Die Betreiber der Moschee wurden gezwungen, auf ihr
Recht, Minarette zu bauen, zu verzichten. Der politische Druck war zu
stark. In einer solchen Situation tu ich mir schwer, wiewohl ich dem
Buergermeister besten Willen bescheinige, den beigezogenen Mediator
als Loesungsansatz zu sehen. Der konnte dort nichts mehr ausrichten.
Er hat nur mehr das Nachgeben gegenueber rechtem politischen Druck ein
wenig behuebscht.

Aehnlich ist es in der Brigittenau gelaufen, wenn dort auch kein
Mediator zugezogen wurde. In solchen Situationen ist es meiner Meinung
nach fast unmoeglich, einen Dialog aufrechtzuerhalten. Sobald
muslimische Vereine ihre Plaene bekannt geben, eine Moschee zu bauen,
macht die FPOe Stimmung. Behoerden und Betroffene bekommen keine
Chance, die Plaene in einem konstruktiven Klima der Bevoelkerung
auseinanderzusetzen. Die Stimmung ist zu aufgeheizt, bevor sie noch
den Mund aufmachen. Mit rationalen Argumenten (gleiche Rechte fuer
alle etc) kommst du da nicht durch. Bevor du kalmierend eingreifen
kannst, ist schon eine betroffene Gruppe (im Regelfall die Anhaenger)
radikalisiert. Rueckgaengig machen kann man das fast nicht mehr.

Die offizielle Politik ist mitschuld an dieser Entwicklung. Unter dem
Titel "Integration" werden in der Debatte Zuwanderern immer mehr
Pflichten abverlangt. Ueber ihre Rechte redet niemand, auch die
Gruenen in Wahrheit nicht. Was fehlt, ist eine Grundsatzdebatte, vor
allem abseits emotionsgeladener Anlassfaelle. Eine Debatte, in der
auch Grundrechte von Migranten diskutiert werden, in der ueber ihre
Stellung in der Gesellschaft gesprochen wird, ihre oekonomische Lage.
Erst wenn die "Oesterreicher" die Situation, in der sich die meisten
Migranten befinden, verstehen, sich in sie hineinversetzen koennen,
kann es einen Dialog geben. Einen Dialog abseits des "Kampfs der
Kulturen", der als Grundthese viele Oesterreicher ueberzeugt hat.
Solche Feind- und Kampfbilder lassen sich leider leichter verkaufen
als eine echte Analyse.

Solange eine echte Auseinandersetzung unmoeglich ist, muss man
wenigstens Flagge zeigen. Ich halte es auch fuer politisch
unumgaenglich, dem rechten Mob nicht die Strasse zu ueberlassen, wie
das in der Brigittenau passiert ist. Leider schleichen sich bei
solchen Initiativen gerne Rechtsradikale ein. Da nehme ich auch gerne
die Polarisierung in Kauf. Vielleicht schreckt die ja den einen oder
anderen ab, der sich urspruenglich mit der Buergerinitiative
solidarisch erklaert hatte.

Ueberhaupt zeigt die Entwicklung die Unfaehigkeit der Linken, ja ihre
Angst davor, Emotionen anzusprechen. Stattdessen appellieren wir an
den Verstand der Menschen, und das auch nur schlecht. Nur wenn wir den
Bauch der Menschen ansprechen, koennen wir solche Debatten gewinnen.
Das haben wir leider verlernt und gehen in unserem Technokratensprech
unter. Wollen wir verhindern, dass Menschen weiter drangsaliert
werden, weitgehend Wehrlose dazu gezwungen werden, ihre Rechte um des
Friedens willen gegenueber der Mehrheit zu opfern, muessen wir das
wiedererlernen. Sonst nuetzt auch der beste Mediator nichts.
*Viktor Englisch*




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