**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 30. Mai 2006; 19:44
**********************************************************
Das Letzte:
> Bundesbahn-Blues 2006
Eine gar unterhaltsame Geschichte, wie die in etliche Einzelgesellschaften
zerschlagene und rationalisierte OeBB mit ihren "Befoerderungsfaellen"
umgeht.
*
Fuer die Teilnahme beim internationalen Chorwettbewerb "Musica sacra", am
27.Mai in Bratislava, hatte der "Chor im Hemd" (ca. 20 Personen)
entschieden, mit der Eisenbahn ueber Marchegg nach Bratislava zu fahren.
Die Hinfahrt
ER 2514 EURegio
Wien Suedbahnhof 27.05.06 08:28
Bratislava hl.st. 09:38
Dauer: 1:10; faehrt taeglich
"Wegen Bauarbeiten wird dieser Zug zwischen Erzherzog-Karl-Strasse und
Raasdorf im Schienenersatzverkehr gefuehrt; Verspaetungsausmass dadurch: ca.
35 Minuten"
Es war also damit zu rechnen, dass man ca. um 10:15 in Bratislava hl.st.
ankommen wuerde. Ausreichend Zeit, fuer unsere geplante Ankunft beim
Wettbewerb um 10:50.
Am Abfahrtsbahnsteig im Suedostbahnhof wurde der Zug fahrplanmaessig nach
Bratislava angekuendigt. Es gab keine besonderen Hinweise auf einen
Ersatzverkehr. Zum Einsatz kam eine Schnellbahngarnitur (blau-weiss). Der
Zug fuhr puenktlich ab.
Schienenersatzverkehr: Vor der Station Erzherzog Karl Strasse wartete nur 1
Postbus auf die Fahrgaeste, die fast alle Plaetze belegten. Waehrend der
Umsteigezeit traf offenbar auch der R 2564 (Suedbahnhof - Marchegg) in der
Station ein und die Fahrgaeste dieses Zuges kamen auch zu dem einzigen,
schon 3/4-vollen Postbus. Es konnten nicht alle Fahrgaeste mitgenommen werden,
die auf den Schienenersatzverkehr angewiesen waren. Ob dann tatsaechlich ein
vom Busfahrer versprochener zweiter Postbus die Leute abholte, entzieht sich
meiner Kenntnis.
In der Haltestelle Raasdorf stand ein einziger Triebwagen. Die Weiterfahrt
verzoegerte sich wegen eines technischen Gebrechens, das der
Triebwagenfuehrer erst beheben musste. Mit zusaetzlicher Verspaetung
erreichte der Triebwagen den Bahnhof Marchegg, wo wir vom Fahrer erfuhren,
dass wir hier noch einmal umsteigen muessten, weil sein Triebwagen
eigentlich der zweite Teil des durch den Schienenersatzverkehr
unterbrochenen R 2564 sei, der fahrplanmaessig nur bis Marchegg gefuehrt
wird. Der Anschlusszug dieses R 2564 nach Bratislava, der R 7386,
planmaessige Abfahrt 9:46 ab Marchegg, war jedoch schon laengst abgefahren.
Eine Fortsetzung der Fahrt fuer jene Fahrgaeste, die in Wien in den EURegio
eingestiegen waren, der fahrplanmaessig bis Bratislava gefuehrt wird,
waere - so wurde in Marchegg informiert - um ca. 10:20 moeglich, und zwar
mit dem SPR 2516 "Sprinter Carpatia"
"Wegen Bauarbeiten wird dieser Zug ueber Suessenbrunn - Gaenserndorf -
Marchegg umgeleitet, Verspaetungsausmass dadurch: ca. 25 Minuten."
Tatsaechlich traf dieser Zug um 10:30 aus Wien Sued kommend (Umleitung ueber
Gaenserndorf) in Marchegg ein und brachte die Fahrgaeste nach Bratislava,
Ankunft dort um 10:55. Damit war folgendes klar: Die OeBB hatten den EURegio
ER 2514 entgegen ihrer Information und entgegen der angebotenen
Dienstleistung gar nicht bis Bratislava, sondern nur bis zur Station
Erzherzog Karl Strasse gefuehrt. Es gab de facto gar keinen
Schienenersatzverkehr fuer Fahrgaeste dieses Zuges nach Bratislava; sie
wurden stillschweigend zuerst auf den mit Schienenersatzverkehr betriebenen
R 2564 bis Marchegg und von dort auf den Sprinter Carpatia "versetzt", einen
Zug, der eine Stunde spaeter von Wien Sued abgefahren ist als der von den
EURegio-Fahrgaesten anfangs benutzte. Die Ankunft in Bratislava verschob
sich dadurch nicht nur um die urspruenglich angekuendigten ca.35 Minuten,
sondern zusaetzlich um die umleitungsbedingten 30 Minuten des Sprinter!
Es ist nur der Freundlichkeit der Chorwettbewerbsleitung und zwei anderen
Wettbewerbschoeren zu verdanken, dass wir wegen verspaeteter Ankunft nicht
von der Teilnahme ausgeschlossen wurden, sondern unser Auftritt zeitlich
nach hinten geschoben werden konnte.
*
Die Rueckfahrt
ER 2549 EURegio
Bratislava hl.st. 27.05.06 22:50
Wien Suedbahnhof 23:58
Dauer: 1:08; faehrt taeglich
"Wegen Bauarbeiten wird dieser Zug zwischen Raasdorf und
Erzherzog-Karl-Strasse im Schienenersatzverkehr gefuehrt;
Verspaetungsausmass bis Erzh. K. Str. dadurch: ca. 35 Minuten. In Erzh. K.
Str. werden keine Anschluesse abgewartet."
Fuer die Rueckfahrt entschied sich ein Teil des Chores, den EURegio ER 2549
zu benutzen. Bis Marchegg hatte der Zug (ein einzelner Triebwagen) schon
rund 10 Minuten Verspaetung zusammengebracht. Der OeBB-Triebwagenfuehrer,
der in Marchegg den Zug von seinem slowakischen Fahrerkollegen uebernommen
hatte, informierte zwei-, dreimal ueber Lautsprecher die Fahrgaeste im Zug,
dass der Zug ab Raasdorf im Schienenersatzverkehr bis Erzherzog Karl Strasse
gefuehrt wuerde.
In Raasdorf angekommen (um 23:40), verliessen alle Fahrgaeste den Zug. Am
Stationsvorplatz, wo wir den Autobus erwartet hatten, war weit und breit
kein Bus zu sehen. Der Triebwagenfahrer, der uns nach Raasdorf gebracht
hatte, verliess die Station mit seinem Zug sofort wieder und begann seine
Rueckfahrt Richtung Marchegg, ohne ueberprueft zu haben, ob das von ihm
selbst mehrmals angekuendigte Schienenersatzverkehrsmittel auch tatsaechlich
da war. (Schliesslich geht ihn das ja auch nichts an, ist er doch
Mitarbeiter einer anderen Teilfirma der OeBB als die Leute vom
Schienenersatzverkehr.)
Es regnete, und der Regen wurde immer heftiger. Der Bahnhof ist rund 1,5 km
vom Ortskern entfernt, in der Umgebung des Bahnhofs befinden sich nach
unserem Augenschein keinerlei bewohnte Anwesen. Das Bahnhofsgebaeude selbst
verfuegt ueber keinerlei schuetzendes Vordach, es war aber gluecklicherweise
nicht abgesperrt, so dass man sich wenigstens vor dem Wetter schuetzen
konnte (das Licht funktionierte). Es gab jedoch kein Bahnhofspersonal und
auch kein WC. Insgesamt waren rund 40 Fahrgaeste um Mitternacht von den OeBB
in einer verlassenen Bahnstation im Marchfeld ausgesetzt worden.
Nach einer kurzen Wartephase versuchte man, die in der Schalterhalle
plakatierte OeBB-Telefonnummer (05-1717) zu erreichen, um die Situation zu
schildern. Die essenzielle Aussage des OeBB-Bediensteten war, dass er von
der OeBB-Auskunft da nichts machen koenne; er wuesste auch nicht, an welche
Stelle man sich in diesem Fall wenden muesse.
*
In weiterer Folge gab es zahllose telefonische Versuche, zu irgendeiner
Stelle bei den OeBB durchzukommen. Sie verliefen bis auf einen (nach
ungefaehr einer 3/4 Stunde) erfolglos. Dieser "Erfolg" bestand in der
Mitteilung seitens der OeBB, dass in einer halben Stunde ein Autobus hierher
nach Raasdorf kommen und uns nach Wien bringen wuerde. Der versprochene
Autobus kam jedoch auch nicht.
Einige der festsitzenden "Fahrgaeste" begannen nun, ein Taxi aus
Gaenserndorf telefonisch zu motivieren, um 1 Uhr nachts zum Bahnhof Raasdorf
zu kommen. Dies war gar nicht so einfach, weil die Geschichte von vierzig
bei Nacht und Regen von den OeBB ausgesetzten Fahrgaesten mitten in der
Spargeleinoede des Marchfelds in der Tat schwer zu glauben war.
Taxis aus Wien, die telefonisch erreicht wurden, lehnten die Risikofahrt von
vorne herein ab. Weitere telefonische Versuche einer Kontaktaufnahme mit den
OeBB folgten, weil der zugesagte Bus nicht eingetroffen war. Schliesslich
gelang es, von den OeBB zu erwirken, dass 9 Taxis nach Raasdorf geschickt
wuerden -- wobei die Fahrgaeste von der Auflage in Kenntnis gesetzt wurden,
dass nur die Kosten fuer 50 km Fahrt von den OeBB ersetzt werden wuerden.
Die Leute muessten die Taxifahrtkosten selbst vorstrecken, bei Vorlage der
Taxirechnung und des Eisenbahnfahrscheins wuerden diese Kosten ersetzt
werden. Ein dies betreffendes Ansuchen sei an die OeBB-Personenverkehr AG,
1220 Wien, Wagramer Strasse 17-19, zu richten. Bis zum Eintreffen der Taxis
bemuehten sich nun die Fahrgaeste, Gruppen zu bilden, um den Transport nach
Wien halbwegs oekonomisch zu organisieren. Dabei spielte nicht nur das Ziel
in Wien eine Rolle, sondern auch, wer am Ende einer solchen Taxifahrt ueber
ausreichend Geld verfuegte, um die Fahrtkosten zu bezahlen. Die Fahrtrouten
mussten demnach, da viele Leute einander gar nicht kannten, auch so gewaehlt
werden, dass in jedem Taxi jener Fahrgast als letzter ans Ziel zu bringen
war, der genuegend Bargeld bei sich hatte.
Um 01:20 (Sonntag morgens) traf das erste Taxi am Stationsvorplatz in
Raasdorf ein. Da ich selbst dort erst um 01:40 mit zwei anderen (mir vorher
nicht bekannten) Fahrgaesten mit dem Taxi wegfuhr und noch zahlreiche Leute
auf ihre Abholung warteten, weiss ich nicht, wann der/die letzte von dieser
Bahnstation weggekommen ist. Die Taxikosten duerften pro Fahrt
wahrscheinlich zwischen 50 und 70 EURO liegen. Statt um (fahrplanmaessig zu
erwartend) 23 Uhr 25 war ich um 02 Uhr 30 in meiner Wohnung.
Jetzt gilt es nur noch abzuwarten, ob wenigstens der Kostenersatz geleistet
wird.
*Peter Moser*
siehe auch: Initiativen: EU gefaehrdet Oeffentlichen
Personenverkehr
***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der nichtkommerziellen
Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd muessen aber nicht
wortidentisch mit den in der Papierausgabe veroeffentlichten sein. Nachdruck
von Eigenbeitraegen mit Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete
Beitraege stehen in der Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von
Texten mit anderem Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine
anderweitige Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als
Abonnement verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann
den akin-pd per formlosen Mail an akin.buero@gmx.at abbestellen.
*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
akin.buero@gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976/00, Zweck: akin