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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 14. Februar 2006; 20:46
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Schweiz/G8 Evian/Polizei:

> Beamte endlich vor dem Richter

"Aubonne-Fall" derzeit in Verhandlung

Seit gestern fuehren drei Richter den Prozess gegen die beiden
Polizeibeamten, die um ein Haar einen englischen Aktivisten und eine
deutsche Aktivistin getoetet haetten, als sie deren Kletterseil waehrend der
Proteste gegen den G8 in Evian im Juni 2003 durchtrennten. Das Seil war zum
Zweck einer Blockade quer ueber eine Autobahnbruecke gespannt worden. Worauf
ein Beamter ein Messer zueckte, und das Hindernis mit einem kraeftigen
Schnitt beseitigte. Der Englaender stuerzte daraufhin ab, die Deutsche
konnte mit knapper Not noch festgehalten werden.

Mehr als 25 Zeugen, eingeschlossen Fuehrungskraefte der Polizeizentrale
sowie Aktivisten von der Bruecke werden waehrend des Prozesses in Nyon
befragt werden. Die zentrale Frage ist, welche Befehle gegeben wurden und
wer wann welche Informationen hatte. Das Urteil wird vorraussichtlich am
Donnerstag oder Freitag verkuendet.

Drei Jahre lang wurde starker oeffentlicher und juristischer Druck
ausgeuebt, der Fall wurde im Parlament thematisiert, Einspruch beim hoeheren
Gericht eingelegt und eine breit angelegte Kampagne verfolgt, um die
Entscheidung des Untersuchungsrichters, den Fall zu archivieren, hinfaellig
zu machen und Repression zu thematisieren. In der Regel geniesst die
Schweizer Polizei eine weitgehende Straflosigkeit in Faellen von Brutalitaet
oder Inkompetenz. Es ist mehr als 20 Jahre her, dass sich Polizisten vor
einem Gericht dieser Rangordnung verantworten mussten.

Einer der beiden Angeklagten ist der Polizeiobermeister Claude Poget aus dem
Schweizer Kanton Waadt. Er war Einsatzleiter auf der Bruecke und wird damit
belastet die lebensgefuehrliche Situation auf der Bruecke erzeugt zu haben,
indem entscheidende Sicherheitsvorkehrungen und -anweisungen missachtet
wurden. Der andere Angeklagte ist Michael Deiss aus Schaffhausen, der
Beamte, der das Seil durchschnitten hatte. Er war als Fahrer eingesetzt und
im Umgang mit Demonstranten ueberhaupt nicht handlungsbefugt.

Beide sind angeklagt werden fahrlaessiger schwerer Koerperverletzung. Fuer
einen der Kletterer, Martin Shaw, bedeutete dies gebrochene Rueckenwirbel,
Beckenbruch und einen Splitterbruch des linken Fusses. Er wird sich nie
vollstaendig von seinen Verletzungen erholen und seine Arbeit als Elektriker
wieder aufnehmen koennen. Die zweite Kletterin litt mehr als ein Jahr lang
unter posttraumatischen Belastungsstoerungen. Beide sind Nebenklaeger in
diesem Verfahren.

Die Aktivisten und ihr Anwalt, Jean-Pierre Garbade, sind ueberzeugt davon,
dass mehr als nur Fahrlaessigkeit im Spiel war. "Wir werden vor Gericht
zeigen, dass die Polizei wusste, dass KletterInnen unter der Bruecke hingen,
bevor Poget und Deiss am Einsatzort eintrafen", sagte der Anwalt.

"Sie hatten von Anfang an nur ein einziges Ziel -- den G8-Konvoi
durchzubringen, koste es, was es wolle. Der Einsatzleiter sagte klar und
deutlich -- es ist mir egal, ob sich die Kletterer den Hals brechen!",
erinnerte sich eine Aktivistin der Aubonnebridge-Gruppe, die vor Gericht
aussagen wird.

Anwalt Garbade reichte eine Verschaerfung der Anklage ein, die zum einen
Koeperverletzung mit "dol eventual", beinhaltet, das heisst, dass die
Angeklagten das Risiko, die beiden Aktivisten zu toeten, bewusst eingegangen
sind. Zum anderen erhoeht sie die Anklge auf Lebensgefaehrdung, begruendet
dadurch, dass die Polizei alle von den Aktivisten getroffene
Sicherheitsvorkehrungen auf der Bruecke zerstoerten.

"Die Art und Weise, wie sich die Polizei auf der Bruecke verhalten hat,
spiegelt wider, wie sich der G8 verhaelt, wenn er seine neoliberale Politik
durchdrueckt - ohne jeglichen Respekt fuer Leben. Geld und Macht sind
wichtiger als Mensch und Natur", sagte Martin Shaw.

Ganz andere Urteile gingen voraus

Bereits im Juni 2004 hatte das Polizeigericht Nyon drei AktivistInnen wegen
Verkehrsbehinderung schuldig gesprochen -- darunter Martin und Gesine, die
am Seil gehangen waren. Das Gericht verurteilte den Briten, befreite ihn
jedoch aufgrund der bei der Aktion erlittenen schweren Verletzungen von
jeglicher Strafe. Seine Partnerin wurde zu 10 Tagen Gefaengnis bedingt
verurteilt. Das Gericht gestand ihr aufgrund der erlittenen psychischen
Folgen der Aktion ein teilweise reduziertes Strafmass zu. Den dritten
Angeklagten verurteilte das Gericht zu 20 Tagen Gefaengnis bedingt. Die
Verurteilten mussten die Verfahrenskosten bezahlen.

"Die Blockade einer Autobahn stellt ein erhoehtes Risiko dar", meinte damals
der Gerichtspraesident. Die Schuld der Angeklagten wiege schwer. Nach
Ansicht des Richters haette die Aktion ohne weiteres zu Verkehrsunfaellen
fuehren koennen.

Die AnwaeltInnen der Angeklagten plaedierten auf Freispruch. Der Tatbestand
der Verkehrsbehinderung sei nicht erfuellt. "Dazu haette das Leben der
Verkehrsteilnehmer gefaehrdet sein muessen", erklaerte Verteidiger
Jean-Michel Dolivo. Dies sei nie der Fall gewesen. Die insgesamt 17
AktivistInnen haetten alles getan, um die Sicherheit der AutofahrerInnen zu
gewaehrleisten. "Wir trugen leuchtende Sicherheitswesten und hielten den
Verkehr rund 200 Meter vor dem gespannten Seil an", erklaerte einer der
Angeklagten.
(Gruppe Aubonne Support, indymedia.de/akin)

Zur Vorgeschichte siehe auch akin 17/03 und 17/04;
Aktuelle Berichte zum derzeitigen Prozessgeschehen taeglich auf:
http://www.aubonnebridge.net/deu/index.php

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