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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 20. Dezember 2005; 18:29
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Demokratie/ORF/Debatte:
> Angemessener Aufwand
Zu: B.Redl, "Ein gutes und ein schlechtes Beispiel" 
(akin 32/05, akin-pd 
6.12.2005)
Es befriedigt einen Teil meines Informationsbeduerfnisses (ak-in!), wenn aus 
aktuellem Anlass ueber gesetzliche Grundlagen kurz und hinreichend 
geschrieben wird. Das ist erfreulich und erspart einem selbst die Muehsal 
der Recherche, in diesem Fall das Herausfinden der gesetzlichen 
Hintergruende und (z.B.) auch ueber die Effektivitaet der Wahl zum 
ORF-Publikumsbeirat. Danke, Bernhard Redl.
Zur Wahl standen 6 (sechs) Mitglieder des Publikumsrats. Nicht zur Wahl 
standen die gesetzlichen Grundlagen und auch nicht der Wahlmodus. Auch das 
Ausmass des Einflusses des Publikumsrates (oder dieser sich zur Wahl 
stellenden Kandidaten) auf das Programm, auf die Finanzstruktur, auf die 
Sendezeiten etc. stand nicht zur Wahl. Freilich ist so eine Wahl allemal 
Anlass, solche Fragen aufzuwerfen und auch Antworten anzubieten. Das tut 
auch die akin. Das haben auch - insbesondere nach Vorliegen der 
Wahlergebnisse - einige etablierte politische Parteien hierzulande getan.
Der akin-Kritik an der Bestellung des Gremiums (ORF-Publikumsrat), wie sie 
im §28 (3) ORF-Gesetz formuliert ist kann ich mich anschliessen und nur 
hinzufuegen, dass es Beispiele fuer weitersichtige Gesetzgebungen (aus 
anderen Bereichen) in Oesterreich gibt, die die Delegierung in derartige 
Vertretungsorgane allgemeiner formulieren und nicht so konkret im Gesetz 
festschreiben, wie in dieser Sache. Eine Gesetzesaenderung ist naemlich eine 
ziemlich langwierige Prozedur. Verordnungswege, die selbst einer 
demokratischen Verpflichtungsregel unterworfen werden, die gesellschaftliche 
Strukturen aktueller beruecksichtigt, waeren einfacher, flexibler und daher 
auch zeitgemaesser. Das ist im Falle des ORF-Gesetzes nicht gemacht worden. 
Statt dessen sind die "Bereiche bzw. Gruppen" taxativ aufgezaehlt. Eine 
Veraenderung, sei es eine Erweiterung um oder ein Ausschluss von 
Interessengruppen, geht nicht ohne Gesetzesaenderung. Ob also z.B. 
"Touristik" hinaus- und "Radfahrer" hineinoptiert werden sollen, ist eine 
ziemlich aufwendige Prozedur, zumal ja keine maechtigen Lobbies an einer 
derartigen Aenderung ein Interesse haben.
Im Gesetz sind zwar die Bereiche taxativ aufgelistet, aber nicht die 
Organisationen, die fuer diese Bereiche Kandidatenvorschlaege machen 
duerfen, weil sie sich dafuer "repraesentativ" fuehlen. Es findet sich auch 
keine gesetzliche Regelung, nach der eine Organisation fuer irgendeinen der 
genannten Bereiche als "repraesentativ" anzuerkennen sei. Vielmehr steht 
dort, wie die akin schon informiert hat, dass "der Bundeskanzler ... 
Vorschlaege von Organisationen einzuholen hat, die ... repraesentativ sind". 
Demnach ist's der jeweilige Kanzler oder die jeweilige Kanzlerin, die bzw. 
der eine nominierende Organisation akzeptiert oder ablehnt! Der Protest 
gegen die ORF-Spitze, weil "ein Kamerad" fuer den Publikumsrat kandidiert, 
ist- zumindest formal - nicht die richtige Adresse. Der ORF wird, wenn 
ueberhaupt, mit einem "return to sender" reagieren. Vielleicht kann man's 
jedoch bei der naechsten Wahl zum Publikumsrat mal mit aehnlicher Chuzpe wie 
der Kameradschaftsbund versuchen, sich als repraesentativ fuer irgendeinen 
der Bereiche zu verstehen und selbst Kandidaten oder Kandidatinnen 
nominieren. Das Kanzleramt muesste dann ja irgendwie reagieren, oder nicht?
Die akin-Kritik am Wahlmodus ist angesichts der Wahlbeteiligung m.E. 
ziemlich uebertrieben. Von rund 3,2 Millionen Wahlberechtigten 
(Gebuehrenzahlende und offiziell davon Befreite) haben nur 191.000 an der 
Wahl teilgenommen, zieht man die 20.000 ungueltigen Stimmabgaben ab, dann 
bleiben ganze 6 (sechs!) Prozent. So eine massive Desinteressensbekundung 
ist ganz gewiss nicht auf die Einschraenkung der Wahlberechtigung auf die 
die Gebuehr zahlenden angemeldeten Personen zurueckzufuehren. Eine 
Ausdehnung der Wahlberechtigung auf alle im Privathaushalt lebenden 
Personen, haette zwar die absolute Zahl der Wahlberechtigten erhoeht, aber 
vermutlich kaum die Wahlbeteiligung. Im Falle, dass sich mehrere Mitglieder 
eines Haushalts fuer die Wahl interessieren, haetten die auch jetzt schon - 
je nach Bereichsinteresse - ihr Votum abgeben koennen (mal ganz pragmatisch, 
nicht prinzipiell gedacht ..)
Auch Bernhards Vorwurf, die Verpflichtung, die Stimme per Fax zu 
uebermitteln, sei extrem benachteiligend, geht am Kernproblem der 
Mitbestimmung ziemlich vorbei. Wer nur ein winziges bisschen daran 
interessiert war, sein Stimmrecht auszuueben, der oder die hat dafuer eine 
ganze Woche Zeit gehabt, musste dazu den Stimmzettel zwar unterschreiben, 
ihn aber nicht selbst zu einem Postamt tragen und auch nichts zahlen. Man 
haette es auch jemanden anderen faxen lassen koennen und bei der 
kostenfreien 0800-Nummer zahlt der Empfaenger.
Die Wahl war und ist nicht geheim. Freilich kann man das kritisieren. Auch, 
dass die relative Mehrheit der Stimmen einen Kandidaten oder eine Kandidatin 
zu einem gewaehlten Mitglied macht, kann man kritisieren. Vielleicht sollten 
wir dann aber auch darueber nachdenken, wann, je nach Wichtigkeit, 
Effektivitaet des Einflusses des gewaehlten Gremiums etc. der mit einer 
wirklich geheimen Wahl und einem allfaelligen Stichwahlverfahren verbundene 
Aufwand angemessen waere! Im konkreten Fall, behaupte ich mal, haetten die 
Modalitaeten einer geheimen Wahl die Beteiligung noch weiter 
heruntergedrueckt.
*pemo*
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