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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 6. Dezember 2005; 19:25
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Politische Kultur/Debatte:
> Der "Herr Professor"?
Reaktion auf: "Politische Abziehbilder und ihre Wahlen"
von Fritz Pletzl
(akin 30/05, akin-pd 22.11.2005)
Satire? Selbst auf die Schaufel genommen? Oder doch ernst gemeint?
Zu Anfangs wollte der Verfasser von "Politische Abziehbilder und ihre
Wahlen" ueber "Systematik des Politischen im Oesi-Land" schreiben, und
"Schluss mit den guten, alten und bewaehrten Politiker-Beschimpfungen"
machen. Das sah gut aus, sah aus nach sachlicher, inhaltlicher
Auseinandersetzung. Das weckte Interesse. Es liess sich auch gut an mit:
"...ein nicht uninteressanter Punkt dabei duerfte es sein, wie weit sich
jegliche Parteipolitik innerhalb Europaeischer Grundrechtskataloge bewegen
kann ..."Und dann gings ans Eingemachte.
Als besonders einpraegsam folgte der Satz: "...Hitler, Goebbels und
Konsorten sollten nicht unbedingt gepriesen werden, ansonsten aber ist so
ziemlich alles moeglich - die jeweiligen Waehlerschichten gegen Fluechtlinge
und Migranten verhetzen, bisher noch gerade funktionierende Sozialsysteme in
die absolute Armut und Aussichtslosigkeit treiben ..." Da klang was wildes,
etwas von einer sehr engagierten Schuelerzeitung an. Und danach folgte ein
imponierender inhaltlicher Kahlschlag, der sicher unbeabsichtigt in einer
deftigen Politikerbeschimpfung muendete. Zwischendurch war man fitz-fatz bei
den "deutschen Millionaeren oder gar Milliardaeren" und bei Familien, die
"Hartz V und (gleich noch) Hartz VI mit Frau Merkel ueberhungern muessen".
Dass der Verfasser vom Oesi-Land schreiben wollte - man sollte das nicht so
eng sehen. Es geht um, ja, um was eigentlich?
Worum geht es einem gutgelaunten Schreiber, von dem man aufgeraeumt lesen
kann: "Toni Sailer und Armin Assinger waeren fuer jede Partei Gold wert,
fuer die Gruenen ist das der Herr Professor ..."? Der "Herr Professor". Ein
Schelm, wer da an Intellektuellen -Veralberung denkt. Schliesslich verwendet
auch Armin Thurnher mit enorm feinem Esprit diese Anrede. Auch kann man sich
schwer einem Vergleich der Schroeder-Faust-aufs-Auge-Breitseite gegen den
"Professor aus Heidelberg" aus dem BRD -Wahlkampf entziehen. Wie waers
uebrigens gleich mit "Der Herr Professor aus Tirol" ?
Endgueltig bei einer voll lebendigen Schueler-Zeitung war ich dann
angelangt, als eine "...Partei ihrem `Papa` van der Bellen nachhechelt ...",
dem "... politischen Abziehbild." Normalerweise fuer erwachsene Schreiber
eine gewiss liebenswerte, aber infantile Bosheit. Aber was heisst schon
"Erwachsen"? Die Zeiten, in denen muehsames, kleinliches, fades
Recherchieren, Auseinandersetzen und verlogenes Ringen um objektive
Ausdrucksweise zum journalistischen Handwerk gehoerte, sind vorbei. Fuer den
Hugo - um mit Fritz Pletzl froehlich das Tagwerk zu beenden.
*Robert Fidel*
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> Feine Worte
Antwort auf Obiges
Ich nehm´ mir deine Reaktion auf meinen Artikel zu Herzen. So wie es
aussieht, hast du naemlich recht: ich war schlampig, hab`s mir ziemlich
einfach gemacht und bin dann auch prompt bei simplen Vergleichen samt
Politiker- und Partei-Beschimpfungen gelandet. Bin mir zwar keinesfalls
sicher, dass ich in Zukunft nichts aehnliches produziere, probieren koennt`
ich es ja einmal. Aber:
Ueber deinen Vergleich mit einer ‚sehr engagierten Schuelerzeitung', wo ‚was
wildes' durchklingt, bin ich jedoch ganz gluecklich. Was als Kritik gemeint
ist, zeigt mir, dass ich trotz meiner Schlamperei noch immer nicht
abgebrueht genug bin, scheinbar Selbstverstaendliches immer wieder in
wohlklingende Worte zu kleiden und dadurch zu akzeptieren. Wuerde ich davon
geschrieben haben, dass die einzige politische Chance der Gruenen darin
besteht, stets ein bundesweites Zugpferd namens ‚Van der Bellen' zur
Verfuegung zu haben, waerst du damit zufrieden gewesen? Aber wenn ich dann
dieses Pferd ‚Professor' nenne, hoert sich offensichtlich der und dein Spass
auf. Dann klingt es in dir wie in schrecklichen Zeiten, wo es
geringschaetzig ‚die Herren Professoren' hiess, und diese dadurch dem
allgemeinen Spott ausgesetzt waren. In Wirklichkeit aber, lieber Robert,
sind mit dem vermeintlichen Spott die Gruenen gemeint und nicht unbedingt
ihr ‚Anfuehrer'. Der tut, was er tun kann: bedaechtiges Abwaegen und ‚den
Teufel' werde er tun, wenn er nach Konkretem und vor allem ueber allfaellige
Koalitionen befragt wird, wo die lieben Gruenen endlich in einer Regierung
sitzen koennten. Das ist nicht nur mir zu wenig. Es ist, um feine Worte zu
gebrauchen, etwas zu blass, zu duenn, um 2006 meine Stimme zu erhalten.
Wenn sich naemlich nach den Wahlen herausstellt, dass der OeVP genau die
Stimmen der Gruenen und der dann eventuell existierenden Gruselkammer
FPOe/BZOe zu einer sicheren Mehrheit fehlen, was glaubst du, wie du
blitzschnell einen gruenen Vizekanzler auf der Regierungsbank vorfinden
wirst. Aber alles kann ganz anders sein: die geschaetzte und zur Wahl
aufgerufene Bevoelkerung entscheidet sich trotz eines bravouroesen
EU-Vorsitzes nach endlosen Nachdenkprozessen fuer eine Abwahl Schuessels.
Nehmen wir an, sie hat von ihm einfach genug und vor allem von der EU. Das
Spiel wuerde nunmehr lauten: die Sozialdemokraten suchen dringend einen
Koalitionspartner, wobei die Stimmen der Gruenen dazu ausreichend waeren.
Und wieder wuerde gruenerseits blitzschnell reagiert: Ja, natuerlich, wir!
Jetzt siehst du vielleicht etwas klarer, lieber Robert, warum ich andauernd
gegen einen gruenen Parteivorsitz wettere, der sich in der Koalitionsfrage
nicht aeussert. Unbestritten tummeln sich bei den gruenen Gruppen und
Grueppchen politisch aeusserst Engagierte, die weiters unbestritten das Zeug
dazu haben, gewaehlt zu werden.
Aber wie soll ein halbwegs klar denkender Waehler (und natuerlich die
Waehlerin) das Kreuzchen bei den Gruenen malen, wenn die reale Chance
besteht, dass ein paar Wochen spaeter ein schweigsamer Van der Bellen neben
einem grinsenden Schuessel auf der Regierungsbank hockt? Damit findet auch
der letzte Stossseufzer in deiner Antwort Beachtung, dass naemlich ‚fades
Recherchieren' und ‚verlogenes Ringen um objektive Ausdrucksweise zum
journalistischen Handwerk' vorbei sind. Ich deute diesen Seufzer wie so
manches in deiner Schrift als Versuch einer Ironie. Dann ist dieser aber
maessig gelungen, Robert. Ich kann versuchen, objektiv zu sein, aber dann
wuerde ich als Fotoapparat besser meine Dienste versehen. Auch wenn es
manche fuer seltsam finden, aber wir denken. Und da wir dieses nunmal tun,
sind wir nicht mehr objektiv. Ich koennte mich beim Schreiben noch so
anstrengen, es wird nie den strengen Kriterien irgendeiner Objektivitaet
entsprechen. Noch dazu bezeichnet sich diese Zeitung als links, was sie
zumeist auch ist. Und was fuer mich der Hauptgrund ist, hier mitzumachen.
*Fritz Pletzl*
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