**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 22. November 2005; 20:00
**********************************************************

Demokratie/Glosse:

> Politische Abziehbilder und ihre Wahlen

Da jetzt ein paar Zeilen ueber die Systematik des Politischen im Oesi-Land
folgen sollen, machen wir einmal kurz Schluss mit den guten alten und
bewaehrten Politiker-Beschimpfungen. Es geht heute mal darum, welche Felder
Politik besetzen kann und auch sollte, und welche sie keinesfalls umbauen
oder in Frage stellen duerfte. Es geht insgesamt um einen Umbau bisheriger
politischer Gepflogenheiten. Ein nicht uninteressanter Punkt dabei duerfte
es sein, wie weit sich jegliche Parteipolitik innerhalb Europaeischer
Grundrechtskataloge bewegen kann, die sich Frieden, Demokratie und Wohlstand
auf ihre Fahnen geschrieben hat. Diese Kataloge oeffnen allerdings eine
ganze Serie von Fragen, die je nach Partei anders empfunden und beantwortet
werden. Da ausser den Super-Rechten nach dem 2.WK keine Partei wegen
Nichteinhaltung dieser Grundrechte vor den diversen Verfassungs- und
sonstigen Gerichtshoefen landete, reduzieren sich die 'gut gemeinten'
Kataloge leider auf allgemeine und nette Wunschlisten, auf die der jeweilige
Staat 'bitte' achten sollte.

Das heisst im Klartext: Hitler, Goebbels und Konsorten sollten nicht
unbedingt gepriesen werden, ansonsten aber ist so ziemlich alles moeglich -
die jeweiligen Waehlerschichten gegen Fluechlinge und Migranten verhetzen,
bisher noch gerade funktionierende Sozialsysteme in die absolute Armut und
Aussichtslosigkeit treiben, offen die Armen gegen die 'Leistungstraeger'
ausspielen, Schulen, Kindergaerten und Bildungszentren mit einem Kahlschlag
raeumen etc. etc... Wie lauten die Argumente dieser Schliesser, Treiber und
Raeumer? Die vorigen Regierungen waren unfaehig und haben das Geld mit zu
teuren Sozialsystemen oder unsinnigen Prestigeobjekten verjuxt. Von den
deutschen Millionaeren oder gar Milliardaeren spricht eine fortschrittliche
Regierung keinesfalls, denn 'wenns der Wirtschaft gut geht, gehts uns allen
gut' - heisst es so schoen und ergreifend. Vor allem sind derlei Sprueche
den Familien gewidmet, die auf Hartz IV leben und die - wenn sie das
ueberstehen - mit Frau Merkel Hartz V und Hartz VI ueberhungern sollen.

Aber, Grundrechte hin oder her - was oder wen waehlen die Armen, die
Verzweifelten, die Zukunftslosen? Wie sehen die Keulenschlaege aus, mit
denen ihnen ihr Wahlrecht naeher gebracht werden soll? Eine typische
deutsche oder oesterreichische Partei laesst alle vier Jahre zur Wahl des
Bundestages oder des Nationalrates bitten. Bleiben wir praktischerweise bei
Oesterreich und teilen die vorhandenen vier Jahre in vier Perioden: Die
erste Periode der wieder- oder neugewaehlten Regierung besteht darin, sich
mit dem Ausgehen der gerade ueberstandenen Wahl zu beschaeftigen. Da wird
analysiert, bedacht,. gelobt, geruegt, da wird der staendige Kontakt mit den
Medien erweitert etc... Die zweite und vielleicht noch ein paar Monate der
dritten Periode wird 'auf Teufel komm' raus' im Schnellschussverfahren
regiert, indem die eigene Koalition ihren eigenen Abgeordneten Gesetze
vorlegt, die natuerlich den Zweck einer immer positiven 'Abstimmungsmaschine'
ausueben. Von der zweiten Haelfte der Dritten bis zum Ende der vierten
Periode wird 'wahlgekaempft'. Speziell die letzte Periode ist leicht
auszumachen: In der Partei herrscht volles Programm, die Bindung an die
Medien ist ohne weiteres als erotisch zu bezeichnen.

Von Politik im Sinne der Gestaltung einer Staatsgemeinschaft ist wenig zu
bemerken, jetzt geht es an das Eingemachte: Geschenke muessen verteilt
werden, der halbwegs interessierten Oeffentlichkeit muss die
Unentbehrlichkeit der eigenen Partei im Regierungsgeschehen der baldigen
Zukunft immer wieder und immer oefter vor Augen gefuehrt werden, vor dem
politischen Feind, der Oesterreich staendig in den Sumpf niederer
politischen Interessen ziehen will, muss staendig gewarnt werden etc...
Ahja, Plakate muessen jetzt schon ran, um den 'Dolmen' in der Bevoelkerung
mit den einfachsten und vor allem kurzen Argumenten die Augen zu oeffnen,
Rezepte fuer gelungene und vor allem billige Wahlveranstaltungen muessen
jetzt entwickelt werden, der Tag in der vierten Periode ist zu kurz und
nimmt dennoch kein Ende. Und selbstredend muessen waehrenddessen laufend
'Persoenlichkeiten' aufgebaut werden, denn die Wahlen sind 'wiedermal fuer
die Dolme' Persoenlichkeits- und Prominentenwahlen. Toni Sailer und Armin
Assinger waeren fuer jede Partei Gold wert, fuer die Gruenen ist das der
Herr Professor - fuer den Grossteil der zur Wahl getriebenen Bevoelkerung
ebenso.

Die Litanei wuerde sich ewig fortfuehren lassen, doch sollte kurz mal die
Frage gestellt werden, wie dieses politisch vermoderte und zur Reality-Show
animierende System geaendert werden koennte. Die Gruenen der ersten Stunde
vermeinten, mit der fixen Verankerung einer Rotation Bewegung in das
politische System zu bringen. Bald mussten sie sich einem politischen System
stellen, das 'Promis' an die erste Reihe zu stellen gewohnt ist.
Argumentiert wurde dies mit dem schlichten Grund, dass die geschaetzte
Waehler ja niemand andereren kennen wuerde - und mit Nobodys im
Rotationsprinzip keine Wahlen zu gewinnen waeren. Also waeren die ganz
tollen und vortrefflichen Gruende, diese Partei zu waehlen, fuer den Hugo,
wenn niemand die abwechselnden Kandidaten kennt und sie daher auch nicht
waehlt. Was tun, liebe Genossen und natuerlich auch -innen? Als erstes
wuerde ich z.B. den Gruenen naiverweise empfehlen, auf
'Persoenlichkeits-Wahlkaempfe' zu verzichten, stattdessen wieder auf die nie
real ausprobierte Rotation zu setzen und dafuer wieder Themen einzusetzen.
Es kann doch nicht sein, dass eine 9% umfassende Partei ihrem 'Papa' van der
Bellen nachhechelt und an sonst wenig an brauchbarer, politischer Substanz
zu bieten hat. Was waere wirklich, wenn dieser politik-austreibende und
unertraegliche Persoenlichkeitskult verschwinden wuerde? Immerhin besteht
eine ganz kleine Chance, dass die Waehlenden anlaesslich der naechsten
Wahlen mit dem Gefuehl zu den Urnen schreiten, sie haben jetzt Sachpolitik
gewaehlt und keine politischen Abziehbilder.
*Fritz Pletzl*


***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der nichtkommerziellen
Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd muessen aber nicht
wortidentisch mit den in der Papierausgabe veroeffentlichten sein. Nachdruck
von Eigenbeitraegen mit Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete
Beitraege stehen in der Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von
Texten mit anderem Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine
anderweitige Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als
Abonnement verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann
den akin-pd per formlosen Mail an akin.buero@gmx.at abbestellen.

*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
akin.buero@gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976/00, Zweck: akin