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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 19. April 2005; 18:06
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Bolivien/Wasser/Kapitalismus:

> Das Imperium schlaegt zurueck

Wir haben in akin 4/05 (akin-pd 8.2.2005) ueber die Massenstreiks und
Proteste getragen von einer Vielzahl von Organisationen in El Alto/Bolivien
gegen den multinationalen Konzern Suez Lyonnaise berichtet. Damals hiess es,
Suez wuerde den Protesten weichen, doch jetzt sieht alles ganz anders aus.
Denn jetzt setzt die internationale Bankenwelt die Daumenschrauben an.

Ursache der Proteste war

- dass der Konzern seit Jahren unterlassen hat, besonders die aermeren und
aermsten Distrikte in El Alto mit einer Infrastruktur zu erschliessen,
wodurch die Bewohner vollstaendig von der Versorgung mit Leitungswasser /
Abwasser ausgeschlossen sind. In den Vertraegen hatte es Suez geschickt
verstanden, sich fuer solche "Service Areas" zustaendig zu erklaeren, in
denen die Bewohner geringfuegig mehr Geld haben, waehrend die aermeren
Distrikte schlicht ausgeklammert wurden.

- weil Suez die Gebuehren fuer einen Leitungs- und Abwasser-Anschluss auf $
445.- erhoeht hat, was angesichts der bitteren Armut, - viele Leben von
weniger als einem Dollar pro Tag -, den Bewohnern viele Monatsloehne
abverlangt haette.

- weil bedingt durch diese Umstaende mehr als 200.000 Bewohner ohne
Wasseranschluss sind.

Die Wassergebuehren fuer Haushalte wurden seit der Uebernahme durch Suez um
57,7% erhoeht; dem Konsortium wurde eine 12 % Rendite-Garantie zugesichert
und die Vertraege unterliegen, - wie bei Privatisierungen ueblich -, der
Geheimhaltung, wodurch den Bewohnern die Moeglichkeit genommen wird, sich
gegen Missstaende bei der Wasserversorgung ueberhaupt adaequat wehren zu
koennen.

Gemaess Artikel 38 des Gesetzes 2066 ist das Eingreifen in den Vertrag
erlaubt, wenn ein Betreiber seiner Versorgungspflicht nicht nachkommt. Vor
diesem Hintergrund hatte Praesident Mesa den Protestierenden zugesichert,
den Vertrag mit Suez zu kuendigen.

Die Kernforderungen der Proteste lauten, in verkuerzter Form:

- sofortige Beendigung des Vertrages mit dem Konzern Suez / Aguas del
Illimani und das Betreiben der Wasserversorgung durch eine oeffentliche,
sozial ausgerichtete Gesellschaft. (Artikel 8 Nr. 1 (4) des Gesetzes 2028
gebietet die Beteiligung von nicht-profitorientierten Koerperschaften an der
Basis-Versorgung)

- Einrichtung einer verfassungsgebenden Versammlung, mit dem Ziel, eine
Politikform zu etablieren, bei der die Bevoelkerung auf Dauer in der Lage
ist, ihre Geschicke mitzubestimmen (stark verkuerzt)

- die Gasreserven des Landes sollen wieder oeffentliches Eigentum werden, um
Mitsprache und Teilhabe der Bevoelkerung zu sichern und um den
wirtschaftlichen Nutzen fuer die indigene Mehrheit im Land zu erhoehen,
anstelle von Profiten fuer transnationale Konzerne.

- beim Export von Gas werden derzeit 18 % der Ertraege an die oeffentliche
Hand abgefuehrt, wohingegen die sozialen Bewegungen eine Art Hebesatz von 50
% durchsetzen wollen, um dadurch mehr am eigenen Reichtum der Bodenschaetze
partizipieren zu koennen. Praesident Mesa haelt dagegen, (verkuerzt) dass
man auslaendische Konzerne mit dieser Forderung "veraergern" und Investoren
abschrecken wuerde.

- die Erhoehung der Diesel- und Benzinpreise soll rueckgaengig gemacht
werden, da die Bewohner nicht in der Lage sind, die erhoehten Preise zu
bezahlen.

- die Eroeffnung eines Verfahrens gegen den ehemaligen Praesidenten Sanchez
de Lozada, weil dieser auf unbewaffnete Demonstranten schiessen liess


Internationaler Druck


Im Maerz 2005 ueberstuerzen sich die Ereignisse: Praesident Carlos Mesa trat
unter dem Druck der Proteste zurueck, musste aber seinen Ruecktritt
zuruecknehmen, nachdem der Kongress ihn nicht angenommen hatte.

Bezueglich der Wasserversorgung hatte Mesa zunaechst zugesagt, den Vertrag
mit dem Konzern Suez aufzuloesen. Wegen massiven Drucks der deutschen GTZ,
der Interamerikanischen Entwicklungsbank und der Weltbank hat Praesident
Mesa seine Zusage revidiert und mit der Begruendung versehen, man muesse
sich den internationalen Finanzinstitutionen beugen, da die Staatskasse leer
sei und sonst niemand die Gehaelter zahlen koenne...

Und weiter: wenn er den Vertrag mit Agua del Illimani (Suez) aufloesen
wolle, muesse der Staat direkt an die Weltbank 17 Millionen US-Dollar
zahlen, und man muesse mit einem Gerichtsverfahren gegen den Staat und mit
Forderungen in Hoehe von 50 Millionen US-Dollar rechnen. Deshalb sei es
besser, sich "einvernehmlich" zu einigen...

Mitte Maerz 2005 legen die drei genannten Institutionen die Daumenschrauben
an und fuehren aus, wie sie sich die zukuenftige Wasserversorgung
vorstellen:

der alte Vertrag koenne geloest werden, es muesse aber ein neuer Vertrag
geschlossen werden, eine "SAM" (Sociedad Anonima Mixta, so etwas wie ein
Public Private Partnership Vertrag) also eine gemischte Rechtsform, bei der
wieder der Global Player Suez mit jetzt 35 % beteiligt sein soll. Also genau
der Konzern, von dem sich die Bolivianer durch massive Proteste befreien
wollen.

Es scheint fuer die drei Institutionen voellig normal zu sein, dass sie
massiv in die Souveraenitaet des Landes eingreifen. Auch die Deutsche
Botschaft in La Paz schaltet sich mit einer Presseerklaerung ein: es solle
eine einvernehmliche Loesung (mit Suez) gefunden werden, um so
Entschaedigungszahlungen zu vermeiden; es solle eine Betreibergesellschaft
gegruendet werden, die Effektivitaet und Nachhaltigkeit im Service
garantiert; ein Minimum an regulatorischen Strukturen sei einzuhalten, um
die Nachhaltigkeit von Service und Investitionen abzusichern. ( frei
zusammengefasst und gekuerzt )

Die Initiatoren der Wasser-Revolten 2005 in El Alto und La Paz sagen
(auszugsweise):

- durch Kampagnen, durch Beeinflussung der Regierungsstellen und durch
Missinformation habe die GTZ die Konflikte verschaerft

- mit Finanzressourcen der deutschen KFW-Bank habe die GTZ Stadtverwaltungen
mit Geldbetraegen gekoedert, die auch fuer Wahlkaempfe eingesetzt werden
koennen; dies sei mit dem Ziel geschehen, die Privatisierung von
Dienstleistungen zu foerdern.

- Die GTZ habe mitgeholfen, Konzessionsmodelle einzufuehren, bei denen man
den Privaten 12 - 13 % Gewinngarantien gegeben habe, diese haetten ueber die
Tarife der Bewohner bezahlt werden muessen.

- Proteste in verschiedenen Staedten, wie z.B. Colcapiruha und Tiquipaya
seien von Polizei und Armee brutal unterdrueckt worden. Vieles an den
Auswirkungen der Unterdrueckung gehe auf die GTZ zurueck. Diese muesse zur
Verantwortung gezogen werden; sie muesse den betroffenen bolivianischen
Gemeinden und der internationalen Gemeinschaft Rede und Antwort stehen


Zusammenfassung


Zusammenfassend laesst sich sagen, dass sich die Lage in Bolivien noch
weiter erheblich verschaerfen kann, wenn die Bestrebungen von SUEZ, GTZ,
Weltbank und Interamerikanischer Entwicklungsbank zur Wasserprivatisierung
fortgesetzt werden.

Es ist nicht zu erkennen, warum ausgerechnet eine
Wasserprivatisierungspolitik in El Alto und La Paz zu Erfolg fuehren soll,
die nicht nur in Cochabamba, sondern auch in zig anderen Staedten in der
Welt den Buergern geschadet- und den Konzernen genutzt hat.

Es mutet geradezu aberwitzig an, wenn der Reichtum Boliviens, die
Bodenschaetze, wie Gas und Oel, von transnationalen Konzernen ausgebeutet
werden, waehrend die Bevoelkerung ueberwiegend in bitterer Armut lebt.
Zynisch ist, wenn anschliessend die reichen Laender Kredite geben, mit denen
sie das Land in den Wuergegriff nehmen, und ueber die Schuldenfalle weitere
Privatisierungen erzwingen.

Im normalen Sprachgebrauch nennen wir diesen Vorgang "Entwicklungshilfe".

In Wirklichkeit handelt es sich um eine verwerfliche, neo-koloniale
Ausbeutung, bei der unter dem Deckmantel von "Hilfe" die Interessen von
Konzernen, Finanzinstitutionen und Eliten durchgesetzt werden.

Die Konflikte in Bolivien geben uns allen die Chance, dabei zu helfen, die
oeffentlichen Dienstleistungen und die Wasserversorgung wieder in die
Verfuegungsgewalt der Buerger von El Alto und La Paz zu bringen. Wenn es
gelingt, waere es ein Meilenstein auf dem Weg zu einer zukunftsweisenden
Buerger-Demokratie und eine wunderbare Geste der Solidaritaet.
(Jens Loewe, Stuttgarter Wasserforum, 25.3.2005)

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Transnationale Konzerne, die sich in Bolivien betaetigen (Auswahl):

SUEZ http://www.suez.com

ENRON http://www.enron.com

Pan American Energy http://www.pan-energy.com

Repsol http://www.repsolypf.com

Petrobras http://www.petrobras.com.br

BP Amoco http://www.bp.com

Total http://www.total.com

Bayer http://www.bayer.de

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Kontakt zu Vertretern der
Buergerproteste in El Alto:
Marcela Olivera,
marcelaolivera@entelnet.bo
T: 00591 - 722 202 16
F: 00591 - 4 - 450 35 30
Carlos Crespo,
crespoflores@yahoo.com
T: 00591 - 4 - 422 03 17



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