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akin-Pressedienst.
Elektronische Teilwiedergabe der
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'.
Texte im akin-pd muessen aber nicht wortidentisch mit den in der
Papierausgabe veroeffentlichten sein.
Nachdruck von Eigenbeitraegen mit Quellenangabe erbeten.
Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der
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Ein Nachdruck von Texten mit anderem Copyright als dem unseren
sagt nichts ueber eine anderweitige Verfuegungsberechtigung aus.
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Aussendungszeitpunkt: 10.10.2000; 17:30
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Debatte/Wieder einmal:

> Antisemitismus in der akin?

Es ist alles sehr kompliziert: Es erreichten uns empoerte
Leserbriefe zu einem von der Agentur IPS uebernommenen Artikel
"Israel: Gleiche Nationalitaet fuer alle?" in akin 27/00. Dazu
musz gesagt werden, dasz uns diese Leserbriefe nicht alle direkt
zugestellt wurden, sondern teilweise nur im Newsletter
"Widerst@ndsMUND" erschienen, der die elektronische Ausgabe der
akin teilweise wiedergegeben hatte und sich seinerseits mit
Protesten konfrontiert sah. Diese Leserbriefe wollten wir in der
Print-Ausgabe aus Platzgruenden nicht in voller Laenge
wiedergeben. Da wir aber die Diskussion nicht abwuergen wollen,
brachten wir zumindest Auszuege oder gekuerzte Fassungen, die wir
in dieser Form auch im akin-pd wiedergeben. Natuerlich kann uns
jetzt vorgeworfen werden, dasz die Kuerzungen willkuerlich seien
und dadurch der Inhalt verfaelscht wuerde, aber wenn Briefe zu
lang sind, sind wir einfach gezwungen, zu kuerzen.
(Volltext aller bisherigen Diskusionsbeitraege)
 

***

> juden/juedinnen sind ein volk

Beitrag im MUND vom 6.10.

die argumentationslinie des berichtes "Israel: Gleiche
Nationalitaet fuer alle?" ist, dasz die juden/juedinnen in israel
von der praemisse ausgehen, dasz juden/juedinnen eine
nationalitaet sind, diese praemisse fuehrt - laut artikel - zu den
diskriminierungen der arabischen israelischen staatsbuergerInnen -
andersherum wenn die juden/juedinnen in israel von der praemisse
weggehen, dasz sie eine nationalitaet sind, gibt es auch keine
diskriminierungen mehr....

... die verschiedenen begriffe werden platt, vereinfachend,
verdrehend und oberflaechlich verwendet, die begriffe nation,
nationalitaet, staat, zionismus, juedische heimat, israelischer
staat werden unentwirrbar durcheinandergebracht....

... der entscheidende begriff volk, palaestinensisches volk und
juedisches volk kommt erst gar nicht vor...

... * juden/juedinnen haben als praemisse, dasz sie eine eigene
nationalitaet sind

* israelische juden/juedinnen werden einer eigenen und einzigen
kategorie von nationalitaet zugeordnet
* israelische araberInen werden in verschiedene nationalitaeteneingeteilt

...jetzt ersetze ich das wort nationalitaet mit dem wort recht

* juden/juedinnen haben als praemisse, dasz sie ein eigenes recht
haben (gemeint das recht einen eigenen juedischen staat zu haben)

* israelische juden/juedinnen werden einer eigenen und einzigen

kategorie von recht zugeordnet

* israelische araberInnen werden in verschiedene rechten
eingeteilt

....alle sollen und muessen selbstverstaendlich die gleichen
rechte haben, aber dann haben immer noch nicht alle die gleiche
nationalitaet und sollen sie auch gar nicht haben...

....die schluszfolgerung und die forderung ist:

dasz diese diskriminierung der israelischen araberinnen nur
abgeschafft werden kann, wenn die israelischen juden/juedinnen
endlich ihre praemisse aufgeben und erkennen, dasz sie keine
nationalitaet und kein volk sind, erst dann haben alle die
gleichen rechte und die rabbiner sollen sich gefaelligst aus den
staatlichen angelegenheitemn zurueckziehen...

...die eingangsfrage "gleiche nationalitaet fuer alle?" versteckt
nur die antisemitische forderung

a) juden/juedinnen sollen aufhoeren sich als nationalitaet/volk zu
sehen

b) solange dies nicht geschieht gibt es nicht gleiche rechte fuer
alle...

... juden und juedinnen sind aber ein volk, dies ist nicht nur
eine "praemisse" vom staat israel oder ein "heiliges prinzip"
sondern ein faktum und eine tatsache, juden/juedinnen sind genauso
ein volk wie die kurdInnen oder die palaetinenserInnen aber nicht
darauf, dasz juden/juedinnen eine nation darstellen baut der staat
israel auf sondern dasz juden/juedinnen ein volk sind, der staat
israel wurde von juden/juedinnen gegruendet fuer juden/juedinnen
gegruendet, sowie ein palaestinensischer staat fuer das
palaestinensische volk gegruendet wird...

... "und den ultra- orthodoxen rabbinern das alleinige recht zu
entziehen, israelische juden zu verheiraten und zu scheiden." --
das recht, israelische juden und auch juedinnen zu heiraten und
sich scheiden zu lassen haben alle anerkannten rabbiner in israel
und um es gleich klar zu stellen - nicht jeder anerkannte rabbiner
in israel ist ultra-orthodox ....

... weiters beinhaltet diese feststellung, dasz es ohne rabbiner
keinerlei moeglichkeit gibt zu heiraten auch dies ist falsch.
viele israelische juden/juedinnen heiraten auszerhalb israels z.b.
in cypern - diese heirat wird in israel anerkannt ....
... "die entscheidung ueber die abschaffung des religionsvermerksin den
personalausweisen muss durch ein komitee der knesset
getroffen werden." falls es zu einem gestz zur abschaffung des
religionsvermerks in den personalausweisen kommt - so wird dieses
gesetz von der knesset dem israelischen parlament getroffen und
verabschiedet und nicht von einem komitee ...

... da der entscheidende begriff volk nicht vorkommt und die
begriffe falsch, verdrehend und oberflaechlich verwendet werden
moechte ich nochmals klar festhalten:

* juden/juedinnen sind ein volk

* das judentum ist eine religion

* juden/juedinnen koennen atheistisch sein und sind trotzdem
juden/juedinnen (christinnen koennen nur christinnen sein wenn sie
auch religioes sind)

* juden/juedinnen waren ueber jahrhunderte keine nation (roma und
sinti sind ein volk aber keine nation) und juden/juedinnen haben
auch heute keine nation - es gibt keine juedische nation nur einen
juedischen staat, sowie es einen palaestinensischen staat geben
wird

* es gibt heute einen israelischen staat.

* im heutigen israelischen staat wohnen juden/juedinnen und
nichtjuedische staatsbuergerinnen

* ob und inwieweit es eine israelische nation gibt was das
spezifische an der israelischen nation ist und wie sich
unterscheidet vom

juedischen volk oder vom juedischen staat ist - soweit mir bekannt
- noch recht unerfoscht ...

*Peter Sevenier (peter.sevenier@gmx.at)*

***

> Empoerung

Beitrag im MUND vom 7.10.

Es ist mir ein groszes Anliegen durch diese Wortmeldung
klarzustellen, dasz der von Peter Sevenier zu Recht schaerfstens
kritisierte Beitrag "Israel: Gleiche Nationalitaet fuer alle?"
sehr wohl Empoerung ausgeloest hat.

Als Juedin bin ich seit meiner Kindheit mit vielen aehnlichen und
anderen, versteckten und offenen, bewuszten und unbewuszten
Antisemitismen konfrontiert und ich stelle fest, dasz ich schon
muede und ohnmaechtig geworden bin, was mich meistens davon
abhaelt, auf sie offen zu reagieren. Antisemitismus ist ueberall,
in Nachrichten, Zeitungen (nicht nur Krone...), in den Geschichts-und
Unterrichtsmaterialien... und dabei stoeszt es mir sauer auf,
wenn ich das Wort Antisemitismus ueberhaupt verwende, schlieszlich
ist das ja ein Wort, das bekanntlich erst die Nazis in unsere
Sprache einbrachten (wie so viele andere).

Das von Peter Sevenier Analysierte ist durchaus nicht unbeobachtet
geblieben. Und ich kann nur hoffen, dasz die entsprechenden
Redaktionen von akin und mund in Zukunft etwas naeher hinsehen.

*Hannah Froehlich (hannah@aktiv.co.at)*

***

Als Folge dieser beiden Leserbriefe bat die Redaktion der akin IPS
um eine Stellungnahme:

***

> Bemerkungen  zu den Ausfuehrungen von Peter Sevenier

Sollten sich die Ausfuehrungen von Sevenier tatsaechlich auf den
Artikel von Ben Lynfield, Korrespondent der internationalen
Nachrichtenagentur IPS beziehen, (ich vertrete die Agentur in
Oesterreich und vor der UNO) moechte ich mit Entschiedenheit und
aller Schaerfe den Vorwurf des Antisemitismus zurueckweisen,
ebenso den Aufruf zur Zensur.

Wir von IPS sind jedenfalls bereit, jeder Person, die sich ein
eigenes Bild ueber den Original-Artikel machen will, den Text
gratis zuzuschicken. Wir heiszen auch jede Diskussion ueber unsere
Berichterstattung herzlich willkommen! Nur bitte ohne
Ausgrenzungen!

Zustimmen wuerden wir z.B. bei einer kritischen Feststellung, dass
der Artikel ein ungewohntes Thema fuer die oesterreichische
Oeffentlichkeit aufbereitet und somit hier und dort Verwunderung
oder gar Schock (wie es eine andere Zuschrift ausgedrueckt hat)
ausloesen koennte. Fuer den Schock tut es uns leid, obwohl wir
nichts dafuer koennen, denn woanders, aber besonders in Israel
(gluecklicherweise), sind solche Berichte gang und gaebe.

IPS zeichnet sich als internationale Nachrichtenagentur durch eine
besonders ausgepraegte Multikulturalitaet aus, bei der Toleranz
und Menschenrechte ganz oben stehen. Unter meinen Kollegen gibt es
arabische Staatsbuerger und auch praktizierende Juden. Einfach
undenkbar, dass sich irgendeine Art von Antisemitismus in unseren
journalistischen Diensten einschleichen koennte. Bei uns nicht!
(IPS ist auch die einzige internationale Nachrichtenagenturgewesen, die das
rassistische Apartheid-Regime in Suedafrika
ausdruecklich geaechtet hat!)

Der Artikel, auf den sich die Ausfuehrungen von Sevenier zu
beziehen scheinen, hatte die AKIN im Rahmen eines Probeabonnements
waehrend des Monats September d.J. bezogen und in erlaubter Weise
in den WiderstandsMUND gesetzt. Es handelt sich um einen
sprachlich einfach und klar gehaltenen Hintergrundbericht ueber
die geplante Abschaffung diskriminierender Vermerke in
oeffentlichen Dokumenten des Staates Israel. Der Artikel befasst
sich in einer eindeutig positiven Haltung mit dem Vorhaben und
dessen Diskussion in Israel. Es wird sogar die positive
Entwicklung in Israel, mit einem negativen Beispiel aus einem
anderen Land und einer anderen Kirche kontrastiert (Griechisch-
Orthodoxe Kirche in Griechenland).

Der Artikel ist weltweit vertrieben worden und von den Kunden von
IPS (vornehmlich Qualitaets-Medien) und deren Oeffentlichkeiten
innerhalb und auszerhalb Europas unbeanstandet zur Kenntnis
genommen worden.

Mit allen Respekt nun fuer die geschichtlich bedingte
Verletzbarkeit in dieser Region, wo z.B. erst jetzt - nach mehr
als einem halben Jahrhundert und erst nach betraechtlichen Druck
aus dem maechtigen Ausland - materielle Wiedergutmachungen an noch
ueberlebende Opfer des "Dritten Reiches" geleistet werden soll...
Ja, bei allem Respekt und Mitgefuehl, kann ich keine Begruendung
fuer  die diskriminierenden Untergriffe des Herrn Sevenier,
erkennen.

Mehr noch, ich warne vor solchen Diskussionen, die sich auf
Begriffe wie "Volk" berufen. Sie sind extrem gefaehrlich und
entfremdend, es sind so viele Unmenschlichkeiten - der Holocaust
eine der entsetzlichsten von allen -  im Namen des "Volkes"
begangen worden! Mit solchen Begriffen koennen keine analytischen
Kriterien gefunden werden. Sie sind nachweislich ideologische
Verballhornungen, die zu Slogans wie "Volk ohne Raum",
"voelkischer Beobachter", "ein Volk, eine Heimat" etc. etc.,
gefuehrt haben, sowohl damals, aber auch bis heute ganz nah im
Balkan und leider eben auch im Nahen Osten, wie man gerade dieser
Tage wieder erleben muss.

Der IPS-Korrespondent, Ben Lynfield, versuchte in seinem Artikel
israelische Ansaetze zu vermitteln, die genau mit diesem Humbug
aufhoeren wollen! Etwas dagegen?

Selbstverstaendlich berichtet IPS ebenso auch aus anderen
Hauptstaedten ueber derartige Prozesse, ohne Ruecksicht auf
Ansehen und Person.  Wie oben bereits bemerkt, sind die
Menschenrechte ein wichtiges Thema unserer Berichterstattung (was
in zahlreichen Studien in den USA und in Europa klar nachgewiesen
worden ist).

Eigentlich bedaure ich es sehr, dass nicht mehr von solchen
Berichten in Oesterreich erscheinen, wo in sachlicher Weise ueber
laufende Menschenrechtsdiskussionen in anderen Laendern informiert
wird.

Persoenlich moechte ich noch anmerken, dass ich als Journalist
ebenfalls zum Thema dazulernen musste. Es ist dazu mal der
oesterreichische Bundeskanzler Bruno Kreisky gewesen, der mich in
einem Gespraech darueber belehrte, dass das Judentum eine Religion
und die Palaestinenser ein Volk seien. Natuerlich waere es total
widersinnig gewesen, Kreisky einen Antisemiten zu schimpfen! Fuer
mich persoenlich hat sich daraus aber ergeben, dass ich den
vergriffenen und missbrauchten (ja, eigentlich ueberkommenen)
Begriff "Volk" (so wie "Rasse) einfach meide, wo ich nur kann.
Auch der IPS-Artikel aus Jerusalem geht richtigerweise auf diese
Begrifflichkeit nicht ein. Warum so was antisemitisch sein soll
ist unverstaendlich. Eigentlich ist es das Gegenteil davon.

Als Auslandskorrespondent in Wien, so wie Lynfield in Jerusalem,
schaue ich danach wie offen das Land ist, wie man Oesterreicher
wird und ob es vielleicht Staatsbuerger zweiter Klasse gibt, denn
immerhin wird mit der Staatsbuergerschaft auch der Zugang zu den
in der Verfassung verbrieften Rechten geregelt. Wenn es
Verhaeltnisse gibt, wie Vermerke im Pass (Hautfarbe: braun oder
andere diskriminierende Bezeichnungen), dann werden wird darueber
berichten und uns durch keine Zensur versuchende  Untergriffe
behindern lassen!

Nach soviel Leid mit dem Antisemitismus, koennte doch wenigstens
Engagement fuer Pluralismus entstehen, oder?

*Federico Nier-Fischer*
Korrespondent ips - inter press service, VIC / C0339 / Postfach, 1400
Wien / Vereinte Nationen, Tel: (01) 26026 5325; FAX: (01) 407 15 21,
ips@netway.at

***

> ... und noch ein Leserbrief

(diesmal direkt auch an die akin)

Der Kritik von Hannah Froehlich und Peter Sevenier gebe ich
weitgehend recht. Ich bin lediglich der Meinung, dasz Peters
Argumentationskette selbst an einem Punkt sehr problematisch wird,
naemlich dort wo er zu erklaeren versucht, dasz das Judentum eben
nicht nur eine Religion waere, sondern auch ein "Volk" zu dem
nichtreligioese Juedinnen oder Juden, bzw. Juedinnen oder Juden
anderer Religionen auch gehoeren wuerden. Damit uebernimmt Peter
Sevenier natuerlich eine Definition von "Jude sein" die vom
deutschen (und natuerlich auch oesterreichischen) voelkischen
Antisemitismus gepraegt ist. Die Nazis definierten die von ihnen
als "Nichtglaubensjuden" bezeichneten Menschen juedischer
Abstammung als zugehoerig zu einem "Juedischen Volk", das sie
einer geplanten, industriellen Massenvernichtung zufuehrten.
Natuerlich ist somit diesen Menschen die sich bis zu den
Nuernberger Gesetzen wohl kaum als Juedinnen oder Juden gesehen
hatten, eine gemeinsame Verfolgungsgeschichte mit Menschen
juedischer Religion gemein. Insofern gibt es hier natuerlich eine
gemeinsame Identitaet als von den Nazis als Juden verfolgte
Menschen.

Daraus automatisch abzuleiten, dasz es ein juedisches Volk gaebe
und letztlich Menschen unter diesem zu subsumieren, die sich
selbst nicht als solche sehen wuerden, aber aufgrund
antisemitischer Fremddefinition sehr wohl zu diesem "juedischen
Volk" gezaehlt wuerden, ist selbst wiederum zumindest
problematisch. Ich wuerde die Argumentation Peter Seveniers
geradzu umdrehen:

Es gilt nicht davon auszugehen, dasz Juden genauso ein Volk sind
"wie Palaestinenser und Kurden auch", sondern, dasz die Kategorie
"Volk" an sich ein eben voelkisches Konstrukt darstellt, die
zwangsweise zu ethnischen Homogenisierungen und Ausschlieszungen
fuehrt. Also nicht: "Juden sind ein Volk wie Kurden oder
Palaestinenser", sondern "Juden sind genauso wenig ein Volk wie
Kurden, Palaestinenser, Deutsche oder Oesterreicher!"

Peter Sevenier weicht aber offensichtlich der Frage aus, was denn
ein "Volk" so ist, wie es zu definieren waere und genau deshalb
kommt er nicht zu diesem Schlusz: Dasz es naemlich keine Voelker
gibt, sondern diese gemacht werden.

Nationalbewegungen kreieren ihre Nationen um ihre Nationalstaaten
zu haben. Voelkische Bewegungen kreieren ihre Voelker.

Dazu musz natuerlich gesagt werden, dasz der Zionismus als
juedische Nationalbewegung eine juedische Antwort auf die
Nationalismen in Europa war, die den bereits bestehenden
Antisemitismus zusaetzlich verschaerft haben. Dasz die Opfer des
deutschen, oesterreichischen und osteuropaeischen Antisemitismus
eine "nationale Heimstatt" verlangten, war insofern eine Folge der
Verfolgung, die spaetestens mit der Schoah auch jenen Juedinnen
und Juden als sinnvolle (Not)loesung erschien, die bisher auf die
Assimilation in ihren jeweiligen Staaten setzten. Deshalb halte
ich natuerlich so lange am Existenzrecht Israels fest, solange es
Nationalstaaten und Antisemitismus gibt. Mein politischer Kampf
richtet sich aber gegen eben diese Nationalstaaten und gegen
voelkische Konstrukte an sich und es geht mir nicht um die
Errichtung und Anerkennung immer neuer Voelker und Staaten.
*Thomas Schmidinger*

***

Nach sovielen Wortmeldungen haetten wir die Debatte eigentlich auf
sich beruhen lassen koennen. Da uns aber auch eine eigene
Stellungnahme angebracht erschein, folgt hier noch ein
einigermaszen redaktionskonsensfaehiger Text:

> Warum soll der Text antisemitisch sein?

Die Feinde - in dem Fall die boesen Antisemiten - mit Vorliebe in
den eigenen Reihen suchen, mutet schon etwas seltsam an. Ben
Lynfield hat einen kurzen und ziemlich ausgewogenen Bericht ueber
Vorhaben und Probleme in Israel geschrieben. Aufgrund der teilweis
heftigen Reaktionen wurde sein Artikel von uns hoechst aufmerksam
nochmals durchgelesen und penibelst auf etwaige versteckte
Antisemitismen oder sonstige Boesartigkeiten untersucht. Eventuell
koennen Lynfield manche Schlampereien vorgeworfen werden, die im
Falle der "alleinigen Heiratskompetenz ultra-orthodoxer Rabbiner"
jedoch auch schlichte Uebersetzungsfehler sein koennten. Was
bleibt, ist Betroffenheit und Unverstaendnis, vor allem ueber die
fahrlaessige Leichtigkeit, mit der diese Vorwuerfe konstruiert
werden. Es scheint so, dasz manche Rezipienten schlicht und
einfach nur das sehen wollen, was sie schon laengst bei allen -
auszer bei sich selbst - vermutet haben. Wie auch immer: Es
koennen auch unsererseits ein paar Gedanken ueber Nation,
Nationalitaet und Staatszugehoerigkeit nicht schaden.

Ein Staat ist ein groesztenteils klar abgegrenztes Gebiet mit
meistens nur einer Regierung, zu dessen Merkmalen es gehoert, dasz
die Organe dieses Staates ueberwiegend legale Macht ausueben
koennen. Die in diesem Staat lebenden Menschen werden als
Staatsbuerger oder Nicht-Staatsbuerger bezeichnet. Im Reise- oder
Personalausweis derselben steht dann auch an erster Stelle die
Nationalitaet - also die Staatsbuergerschaft. Man mag sich
streiten darueber, ob dies gut, nuetzlich und revolutionaer
sinnvoll ist - aber so ist es nunmal.

Als  sich z.B. nach 1919 ein paar Millionen Ungarn praktisch ueber
Nacht im heutigen Rumaenien, Nordjugoslawien oder der
Tschechoslowakei wiedergefunden hatten, mochten sie sich kulturell
und sprachlich noch so sehr der ungarischen Nation als zuhoerig
empfunden haben, sie schleppten dann doch einen rumaenischen oder
jugoslawischen Reisepasz mit sich herum, der ihre rumaenische oder
jugoslawische Nationalitaet beurkundete. So ist auch die
Nationalitaet des deutschsprachigen Suedtirolers immer noch eine
italienische und die des rumaenisch sprechenden Moldawiers eine
moldawische. Oder sollte der Suedtiroler sagen, er sei zwar
italienischer Nationalitaet, gehoere aber zur oesterreichische
Nation? Kann er vergessen, tut er nicht.

Aus guten Gruenden sollten gewisse Merkmale nicht im Reisepasz zu
finden sein, z.B. die Religionszugehoerigkeit, die als reine
Privatsache des Inhabers ebenso wie sexuelle Praeferenzen und
Ausrichtungen, die zum mehr oder weniger spannenden Intimleben
gehoeren, nicht zur Veroeffentlichung kommen sollten. Es geht
niemand etwas an, ob der Inhaber Buddhist, Jude, konfessionslos,
transsexuell oder ein christlicher Homosexueller ist. In dem Sinne
hat es Lynfield als erfreulich bezeichnet, dasz auch Israel
endlich daran denkt, die Religionszugehoerigkeit aus den
Personalausweisen zu verbannen. Ein Zeichen eines Schrittes in
Richtung Saekularisierung, notwendiger Modernisierung und
religioeser Entkrampfung im Nahen Osten - kann jemand darin auch
nur eine Spur von Antisemitismus erblicken? Ist es wirklich fuer
einen modernen Staat hilfreich, der sich noch dazu in einem
aeuszerst spannungsgeladenen, aber unverzichtbaren Friedensprozesz
befindet, zu betonen, dasz in Israel eigentlich nicht Israelis am
Werk sind, sondern eine Religionsgemeinschaft mit manchmal krasz
orthodoxer und in Richtung Palaestinenser nicht gerade
uebertoleranter Stoszrichtung? Ist das fuer manche auch schon
Antisemitismus? Israel oder die juedische Religionsgemeinschaft zu
kritisieren, musz genauso moeglich sein wie auf die USA oder denPapst zu
schimpfen. Niemand ist sakrosant, will er ernstgenommen
werden, und weder die Palaestinenser noch die Israelis sind das
auserwaehlte Volk, sondern muessen zwangslaeufig einen Weg finden,
in friedlicher Koexistenz miteinander zu leben. Wenn manche
Gruppen Israel nur mit dem Holocaust gleichsetzen, und andere den
Palaestinensern wuenschen, sie moegen die Juden endlich "ins Meer
werfen", um ihr Land zurueckzugewinnen, soll es bitte auch
Menschen geben, die gegenueber beiden Positionen einen kritischen
Zugang haben. Und die sollten bitte nicht einerseits als
Antisemiten und andererseits als Knechte des Imperialismus
bezeichnet werden. *Die Redaktion*
 

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