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DEBATTE "BRD: Lafontaines Rücktritt"



 
 
Beitrag Autor Datum
Salut fuer einen Sozialdemokraten *Bernhard Redl* 17-03-1999


BRD:

> Salut fuer einen Sozialdemokraten

Ueber das Rote und das Gruene im neuen Deutschland

Haerter hat schon lange keiner mehr mit der deutschen
Sozialdemokratie geredet: "Das Herz wird noch nicht an der Boerse
gehandelt. Aber es hat einen Standort. Es schlaegt links."
Das sagte Oskar Lafontaine am letzten Sonntag, drei Tage nach
seinem Ruecktritt.

Welcher Minister legt sein Amt schon nieder, weil man seine Ideale
mit Fueszen tritt? Welcher Parteichef wirft schon das Handtuch,
weil er nicht mehr mit den Ministern seiner Partei kann? Wenn man
so hoch oben angelangt ist, wenn man schon Chef einer
Laenderregierung war, da musz man doch alle seine Ideale schon
ueber Bord geworfen haben. Glaubt man.

Und dann kommt ein Oskar Lafontaine daher und straft diese
Verallgemeinerung Luegen. Es stimmt schon, keine Regel ohne
Ausnahme. Sicher spielten private Gruende bei seinem Ruecktritt
auch mit. Vielleicht war auch die Aktion Lafontaines nur ein
taktischer Rueckzug, um mit der Gloriole des moralisch integeren
Politikers gestaerkt auf die politische Buehne zurueckzukehren.

Aber ich glaube irgendwo doch noch an das Gute im Menschen, selbst
im Sozialdemokraten. Ich habe einen wunderbaren Verdacht: Es gibt
ihn noch in den hoeheren Etagen, den politischen Stolz.

Lafontaine wollte durchgreifen in der Wirtschaftspolitik. Das
Versprechen, das der neue Auszenminister Fischer gegeben hatte,
dasz in seinem Ressort sich eigentlich gar nichts aendern wuerde,
war der Finanzminister fuer seinen Bereich nicht bereit, zu geben.
Im Gegenteil: Bei seinem Antritt erkaempfte er sich zusaetziche
Kompetenzen des Wirtschaftsministeriums und erklaerte, sich sehr
wohl in Fragen der Euro-Politik einzumischen. Mit Lafontaine
haette die deutsche Wirtschaftspolitik so ihre Vorstellungen von
einer "Neuen Mitte" genauso begraben koennen, wie die Europaeische
Zentralbank ihre Geldpolitik ohne Kontrolle durch gewaehlte
Mandatare. Sicher, man haette annehmen koennen, dasz auch
Lafontaine nicht so heisz haette essen lassen, wie er bei
Amtsantritt als Minister gekocht hatte. Nach seinem konsequenten
Ruecktritt kann man sicher sein: Er haette seine Gerichte sehr
heisz und mit ziemlich viel Pfeffer serviert. Denn wenn einer als
SPD-Chef und Finanzminister abtritt mit so scharfen Worten, dann
kann man annehmen, dasz es ihm mit seinen Grundsaetzen ernst war.

Lafontaine war kein linker Systemkritiker, beileibe nicht. Fuer
Kritik von links war bei seiner Politik immer noch genug Platz.
Aber das, was ihm moeglich schien, hatte er begonnen,
durchzusetzen. Er wuszte noch, dasz Politik machen bedeutet, auch
die Wirtschaft zu gestalten, und nicht die "Erfordernisse des
Marktes" als gottgegeben hinzunehmen.

Und an diesem Superfinanzminister kam man nicht so leicht vorbei.
Also muszte man seine Vorgangsweise in der Oeffentlichkeit
schlecht machen -- mit Hilfe der Presse und dem aeuszerst
lautstark stillschweigenden Einverstaendnis der anderen Ministerdazu.

Der Rest der deutschen Regierung hat alles getan, die
Finanzpolitik zu desavouieren, um dann sagen zu koennen, dieser
Finanzminister sei in der Oeffentlichkeit nicht tragbar.
Lafontaine ging nicht, weil er seine Politik nicht durchgesetzt
haette, sondern weil man ihn hinausgeekelt hat. Das schlechte
"Mannschaftsspiel" stank ihm zu sehr: "Ein Beispiel: Waehrend wir
die Mittelstaendler um fuenf Milliarden [Mark] entlasten,
diskutiert die Mannschaft darueber, ob wir eine
wirtschaftsfeindliche Politik machen. Das verstehe, wer will."
versuchte er seinen Ruecktritt verstaendlich zu machen.

Der SPD hat Lafontaine vielleicht nicht damit geholfen. Das
bisserl Ehre aber, das die gesamte westeuropaeische
Sozialdemokratie noch hatte, hat er gerettet.

Joschka Fischer hingegen hatte nichts anderes zu tun, als sofort
dem Kanzler zu bestaetigen, dasz das Klima im Ministerrat
ausgezeichnet sei. Der gruene Fraktionsvorsitzende Rezzo
Schlauch kuendigte an, die Gruenen werden sich jetzt mit der SPD
fuer "positive Signale fuer die Wirtschaft" einsetzen.

Es ist erschuetternd, dasz die deutschen Gruenen sich vom nunmehr
ehemaligen SPD-Chef zeigen lassen muessen, was politische
Glaubwuerdigkeit bedeutet.                      *Bernhard Redl*
 



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