Abtreibungsgesetz in Mexiko-Stadt liberalisiert |
Geschrieben von Wolf-Dieter Vogel / poonal | |
Freitag, 4. Mai 2007 | |
Die „Lebenschützer“ konnten sich nicht durchsetzen. Trotz massiver Medienkampagnen, Plakatwänden und Morddrohungen hat das Parlament von Mexiko-Stadt Ende April beschlossen, das Abtreibungsrecht weitgehend zu liberalisieren. Die UnterstützerInnen der Liberalisierung wie Marcel Ebrard, der Bürgermeister von Mexiko - Stadt von der "Partei der demokratischen Revolution" (PRD), wurden daraufhin von der katholischen Kirche exkommuniziert. Das Gesetz dürfte dennoch eine weitreichende Signalwirkung für Mexiko und Lateinamerika haben. Bis zur zwölften Schwangerschaftswoche können Frauen in der mexikanischen Hauptstadt künftig straffrei abtreiben. Wenn die Betroffenen vergewaltigt wurden, der Fötus Missbildungen aufzeigt oder das Leben der Frau in Gefahr ist, darf auch danach noch eine Schwangerschaft abgebrochen werden. Für diese Reform stimmten 46 Abgeordnete, 17 Parlamentarier der rechtskonservativen Partei der Nationalen Aktion (PAN) sowie zwei grüne Abgeordnete votierten dagegen.Der Abstimmung gingen monatelange Auseinandersetzungen voraus. Vor allem die katholische Kirchenhierarchie sowie die PAN hatten gegen den Vorschlag mobil gemacht, der von der in der Stadt regierenden linksliberalen Partei der Demokratischen Revolution (PRD) eingebracht worden war. Für die Reformierung des Abtreibungsrechts sprachen sich neben PRD-Politikern und autonomen feministischen Organisationen auch Aktivistinnen wie die „Katholikinnen für das Recht auf Entscheidungsfreiheit“ aus. Am Sonntag vor der Abstimmung hatten die Abtreibungsgegner einen „Pilgermarsch für das Leben“ durchgeführt, kurz zuvor hatte sogar Papst Benedikt XVI dazu aufgerufen, das „Recht auf Leben“ gegen alle Angriffe der „Todeskultur“ zu verteidigen. Der Bischof des Bundesstaates Chiapas verglich die Abtreibungsbefürworter mit Hitler, Abgeordnete, die den Reformentwurf unterstützten, erhielten Briefe mit Morddrohungen. Am Tag der Abstimmung schützten mehrere Hundertschaften der Polizei das Parlamentsgebäude vor aufgebrachten Abtreibungsgegnern. Frauenorganisationen, PRD-Mitglieder und andere Befürworter der Initiative verfolgten auf Großleinwänden die Debatte und feierten die Liberalisierung des Gesetzes im Zentrum der Stadt mit Live-Musik und Partys. Wenige Tage nach Verabschiedung des neuen Gesetzes exkommunizierte die katholische Kirche Unterstützer der Reform. So zum Beispiel Marcel Ebrard (PRD), den Bürgermeister von Mexiko-Stadt. Auch die Abgeordneten, die für das Recht auf Abtreibung votierten, wurden aus der Kirche ausgeschlossen. Der mexikanische Kardinal Norberto Rivera rief zum Ungehorsam gegen das Gesetz auf. Künftig haben Frauen, die abtreiben müssen, in Mexiko-Stadt das Recht auf kostenlose medizinische, soziale und psychologische Unterstützung. Zudem will die Stadtregierung mehr Informationen über Gesundheit und Sexualerziehung verteilen. Die Krankenhäuser stellen sich auf eine Zunahme der Eingriffe ein. Experten gehen davon aus, dass auf die bisher etwa 7000 legal durchgeführten Schwangerschaftsabbrüche jeweils vier illegale kommen. Die Regierung spricht von 100.000 Abtreibungen, die in ganz Mexiko jährlich durchgeführt werden, unabhängige Organisationen rechnen mit dem Fünffachen. Die Kriminalisierung der Abtreibung betreffe vor allem die Unterschichten, erklärten Vertreterinnen feministischer Gruppen und verwiesen auf die hohen Kosten, die mit dem illegalen Eingriff verbunden sind. Zwischen 2500 und 5000 Pesos (170 bis 340 Euro) müssen Frauen in klandestinen Kliniken bezahlen, für viele ist das mehr als ein monatliches Familieneinkommen. Die Entscheidung wird weit über die Hauptstadt hinaus Signalwirkung haben. Mexiko ist mit 90 Prozent Katholiken nach Brasilien das Land mit der weltweit zweitgrößten katholischen Gemeinde. In allen mexikanischen Bundesstaaten gelten bislang strengere Regelungen für die Abtreibung, als sie nun in Mexiko-Stadt verabschiedet wurden, die nun in Frage gestellt werden könnten. Denn auch auf bundesweiter Ebene liegt ein Reformentwurf vor. Der rechtskonservative Präsident Felipe Calderón (PAN) hat zwar bereits Widerstand angekündigt, seine Partei verfügt jedoch im Bundesparlament nicht über die nötige Mehrheit, um das Projekt zu Fall zu bringen. In der Abstimmung der vergangen Woche hatten sich neben den PRD-Abgeordneten auch fast alle Vertreter der dritten großen Partei, der Partei der Institutionellen Revolution (PRI), für die Reform ausgesprochen. In Lateinamerika ist das neue Abtreibungsrecht der mexikanischen Hauptstadt beinahe einmalig: nur in Kuba, Guyana und im an die USA angebundenen Puerto Rico sind Schwangerschaftsabbrüche straffrei. In Chile, Honduras, El Salvador und seit einen halben Jahr auch in Nicaragua ist der Eingriff unter allen Umständen verboten. |
< zurück | weiter > |
---|