Die Trojaner hätten gut daran getan, das griechische Geschenk nicht anzunehmen. Die östereichische Politik will aber wieder einmal nicht aus der Geschichte lernen — ein Offener Brief an Justizministerin Maria Berger
Sehr geehrte Frau Minister!
Mit Schrecken mußte ich heute dem ORF entnehmen, daß sich ÖVP und Polizei schon wieder durchgesetzt haben. Zwar wurde heute ein ranghoher Polizist unter anderem für illegale Datenweitergabe verurteilt, doch am selben Tag einigen Sie sich mit dem Innenminister darauf, daß Ermittlungsbehörden noch mehr Möglichkeiten bekommen sollen, Schindluder zu betreiben! Und bitte, schicken Sie mir jetzt keinen Schimmelbrief, in dem drinsteht, daß das doch eh nur bei Verdacht auf schwere Delikte und mit richterlicher Genehmigung zur Anwendung kommen wird - das Problem ist, daß, wenn die Polizei mal so ein Mittel in der Hand hat, das man auch noch bequem und vom Büro aus und ohne großen Personalaufwand einsetzen kann - im Gegensatz zu einer realen Hausdurchsuchung -, die Polizei dieses Mittel auch für Dinge einsetzen wird, für die sie keinen Befehl hat: Zum Beispiel für das Wühlen in Computern kritischer Bürger oder zur Aufbesserung des Staatsgehalts mittels Industriespionage.
Schwerverbrecher hingegen verstehen sich zu schützen, bei denen wird so ein läppisches Programm weder Eindruck schinden noch Erfolg haben. Aber bei Normalbürgern wird die Polizei lustig auf den Festplatten wühlen können.
Und: Zum Abhören von Emailverkehr und Surfverhalten, wie immer wieder von der Polizei kolportiert wird, braucht man keinen Trojaner, das kann man auch beim Internetprovider erledigen. Nur: Der verlangt halt einen richterlichen Befehl. Offensichtlich geht es der Polizei tatsächlich darum, erstens ein neues Spielzeug in die Hände zu bekommen und zweitens wirklich alles auf der Festplatte zu inspizieren.
Gerade jetzt wird vor dem deutschen Bundesverfassungsgerichtshof die Zulässigkeit dieser Technik diskutiert - ganz offensichtlich wollte der Innenminister da noch schnell Nägel mit Köpfen machen, bevor Verfassungsjuristen (das deutsche Verfassungsrecht ist ja diesbezüglich dem österreichischen sehr ähnlich) eine Erklärung abgeben, die zwar rechtlich nicht für Österreich bindend wäre, aber hierzulande die Skepsis unter Juristen verstärken würde. Oder haben sie die Warnung des österreichischen Verfassungsgerichtshofspräsidenten zum Thema Überwachung nicht gehört?
Daß das Innenministerium und die ÖVP die Bedenken zur Seite schieben, verstehe ich. Aber warum tun sie das?
MfG Bernhard Redl
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