Lissabon-Skepsis vor dem Referendum in Irland |
Geschrieben von Irish Republican Correspondent | |
Freitag, 25. April 2008 | |
Auch in Irland, dem einzigen EU-Mitgliedsstaat, wo der Lissabon-Vertrag einem Referendum unterworfen wird, herrscht Skepsis. Die Regierung und Großbritannien versuchen daher, die Vorzüge der EU im allgemeinen ins Zentrum der Kampagne zu stellen. Streit nach Veröffentlichung geheimer Regierungsdokumente Am 15. April wurde eine geheime Gesprächsmitschrift des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten der 26 Counties (d.i. die Republik Irland) veröffentlicht. Sprecher des Ministeriums zeigten sich darüber „peinlich berührt“. In dem Dokument umreißt ein hochrangiger britischer Diplomat seine Strategie, wie seiner Meinung nach das Referendum über den Lissabon-Vertrag bewerkstelligt werden solle. Weiters heißt es, die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Margot Wallström, versicherte dem Außenminister der 26-Counties, Dermot Ahern, „die Kommission sei gewillt alle Mitteilungen, die nicht hilfreich seien, zurückzuschrauben“ in Hinblick auf das Referendum über den Lissabon-Vertrag. Ebenso ist zu lesen, dass der hochrangige Vertreter des Außenamtes, Dan Mulhall, erklärte, dass Referendum werde eher Juni als im Oktober abgehalten, denn dies würde „das Risiko bezüglich gewisser Entwicklungen, vor allem in der Frage der [militärischen] EU-Verteidigung, während der französischen Präsidentschaft senken“. In diesem Zusammenhang wird der französische Präsident Nicolas Sarkozy als „völlig unberechenbar“ dargestellt. Frankreich wird die EU-Präsidentschaft von Juli bis Dezember dieses Jahres innehaben. Die Position der Regierung der 26-Counties wird im Dokument wie folgt dargestellt: „Viele Menschen würden keine Zeit haben, den Text ausreichend zu studieren und so würden sie den Politkern folgen, denen sie vertrauen.“ Daher müsse „das Ziel sein, den Focus der Kampagne auf die gesamten Vorzüge der EU zu legen und nicht nur auf den Vertrag selbst“. Mulhall betont auch, dass er sich Sorgen mache, wie das „Abkommen mit der Welthandelsorganisation dargestellt werden wird, denn es (das WTO-Abkommen, Anm. IRC) könnte zu mächtigen Farmerkonzernen führen und so die Unterstützung [für den Vertrag] schmälern“. „Die Haltung der Regierung wurde im Detail ausformuliert und in die Öffentlichkeit gebracht vom Taoiseach (der scheidende Premierminister Bertie Ahern, Anm. IRC), dem Außenminister Dermot Ahern und dem Minister zuständig für Europäische Angelegenheiten, Dick Roche“, fügte er noch hinzu. Die Kampagne gegen den Lissabon-Vertrag reagierte entrüstet auf die Zeitungsberichte und forderte die Regierung der 26-Counties auf, klar zu stellen, was sie mit der britischen Regierung über das Referendum besprochen habe. In einer Stellungnahme meinte der Vizepräsident von Republican Sinn Féin, Des Dalton: „Der veröffentlichte E-Mail-Verkehr der britischen Diplomaten ist sehr aufschlussreich, denn er zeigt, dass die Regierung versucht die Menschen zum Narren zu halten. Eine Kampagne der Des- und Falschinformation wird betrieben, aber das kommt überhaupt nicht überraschend“. Er fuhr fort, dass derartige Absprachen der Regierung mit der politischen Elite der EU ihre Verachtung gegenüber der irischen Bevölkerung zeigen würden. Der Verweis auf die Gefahr „nicht hilfreicher Entwicklungen“ in Zusammenhang mit der Militärpolitik der EU während der französischen EU-Präsidentschaft untergräbt das Argument, dass der Lissabon-Vertrag keine Auswirkungen auf die irische Neutralität hätte. Es unterstreicht dagegen vielmehr, dass der Lissabon-Vertrag den Weg für eine militärische Supermacht pflastert. Die Mitschrift zeigt klar, dass die politische Elite den EU-Vertrag, der 2005 bereits von der Bevölkerung Frankreichs und der Niederlande abgelehnt wurde, der irischen Bevölkerung um jeden Preis aufdrücken wolle. „Solche Taktiken dürfen nicht akzeptiert werden. Die Menschen sollen so von der zentralen Frage des Vertrages abgelenkt werden, nämlich den Angriffen auf Demokratie, Souveränität und Neutralität“, betonte Dalton. Die Abgeordnete zum Europäischen Parlament Kathy Sinnott aus Munster sagte, sie sei „wenig überrascht“ von der durchgesickerten Information, die zeige, der Regierung sei versichert worden, dass ungünstige Gesetzgebung bis nach dem Referendum zurückgestellt werde. „Ich halte das alles für sehr bedauerlich und es führt uns vor Augen, welche Demokratie wir erfahren werden, wenn der Lissabon-Vertrag in Kraft tritt“, fuhr sie fort. Im Folgenden zitieren wir den Text des E-Mails, das die Tageszeitung Irish Times am 16. April abdruckte. Es handelt von einem Briefing Dan Mulhalls, dem Direktor der EU-Abteilung des Außenministeriums der 26-Counties, über das Referendum zum Lissabon-Vertrag: „Der Gesetzesentwurf ist für Laien weitgehend unverständlich und wurde nach langen Beratungen zwischen Regierung, Anwälten und politischen Parteien beschlossen. Das Gesetz würde in der zweiten Aprilwoche in das Parlament kommen und zwei Wochen brauchen, um es zu durchlaufen und um den 22. April angenommen werden. Der Umweltminister würde dann einen Zeitpunkt für das Abhalten des Referendums nennen, frühestens 30 und spätestens 90 Tage nach der Annahme der Verordnung. Technisch betrachtet sehen der [zukünftige] Taoiseach und Ahern einen leichten Vorteil der Nein-Kampagne. Der 29. Mai ist der Punkt, von dem in Arbeitsplänen ausgegangen wird. Mulhall meinte, ein Termin im Oktober wäre aus verfahrenstechnischer Sicht einfacher, aber die nicht hilfreichen Entwicklungen während der französischen EU-Präsidentschaft - besonders in der Frage der EU-Verteidigung - sind zu groß. Sarkozy ist völlig unberechenbar. Das einzige andere schädliche Ereignis, dass die Iren erwarten, seien die Auswirkungen des WTO-Abkommens über landwirtschaftliche Lizenzen, die zur Entstehung mächtiger Farmerkonzerne führen könnten und die Unterstützung schmälern würden. Ich sah den Zeitplan der Ratifizierung des britischen Parlaments durch und bemerkte, dass die Abstimmung am 5. März ein sehr sensibler Moment sei. Mulhall wies darauf hin, dass die Medien derzeit relativ ruhig bezüglich des Ratifizierungsprozesses seien. Wir müssen weiterhin in engem Kontakt über die Arbeit mit den Medien sein. Über Partner, einschließlich der Kommission, erwähnte Mulhall, dass diese eine hilfreiche, unauffällige Rolle spielen würden. Vizepräsident Margit Wallstrom war kürzlich in Dublin und erklärte Dermot Ahern, dass die Kommission gewillt sei, nicht hilfreiche Nachrichten herunterzuspielen oder ganz nach hinten zu verschieben. Die Iren sehen den Vertrag also als selbstverständlich an, David Miliband nicht. Viele Menschen hätten nicht mehr genug Zeit, den Text zu lesen und werden daher den Politikern folgen, denen sie vertrauen.“ 24. April 2008 |
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