In Vicenza, wo die USA ihre bereits massive Truppenpräsenz noch ausbauen wollen, plant die antiimperialistische Bewegung eine große Mobilisierung Mitte Dezember.
Eine Möglichkeit, unmittelbar in die US-Mordmaschinerie einzugreifen und Sand ins Getriebe zu streuen, bietet das nunmehr für den 14., 15. und 16. Dezember festgelegte internationale strategische Treffen europäischer Bewegungen in Vicenza, sowie eine in dessen Rahmen stattfindende internationale Kundgebung gegen den geplanten Stützpunkt Dal Molin, die am 15. Dezember stattfindet.
Die dort bereits bestehende Riesenkaserne der Amerikaner ("Caserma Ederle") hat, neben Aviano, der derzeit größten US-Basis Italiens und dem toskanischen Camp Derby, eine zentrale Funktion bei den Kriegen gegen den Irak und Afghanistan; mit der Errichtung des neuen Stützpunktes Dal Molin (Betonung auf dem i) wird, wie es die GegnerInnen des Projekts formulieren, de facto ganz Vicenza zu einer einzigen US-Basis. Am Stadtrand und wahrscheinlich auch noch in einer angrenzenden Gemeinde wird außerdem eine riesige Barackenstadt für die neu zuziehenden Mannschaften gebaut, und zahlreiche, in den Bergen versteckte, zum Teil unterirdische Stützpunkte werden derzeit ausgebaut. Zum bekämpften Stützpunkt Dal Molin, der künftig größten US-Basis Europas und Schaltzentrale für die kommenden Kriege, die sich gegen die Bevölkerung Irans und Syriens richten werden, kommt also eine Reihe von weiteren Strukturen hinzu, deren Bedeutung noch gar nicht abzuschätzen ist.
Wer diese Kriege aufhalten will, der sollte den Anlaß der internationalen Aktionstage in Vicenza nicht vorbeigehen lassen.
Bei der Bewegung in Vicenza geht es aber nicht nur um Ederle oder den künftigen Stützpunkt Dal Molin, die bestehende Basis und die kommende Basis, es geht auch nicht bloß um den Kampf gegen alle US-Basen in Italien (etwa die in Càmeri bei Novara, die für die Endmontage der F 35 vorgesehen ist; die Einrichtung wird in Zukunft auch für die Wartung der Eurofighter dienen!), es geht um einen europaweiten Kampf gegen die US-Basen in Europa. Damit darf aber auch nicht der mindeste Ansatz eines europäischen Neo-Nationalismus verbunden sein, genauso wie die Stärkung des Konzepts EU-Imperialismus versus Vereinigte Staaten vermieden werden muß.
Die BasisgegnerInnen lehnen unterschiedslos alle Basen ab, eigene und "fremde", aber die Fokussierung auf US-Basen ist durchaus legitim und wird natürlich auch von vielen Seiten mit der massiven Einschränkung der nationalen Souveränität untermauert, die eine konkrete Konsequenz der US-Kriegsführung in den europäischen Ländern darstellt.
Vicenza als europäischer Mobilisierungsort ist aus zwei Gründen wichtig: Erstens weil diese Bewegung, von Forza Italia, Lega, Alleanza Nazionale und noch weitereren, ganz extremen faschistischen Organisationen bedroht und angegriffen und noch dazu von der "linken" Regierung verraten, ja bekämpft, unsere Solidarität dringend braucht; zweitens , weil eine virtuelle gesamteuropäische Bewegung gegen (US-)Militärbasen derzeit in Vicenza zu ihrer größten Entfaltung gelangt ist, und das, weil sie sich sowohl auf die erfahrensten Gruppen der radikalen, außerinstitutionellen Linken (wobei die dabei wichtigen disobbedienti mit ihrer Verbindung zu den Grünen eine Hybridform darstellen), als auch auf eine regelrechte Massenbewegung stützen kann. Daher ist die Mobilisierung in Vicenza die ureigenste Angelegenheit aller anderen antiimperialistischen Bewegungen: Vicenza setzt sich für die europäische Bewegung ein, die europäische Bewegung für Vicenza.
Wenn dort Dal Molin abgeschafft wird und in der Folge – damit haben die Amerikaner gegenüber der lokalen Wirtschaft schon gedroht – auch Ederle zugesperrt wird (uns sollte es nicht leid tun), dann wäre dies ein unerhörter Erfolg für die italienische Bewegung und damit auch – wenn sie sich mit der italienischen zu verbünden weiß! – für die europäische.
Insofern sind die Mobilisirerungstage in Vicenza nur ein Ausdruck eines dislozierten Dauerkampfes, zu dessen Dezembertermin die egalitär ausgerichtete Dauerversammlung, das presidio permanente, in der die Bewegung ihrer organisatorische Form, ihre plenarische Führung gefunden hat, alle KriegsgegnerInnen Europas aufruft.
Man kann sicher sein, daß dieses europäische Treffen genau so gut organisiert sein wird, wie das der Mobilisierungswoche im September, die noch nicht als internationale konzipiert war und bei der die compagni des centro sociale Capannone sociale aus Vicenza, die des centro sociale Pedro aus Padua und andere das Camp und die Bühne aufbauten, das presidio und die Bevölkerung für die Verpflegung sorgten, die Öffentlichkeitsarbeit vom presidio und die Mobilisierung von allen getragen wurde. Insgesamt 200 freiwillige Helfer waren im Dauereinsatz. Zu zwei Terminen waren außerdem Dutzende Gruppen aus ganz Italien anwesend, die dem großen Mobilisierungsnetzwerk Patto del mutuo soccorso angehören und in dem gleichermaßen AktivistInnen gegen miliärische Stützpunkte wie umweltschädliche Großprojekte (grandi òpere, Betonung auf dem o!) miteinander vernetzt sind. Die Bewegung ist so groß, daß ihre Kapazität leicht für die Camp-Bewohner des September-Camps, die Massen, die jeden Abend aus der Stadt und aus der Umgebung das Camp bevölkerten sowie für die aus anderen Teilen Italiens herangereisten AktivistInnen reichte. Und dabei erfuhr man eine unmittelbare, unbedingte Freundschaft, Freundschaftlichkeit, Gastfreundschaft, Herzlichkeit – Herz lebendiger Politik. Diesen subjektiven Faktor hat übrigens auch Luca Casarini von den disobbedienti auf einer Abendveranstaltung zum Thema eines sehr lebhaften Beitrags gemacht.
Im Dezember wird es also eine erste internationale Ergänzung dieses Projekts geben. Bei diesem Termin wird auch eine Reihe von internationalen Diskutanten wie Noam Chomsky sprechen. Die lokalen Zeitungen sind schon voll davon.
Kurz vor dieser Veranstaltung wird mit Sicherheit routinemäßig und mechanisch das Gespenst des „black bloc“, wie man es in Italien schreibt und wohl auch der dahinstürmenden Roten Brigaden, die Vicenza in Schutt und Asche legen wollen, heraufbeschworen werden. Man wird nicht zögern, das Gespenst eines gesamteuropäischen ad-hoc-Terrorismus zu konstruieren. Die Bewegung in Vicenza ist aber – auf die Mentalität der Bewohner Rücksicht nehmend, eine absolut gewaltfreie, bisher mit nur einem kleinen versuchten Brandanschlag am Rande. Das Durchschneiden von Kabeln wird vom presidio akzeptiert
Die Stärke der Bewegung ist ihre Öffentlichkeitsarbeit, ihre Breite und die Fähigkeit, permanent im öffentlichen Raum zu intervenieren, zu stören und diesen Raum umzufunktionieren.
Wir müssen uns auf ein gewisses Ausmaß einer Drohkampagne einstellen, aber das ist Polizeiroutine.
Der Terror sitzt in Rom und im Pentagon.
Es wäre schön, wenn aus jedem europäischen Land fünf Autobusse nach Vicenza kämen.
In der Rubrik Dokumente findet sich eine Übersetzung des offiziellen Aufrufs.
Quelle: Da Vicenza all´Europa (dies ist der wörtliche Titel, den wir hier etwas modifiziert haben: “Von Vicenza nach Europa!”) http://www.altravicenza.org/index.php? =283&Itemid=72
Vergleiche auch:
Aug und Ohr: Vicenza! Campo Antimperialista, Februar 2007-09-28 http://www.antiimperialista.org/index.php? =5103&Itemid=82
ein erster Versuch, einige wesentliche Eigenschaften der Bewegung zusammenzufassen
Aug und Ohr: Nessuna firma ci ferma! Indymedia Deutschland, 26. 6. 2007 http://de.indymedia.org/2007/06/186192.shtml
Aug und Ohr: Grossmobilisierung gegen die Mordmaschinerie! Indymedia Deutschland, 14.09.2007 http://de.indymedia.org/2007/09/194256.shtml
Und eine außergewöhnlich gute Zusammenfassung in Englisch, die die wichtigsten Aspekte der Mobilisierung sehr anschaulich herausarbeitet. Hervorgehoben wird darin auch der Stützpunkt Pluto in Longare bei Vicenza und die Atomwaffen, die dort gelagert waren, die die Ursache waren für eine Reihe von Erkrankungen und auch Todesfällen aufgrund von Leukämie.
Uli Schmetzer : Italy, PEOPLE’S POWER and U.S.PLUTONIUM Indymedia Deutschland, 16. 5. 2007 http://de.indymedia.org/2007/05/177236.shtml
Siehe zur Illustrierung eines aktuellen Konflikts auch: Gewerkschaftsforum Hannover: COBAS: Bewegung gegen Krieg + Regierung Indymedia Deutschland , 8.03.2007 http://de.indymedia.org/2007/03/170332.shtml
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