Der Ausdruck "Folterministerin" gilt als üble Nachrde. Daß das österreichische Asylrecht zumindest psychische Folter legalisiert, ist jetzt gerichtlich bestätigt. Eine optimistische Lesart des Urteils im Prokop-Prozeß durch den verurteilten Michael Genner.
Sensationelle Urteilsbegründung im Prokop-Prozeß
Lucie Heindl-Koenig, eine junge, engagierte Richterin, hat mich, wie berichtet, wegen „übler Nachrede“ gegen Liese Prokop zu einer Geldstrafe verurteilt. Dagegen werden wir Rechtsmittel ergreifen. Dabei darf man aber eines nicht übersehen: Die Urteilsbegründung ist eine Sensation und für unseren weiteren Kampf gegen das herrschende Asyl-Unrecht von unschätzbarem Wert.
Wie erinnerlich, hatten wir den Wahrheitsbeweis angeboten. Wir hatten zahlreiche Zeugen genannt, die aus eigenem Erleben berichten konnten, welches Leid den traumatisierten Flüchtlingen durch die Schubhaft zugefügt wird; dass es sich dabei um psychische Folter handelt. Damit wollten wir beweisen, dass der Ausdruck „Folterministerin“ für Liese Prokop gerechtfertigt ist.
Lucie Heindl-Koenig hat unsere Zeugen alle abgelehnt. Aber begründet hat sie diese Entscheidung, indem sie uns in der Sache recht gab: Was die Zeugen berichten könnten, sei dem Gericht ohnedies notorisch bekannt. „Natürlich gibt es psychische Folter für in Schubhaft Genommene“, so die Richterin. Klar sei auch, dass Schubhäftlinge misshandelt, gedemütigt und von ihren Familien getrennt würden.
Und weil das alles ohnedies klar ist, braucht es von uns nicht bewiesen zu werden.
Trotzdem, meinte sie, dürfe ich Frau Prokop – die als zuständige Ministerin und Gesetzesgeberin für all das die Verantwortung trägt – nicht als „Ministerin für Folter“ bezeichnen.
Und auch nicht als „Ministerin für Deportation“, obwohl Bundeskanzler Schüssel im Fernsehen geprahlt hatte, dank Prokops Gesetz könne man 6000 Fremde im Jahr „zwangsdeportieren“.
„Ministerin für Folter und Deportation“ sei ein „Wertungsexzess“, durch den Frau Prokop ins „nationalsozialistische Eck“ gestellt werde. „Das ist mir zu weit gegangen“.
Trotzdem, so die Richterin, sei es weiterhin meine Aufgabe, als Obmann von Asyl in Not Gesetze anzuprangern. „Er darf es nicht nur, er soll es auch.“ Das sei „nicht nur wichtig, sondern auch richtig.“
Über diese Nuance, ob eine Ministerin, die psychische Folter zu verantworten hat, als Ministerin für Folter bezeichnet werden darf, werden nun andere Instanzen (Oberlandesgericht, Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte) zu entscheiden haben.
Aber eigentlich ist es gar nicht mehr so wichtig. Für mich ist entscheidend, dass die Richterin selbst den Begriff „psychische Folter“ verwendet für das, was mit Flüchtlingen Tag für Tag in der Schubhaft geschieht.
Es ist Folter. Das ist nun vom Gericht festgestellt. Und das muß Folgen haben.
Das Prokop’sche Gesetzesmachwerk, das Folter möglich macht, muß weg. Die Beamten, die die Folter vollziehen, müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Und das schnell.
In diesem Sinn ist das Urteil vom 19. September ein großer Erfolg. Diesen Erfolg hat Asyl in Not für alle NGOs erfochten. Und dafür hat sich manche Mühe gelohnt.
Michael Genner Obmann von Asyl in Not
|