Zehn Jahre nach dem Welternährungsgipfel blockiert der Norden Initiativen für Landreformen im Süden. Eine der wirksamsten Maßnahmen der Hungerbekämpfung wurde nicht aufgegriffen. Die Hungerzahlen steigen weiter.
Die Sondersitzung der Welternährungsorganisation FAO ist vergangene Woche in Rom ohne substanzielle Ergebnisse zu Ende gegangen. "Die Abschlusserklärung nennt weder Ursachen für die steigenden Hungerzahlen, noch hat sie die wichtigsten neuen Impulse zur Umsetzung des Rechts auf Nahrung aufgegriffen, die von Staaten und der Zivilgesellschaft eingebracht wurden", erklärte Gertrude Klaffenböck von FIAN Österreich. 1996 hatten die Regierungen auf dem Welternährungsgipfel versprochen, die Anzahl der Hungernden bis 2015 zu halbieren. Nach der diesjährigen Halbzeitbilanz der FAO ist die Anzahl seither auf 854 Millionen angestiegen.
Auf der einwöchigen Sitzung hatten sich Brasilien und die meisten anderen Regierungen des Südens für ein neues Programm der FAO zur Förderung von Land- und Agrarreformen eingesetzt. Aufgrund des starken Widerstands der EU, USA, Kanada und Japan wurde die Diskussion darüber auf 2007 vertagt und an den Landwirtschaftsausschuss der FAO delegiert, der Agrarreformen traditionell skeptisch gegenüber steht. Dies ist umso bedauerlicher, als unter der EU-Präsidentschaft Österreichs durch die konstruktive Verhandlungsführung ein wichtiger Schritt eröffnet wurde für die Impulse, das Recht auf Nahrung umzusetzen und damit dem weltweiten Hunger wirksam zu begegnen. "Leider beharren manche Mitgliedstaaten der EU nach wie vor auf ihrer Skepsis bis hin zur Anti-Haltung gegenüber echten Agrarreformen, selbst wenn diese vielfach ihre nachhaltige Wirkung als Maßnahme gegen Hunger längst bewiesen haben. Es ist daher nicht nachvollziehbar, dass die reichen Staaten den Entwicklungsländern die Unterstützung versagen, die zur Hungerbekämpfung nötig wäre", so Klaffenböck. In den Freiwilligen Leitlinien zum Recht auf Nahrung, auf die sich alle FAO-Mitgliedstaaten 2004 einstimmig geeinigt hatten, ist der Zugang der ländlichen Armen zu produktiven Ressourcen wie Land bereits ein zentraler Bestandteil. "Insbesondere manche Mitgliedstaaten der EU bzw. die Kommission sollte ihre Blockadehaltung überdenken und bei der kommenden Ratssitzung der FAO am 20.-25. November die Position der Entwicklungsländer unterstützen."
Der einzige Bereich in dem seit dem Welternährungsgipfel von 1996 tatsächlich Fortschritte erzielt wurden ist das Recht auf Nahrung. Mit den Allgemeinen Rechtsauslegungen zum Recht auf Nahrung und der Verabschiedung von Freiwilligen Leitlinien für die Implementierung dieses Rechts wurden normative Voraussetzungen geschaffen, die es allen Staaten ermöglichen, die Verwirklichung dieses grundlegenden Menschenrechts aktiv voranzubringen. "Umso verwunderlicher ist daher, das Verhalten der Staaten oder auch der FAO selbst, die in ihren vorgelegten Dokumenten kaum bzw. gar nicht auf diese Fortschritte bezugnahmen. Dies macht deutlich, dass die FAO und viele ihrer Mitgliedstaaten noch wenig Bewusstsein dafür entwickelt haben, welch nützliches Instrument mit den Freiwilligen Leitlinien für das Recht auf Nahrung geschaffen wurde und welche Wege der Umsetzung damit ermöglicht werden." So Gertrude Klaffenböck von FIAN Österreich.
Im Rahmen der 32. Sitzung des Komitee für Welternährungssicherung (Comittee on Food Security) der FAO war ein Sonderforum eingerichtet worden, in dem Resumee gezogen werden sollte über die Ergebnisse des Kampfes gegen Hunger. In eigenen Panels wurden Themen wie Hilfe und Investitionen, Agrarreformen und Ländliche Entwicklung oder Handel und Globalisierung behandelt. "Bisher haben nur wenige Staaten erkannt, dass Hunger vor allem eine Frage der ungerechten Verteilung ist. Der Weg der Hungerbekämpfung durch Produktivitäts- und Effizienzsteigerung wird seit mehreren Jahrzehnten beschritten, aber die bestehenden Nahrungsmittelüberschüsse zeigen, dass mit diesem Rezept nicht wirklich Hunger bekämpft werden konnte", erläutert Elfriede Schachner von der AGEZ.
Zu Beginn der FAO-Sitzung am 30. Oktober 2006 hatte FIAN in Berlin eine "Hungeruhr" gestartet und im Laufe der Woche mit öffentlichen Aktionen in mehreren Städten eine andere Hungerpolitik eingefordert. Am Ende der FAO-Sitzung am Samstag, 4. November 2006 zählte die Uhr 190.000 Menschen, die in dieser Zeit an den Folgen des Hungers gestorben waren.
Weitere Informationen zur Sondersitzung der FAO unter: http://www.fao.org/UNFAO/Bodies/cfs/cfs32/index_en.htm
Weitere Informationen zum Recht auf Nahrung und Landreformen: www.fian.at und www.fian.de |