Hurrrahh! Der König ist tot! Es lebe der König! Wer wäre nicht versucht gewesen, angesichts der überraschenden Nachricht, dass der kleine Mann mit den für ihn seit jeher viel zu großen Kanzlerschuhen plötzlich die Wahl verloren hat, von einer Wende in der österreichischen Innenpolitik zu sprechen.
Ein zweiter Blick auf die Wahlresultate zeigt jedoch, dass eigentlich die Verlierer zu den Siegern dieser Wahl geworden sind und dass die eigentlichen Sieger diejenigen waren, die gar nicht zur Wahl gegangen waren oder ungültig stimmten.
Ganz objektiv betrachtet haben beide Großparteien im Vergleich zur Nationalratswahl 2002 fast überall teilweise beträchtliche Einbußen erlitten: die ÖVP im Durchschnitt an die 7 %-Punkte und die SPÖ 0,8 %-Punkte. Währenddessen hatten alle anderen wahlwerbenden Parteien (wie die Grünen und die KPÖ, die FPÖ und das BZÖ, aber auch Hans Peter Martin) ihr Stimmenpotential im Vergleich zu 2002 zwar vergrößert bzw. erstmalig errungen, scheinen aber auf Grund der Arithmetik von vorneherein als Partner für eine Regierungskoalition nach dem heutigen Stand der Dinge aus.
Fragt man sich überdies, welcher Sektor der stimmberechtigten Bevölkerung bei diesen Nationalratswahlen am stärksten zugenommen hat, sieht man/frau sich mit der Tatsache konfrontiert, dass es die Nichtwähler bzw. diejenigen waren, die ungültig stimmten, weil sie sich mit keiner der wahlwerbenden Parteien und Gruppierungen identifizieren konnten.
Das Ergebnis: 1.574.351 ÖsterreicherInnen sind nicht wählen gegangen, und 82.871 haben ungültig gewählt. Die Steigerung der Ungültig-Wähler zu 2002: +14% Die Steigerung der Nicht-Wähler zu 2002: +69% !
Würde dieses Viertel der Stimmberechtigten ins Gesamtkalkül der Wahlresultate einbezogen werden, hätten die beiden Großparteien zusammen nur noch knapp 50% der Stimmen.
Diese Rechnung ist mehr als ein Zahlenspiel. Sie zeigt, wie wenig repräsentativ das in Österreich herrschende politische System in Wirklichkeit geworden ist. Stellt man noch dazu in Rechnung, dass das derzeit geltende System der Parteienförderung von vorneherein die größten und damit auch die reichsten Parteien begünstigt, erhebt sich zunächst einmal die ganz grundsätzliche Frage:
Wie repräsentativ ist unsere Demokratie überhaupt? Wird Österreich nicht schon längst von einer Parteienoligarchie beherrscht, die weder qualitativ noch quantitativ die Interessen der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung wiederspiegelt?
Diesmal war es besonders arg. Wie die Umfragen und die Wählerstromanalysen zeigen, zweifelten sehr viele Menschen bis zuletzt an ihrer Wahlentscheidung, die sie nur allzu oft aus taktischen Erwägungen trafen. Sie wählten weniger die Partei aus grundsätzlichen, programmatischen Erwägungen, sondern weil sie sich für „das kleinere Übel“ (im Falle der SPÖ) oder gegen das politische Establishment (FPÖ und HPM) entschieden.
Wie dem immer auch sei: eine Reform der gegenwärtig geltenden Systems der parlamentarischen Demokratie, die es auch zivilgesellschaftlichen Gruppierung möglich macht, sich an den Wahlprozessen zu beteiligen, ist dringend nötig! * Anm. DAZ: Mit der angesprochenen Wahlverweigerung beschäftigt sich auch eine neue Initiative: http://www.qualderwahl.at/ |