Am 20.Oktober demonstrierten Hunderttausende
AnhängerInnen der Linken in Rom gegen jede Form von Prekarität. Damit versuchte
die italienische Regierungslinke, auf Initiative des Partito della Rifondazione
Comunista (PRC), nach eineinhalb Jahren Prodi-Regierung deren Steuer endlich
nach links herumzureißen und eine antimilitaristische, soziale,
arbeiterfreundliche, antirepressive etc. Politik einzuleiten.
Von den vier Parteien der (sich selbst so nennenden)
Regierungslinken, die sich im kommenden Jahr organisatorisch zu einer
Vereinigten Linken zusammenschließen wollen, lehnte die Demokratische Linke (SD) von
Forschungsminister Fabio Mussi die Demonstration allerdings als „zu
regierungskritisch" ab und haben sich die Grünen aus demselben Grund nur
auf Sparflamme beteiligt. Dies ist nur eine der vielen Differenzen insbesondere
zwischen PRC und SD, die nicht nur mit der besonderen Regierungs- fixiertheit des
ehemaligen linken Flügels der Linksdemokraten (DS) zusammenhängen, sondern auch
mit dem starken Einfluss hoher Gewerkschaftsfunktionäre der CGIL, die ängstlich
um den Schutz der sog. „befreundeten Regierung" besorgt sind.
In einem Interview für die unabhängige linke Tageszeitung
„il manifesto" vom 9.9.2007 nimmt Fosco Giannini zu beiden Themenkomplexen
Stellung. Giannini (55) ist Chefredakteur der Zeitschrift „l'Ernesto"
(http://www.lernesto.it/) und zusammen mit dem PRC-Abgeordneten Gianluigi Pegolo
einer der führenden Köpfe der gleichnamigen linken Oppositionsströmung
innerhalb der Rifondazione.
Vor dem im April 2007 erfolgten Bruch mit der heute als
„Essere Comunisti" (Kommunisten Sein) firmierenden Gruppe um Claudio Grassi,
Alberto Burgio und Bruno Steri, die mittlerweile ins Lager der Parteiführung
übergewechselt sind, repräsentierten sie zusammen 26,4% der damals
95.000 PRC-Mitglieder.
Interview mit dem linken PRC Senator Fosco Giannini zu
Linkspartei und Demo am 20. Oktober (geführt von Matteo Bartocci):
Giannini (PRC): Ja zur Demo am 20.Oktober und Nein zur
Föderation der Linken
„Wir müssen mobilisieren, um die Regierung Prodi zu
retten. Ich bin allerdings gegen eine Aufgabe von Souveränität, die eine neue
sozialdemokratische Partei vorbereitet."
„Die Demo am
20.Oktober ist grundlegend. Das muss eine beeindruckende und eine Massendemonstration werden. Wir haben uns an dieser
Initiative beteiligt und werden dabei sein. Ein kämpferischer Herbst ist die
einzige Möglichkeit, um die Dinge, angefangen beim miserablen Juli-Abkommen"
(das die Anhebung des Rentenalters in den kommenden Jahren von 57 auf 62 Jahre
vorsieht und die weitere Prekarisierung der Beschäftigung fördert) zu
verändern."
Ist das Deiner Meinung nach eine Demo gegen die
Regierung?
„Im Gegenteil. Wir müssen mobilisieren, um die Regierung
Prodi ‚zu retten'. Wenn sie weiter bestehen will, dann muss sie sich verändern.
Es erscheint mir allerdings surreal zu sagen, dass man die Demonstration
organisiert, sie aber nichts mit der Regierung zu tun hat. Das Abkommen vom 23.Juli
hat nicht E.T. verfasst, sondern die Regierung Prodi. Und dieses Abkommen muss
geändert werden. Diejenigen, die gegen die Demonstration sind, vergessen einen
arbeiterfeindlichen Text, der das 2003 von der Regierung Berlusconi
beschlossene Prekarisierungs-Gesetz Nr. 30 heilig spricht und die Überstunden
steuerlich entlastet, wodurch die Arbeitszeit verlängert und den Unternehmern
ein weiteres Geschenk gemacht wird. Von den Renten wird bereits gar nicht mehr
gesprochen. So als wäre das Renteneintrittsalter von 62 Jahren eine bittere
Pille, die man bereits geschluckt hat."
Siehst Du die Gefahr einer Wiederholung des 9.Juni
(Anm.)? Eine leere piazza und Spaltungen in der Linken?
„Die Demonstration
wird dann ein Erfolg, wenn sie über klare Losungen verfügt. Man muss die
Regierung daran erinnern, dass die Leute, die da auf die Straße gehen werden,
keine Feinde sind, sondern Leute, die sie gewählt haben und die Gehör finden
wollen."
Und wenn Ihr kein Gehör findet?
„Eine harte Reaktion darauf, wie der Rückzug der linken
Minister (oder zumindest der Minister und Staatssekretäre von Rifondazione
Comunista) aus der Regierung und der Übergang zu einer Tolerierung von außen
ist nicht unwahrscheinlich. Die Kommunisten können sich nicht zu Komplizen einer
derartigen Politik machen."
Was antwortest Du jenen, die von einer möglichen Rückkehr
der Rechten sprechen?
„Die wollen auch wir verhindern. Eine derart ruinöse
Politik bereitet allerdings den Boden für eine massenhafte Ernüchterung, die zu
einem Aderlass bei den Wahlen und zu einem strategischen und langfristigen Sieg
der Rechten führen wird. Man sieht bereits, wie die Ideen der Rechten innerhalb
der Demokratischen Partei auf dem Siegeszug sind. Daran zu denken eine Partei
der Ordnung ins Leben zu rufen, ist eine Schande. Wie kann man diejenigen aufs
Korn nehmen, die an den Ampeln die Windschutzscheiben von Autos putzen? Das
sind die Untersten, die es überhaupt gibt! Ich gebe Dir ein Beispiel: Ich war
in Kalabrien, um einen Arbeiter zu verteidigen, der von der Mafia angeschossen
wurde. Er lag fünf Monate im Krankenhaus, und als er in die Fabrik zurückkommt,
entlässt ihn das Unternehmen, weil er nicht mehr so arbeiten kann, wie früher.
Was für ein Land ist das?"
Im kommenden Jahr findet der PRC-Parteitag statt. Siehst
auch Du den „Einheitsgeist", der in den vergangenen Tagen von Claudio
Grassi beschworen wurde?
„Ich war verblüfft über die Tatsache, dass sich Grassi
der Idee einer Föderation der Linken angeschlossen hat. Solange wir zusammen waren,
war die Föderation inakzeptabel. Das ist eine Aufgabe politischer,
finanzieller, kultureller und organisatorischer Souveränität, die eine neue
sozialdemokratische Partei vorbereitet. Die Einheit der Linken in den Kämpfen
(wie beim Kündigungsschutzartikel 18) ist eine Sache und die Neulancierung der
kommunistischen Autonomie eine andere. Rifondazione Comunista heißt deshalb so.
Es ist uns nicht gelungen, das in voller Eigenständigkeit hinzubekommen. Da
stellen wir uns mal vor, was in der Förderation daraus wird! Eine
kommunistische Partei ist für die Gesellschaft notwendig. Man spricht bereits
von gemeinsamen Listen für das nächste Jahr. Was soll das heißen? Dass wir
unser Parteisymbol aufgeben? Das lehnen wir ab!"
Werdet Ihr auf dem Parteitag einen eigenen Leitantrag
präsentieren?
„Über diesen Parteitag weiß man bislang noch wenig. Ich
fordere jedoch alle dazu auf, sich nicht zu verstecken. Wer für das ‚Rote Ding'
ist, sollte das klar und deutlich sagen. Und wer nur regieren will, sollte
nicht darum herumreden. Wir sind dagegen!"
Anmerkung:
An der Demonstration des radikalen Teils der
Anti-Kriegs-Bewegung einschließlich der COBAS, der Centri Sociali, der
Jugendorganisation und des linken Flügels von Rifondazione Comunista) gegen den
Bush-Besuch in Rom beteiligten sich offiziell – nach „italienischen
Zahlen" - „150.000" (real 8.000 bis 10.000) Menschen, an der
separaten Kundgebung der Regierungslinken offiziell gerade mal „500"
Leute. Real waren es sogar nur 40 – 50 Funktionäre!
Rosso
Der Name Rosso steht für ein Mitglied des
Gewerkschaftsforums Hannover und der ehemaligen Antifa-AG der Uni Hannover, die
sich nach mehr als 17jähriger Arbeit Ende Oktober 2006 aufgelöst hat (siehe:
http://www.freewebtown.com/antifauni/ Rubrik „Aktuelles").