Samstag, 24. Januar 2009
 
Ilisu schlechter als chinesische Projekte PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von ECA-Watch Austria   
Freitag, 14. März 2008

Während internationale Experten belegen, dass das umstrittene Studammprojekt im Osten der Türkei nicht internationalem Standards entspricht, fordern NGOs (wie Eca-Watch, Global 2000 und WWF Österreich in der folgenden Presseerklärung) den sofortigen Ausstieg Österreichs.

Der aktuelle Bericht der internationalen Expertengruppe an die Österreichische Kontrollbank (ÖKB) sowie deren Pendants in Deutschland und der Schweiz stellt dem Ilisu-Projekt ein vernichtendes Urteil aus: Das Projekt widerspricht internationalen Standards und ist sogar schlechter als Staudämme in China. Die Türkei verstößt gegen fast alle Auflagen, die sie vertraglich bis Ende 2007 zu erfüllen hatte. Nach Meinung der Experten muss der Baubeginn zumindest um mehrere Jahre verschoben werden. Kritisiert werden aber auch der eigene Auftraggeber: Einer möglichen Strategie der Kontrollbank, das Projekt jetzt zu beginnen und während des Baus „zu verbessern“, erteilten sie eine deutliche Absage. Ein so genannter „rolling plan“ sei weder zielführend, noch entspreche das den Weltbankstandards. „Nach dem Bericht muss auch dem Letzten klar sein, dass Ilisu ein katastrophales Projekt ist und keine Chance hat, internationale Standards zu erreichen. Österreich muss umgehend von der Ausstiegsklausel im Vertrag Gebrauch machen und aus dem Projekt aussteigen“, sagt DI Ulrich Eichelmann von ECA-Watch und Leiter der Kampagne „Stopp Ilisu!“.

Die Exportkreditagenturen (ECAs) aus Deutschland, Österreich und der Schweiz hatten im März 2007 entgegen weltweiten Protesten die Haftung für das Ilisu-Projekt übernommen. Die Zusage war vertraglich an 153 Auflagen, die so genannten Terms of References (TORs), gebunden, die die Türkei erfüllen muss. Überprüft wird die Einhaltung der Auflagen durch das ,Committee of Experts’ (CoE), ein Expertengremium bestehend aus 15 Personen aus den Bereichen Umsiedlung, Ökologie und Kultur. Diese Personen wurden von den ECAs und der Türkei ausgewählt. Werden die Auflagen nicht erfüllt, können die ECAs die Haftungsgarantien kündigen. Dann müssen auch die Banken wie die Bank Austria oder die deutsche DEKA Bank ihre Kreditzusagen zurücknehmen.

Im Dezember 2007 überprüfte das Expertengremium im Auftrag der ECAs vor Ort, wie es um die Vorbereitungen des Projekts und um die Erfüllung der Auflagen bestellt ist. Auf 264 Seiten hagelt es Kritik, wie sie in dieser Deutlichkeit selten ist: Keine der wichtigen Auflagen wurde erfüllt, das Projekt ist schlechter als vergleichbare Projekte in China, die zuständigen Personen in der Türkei kennen die Weltbankstandards nicht einmal, und die Planungen, Ressourcen und das veranschlagte Budget sind bei weitem nicht ausreichend, um in Zukunft internationale Standards zu erreichen.

„Die Zeit des Herumtaktierens ist vorbei“, sagt Dr. Klaus Kastenhofer, Geschäftsführer der österreichischen Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000. „Wenn Finanzminister Molterer und ÖKB Chef Scholten jetzt nicht auf ihre eigenen Experten hören und das Projekt aufkündigen, verlieren sie jegliche Glaubwürdigkeit“.

Umsiedlung
Bis Ende 2007 hätte die Türkei gemäß Vertrag 35 Auflagen erfüllen müssen. Die Überprüfung ergab, dass jedoch 26 nicht erfüllt waren, es bei vier keinerlei Information gab. Lediglich fünf Auflagen wurden „teilweise erfüllt“. (siehe Bericht „Resettlement“ Seite 50 und 51). „By end of 2007 only few activities were started – mostly, the expropriation.“

Die Türkei konnte nicht einmal vorlegen, wie viel Menschen tatsächlich vom Staudamm betroffen wären. Laut Experten dürften es aber deutlich mehr sein, als bisher angenommen. Ihren Schätzungen nach könnten es bis zu 65.000 sein, bisher waren die ECAs von maximal 55.000 ausgegangen.

Entgegen den Vorgaben und ohne Wissen der ECAs begann die Türkei im Herbst 2007 mit Enteignungen. Allein in zwei Ortschaften (Ilisu und Kartalkaya) sind 449 Gerichtsverfahren anhängig („Resettlement“ Seite 63).

Ilisu schlechter als Projekt in China
Laut Bericht müssten allein für den Bereich „Umsiedlung“ 200-250 Personen mindestens zwei Jahre arbeiten (also etwa „500 Arbeitsjahre“), bevor es zum Baubeginn kommen kann. Die Experten verweisen in diesem Zusammenhang interessanterweise auf ein chinesisches Staudammprojekt ähnlicher Größe, bei dem sogar noch mehr Fachkräfte („700-800 staff years“) in der Vorbereitung beteiligt waren, und zwar bevor es der Weltbank zur Entscheidung vorgelegt wurde. (Resettlement Seite 51).

Heftige Kritik üben die Experten auch an den europäischen Staaten, weil diese der Türkei eine Zusage erteilt haben, ohne dass ein Umsiedlungsplan vorlag. Dies entspreche nicht den Weltbankstandards. Von einem „rolling plan“, bei dem die Planungen während des Baus erstellt werden, raten die Experten ausdrücklich ab. Einen „rolling plan“ hatte die Weltbank einst beim Narmada Dam in Indien akzeptiert, was zu einem der größten Debakel der Weltbank wurde. (Resettlement, S. 101: „Lessons learned from the Narmada Dam´s Experience“, S. 102: „No `rolling plans´ were subsequently accepted by the World Bank“).

Umwelt
Gleiche Kritik wie bei der Umsiedlungsgruppe: Auflagen wurden ignoriert (Umwelt, S. 22: „Most of the TORs have not been accomplished.“). Zwar sind Kläranlagen im Bau, die entsprechen aber nicht den erforderlichen Standards. Untersuchungen der äußerst artenreichen Flora und Fauna gab es keine und auch für 2008 wurden keine geplant. Es ist nach wie vor unbekannt, welche ökologischen Auswirkungen Ilisu hätte.

Kultur
Gleiches Bild auch hier: kein Wissen, welche Kulturgüter betroffen sind, keine adäquaten Planungen erkennbar. Außerdem durften die Experten wegen der angespannten Sicherheitslage bestimmte Gebiete nicht besichtigen. Hasankeyf dürfte laut Expertenmeinung kulturhistorisch noch bedeutender sein, als bisher angenommen. Kritisiert wird im Bericht die Absicht, einzelne Monumente aus Hasankeyf abzusiedeln. Die technische Durchführbarkeit wird bezweifelt.

„Dieser Bericht bestätigt die Positionen der Umwelt- und Menschrechtsorganisationen in allen Punkten. Die Aussagen der Kontrollbank in den vergangenen Tagen lassen allerdings befürchten, dass sie nach wie vor an dem Projekt festhalten wollen. Ich kann den Verantwortlichen nur davon abraten, jetzt eine Art Verzögerungs- und Verschleierungstaktik anzuwenden. Der WWF und andere Organisationen werden auch weiterhin nicht locker lassen, bis Ilisu endgültig vom Tisch ist“, so Andreas Wurzer, Stv. Geschäftsführer des WWF Österreich.

Positives zum Schluss
Der gesamte Bericht ist eine Aneinanderreihung von harscher Kritik. Positiv wird einzig die gute Versorgung durch die Gastgeber erwähnt. Doch dürfte selbst dieses Lob nicht uneingeschränkt sein, wie das Reiseerlebnis der Umweltgruppe zeigt, als sie auf ihren Bus warteten: „...there were 10 seats in the vehicles, 6 of which were already occupied, leaving room for four CoE members.The CoE .... had then to insist that CoE experts must have priority on this occasion.“ (Umwelt Seite 2 unten)


Die Berichte zu Umsiedlung, Umwelt und Kulturgüter finden Sie unter
http://www.ilisu-wasserkraftwerk.com/page.php?modul=HTMLPages&pid=77
http://www.ilisu-wasserkraftwerk.com/page.php?modul=HTMLPages&pid=64
http://www.ilisu-wasserkraftwerk.com/page.php?modul=HTMLPages&pid=67

Weitere Informationen:
Ulrich Eichelmann, ECA-Watch 0676/6621512
Lydia Matzka, GLOBAL 2000 0699/14200026
Franko Petri, WWF Österreich 0676/83488231
www.stopilisu.com
www.eca-watch.at

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ECA-Watch Austria
c/o GLOBAL 2000 Umweltschutzorganisation
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Tel. ++43/(0)1-812 57 30



ECA-Watch ist eine Kampagne von:
AGEZ, WWF, FIAN, Verein Kurdischer StudentInnen, GLOBAL 2000, Koordinierungsstelle der Österr. Bischofskonferenz, Attac, Gesellschaft für bedrohte Völker und LEEZA (vormals WADI Österreich).


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