Europäische Verantwortungslosigkeit |
Geschrieben von Bernhard Redl | |
Dienstag, 12. Dezember 2006 | |
Die EU hat anscheinend so wenige Probleme, daß sie sich selbst neue schaffen muß - die Zyperndebatte ist ein gutes Beispiel dafür Selbst wenn man nicht für einen Beitritt der Türkei zur EU ist, erscheint die neu entbrannte Debatte über die Verhandlungen darüber schon sehr befremdlich. Daß in der Türkei nach wie vor gefoltert wird und die Verbesserungen in Fragen von Demokratie und Minderheitenschutz eher als zaghaft zu beschreiben sind, regt niemanden mehr auf. Auch die Armenierdebatte hat nicht zu einem Aussetzen der Verhandlungen geführt. Aber die Häfen für südzypriotische Schiffe müssen geöffnet werden — das ist ganz wichtig. Die Prioritätensetzung der EU ist eindeutig. Dabei hat sich die EU diese Probleme selbst geschaffen. Man hatte zwar massiv die Wiedervereinigung Zyperns forciert, aber Südzypern versichert, daß auch nur der halbe Staat als “Zypern” in die EU aufgenommen wird. Also hatten die Einwohner des ethnisch griechisch dominierten Südteils keinen Grund mehr für die Wiedervereinigung — sie wollten in die EU und die Einwohner Nordzyperns sollten in ihrer Isolation bleiben. Während Nordzypern in der Volksabstimmung für einen gemeinsamen Staat war, stimmte Südzypern gegen die Vereinigung und wurde Mitglied der Union. Aber wer ist überhaupt schuld an der Teilung der Insel. Geschichtlich betrachtet hat die Türkei sicher einiges zum heutigen Zypernproblem beigetragen — so die Unterstützung türkisch-zypriotischer Separationsbestrebungen vor der Teilung und die massive Ansiedlung von Festlandtürken im Nordteil danach. Aber — will man wirklich nach geschichtlichen Kriterien urteilen — es war das in den letzten Zügen liegende Militärregime Griechenlands, das 1974 durch Putsch und Besetzung die Oberhoheit über Zypern sichern wollte und die türkische Intervention auslöste. Historisch könnte man also beiden Staaten eine Verantwortung für die Teilung geben. Aber das ist Schnee von gestern, die Regime in Griechenland und der Türkei sind heute andere als damals. Südzypern ist heute glücklich in der EU. Aber was ist mit Nordzypern? Haben diese Menschen keine Rechte, in einem international anerkannten Staat zu leben? Mit der Aufnahme Südzyperns, das völkerrechtlich die ganze Insel als ihr Territorium beanspruchen darf, hat die EU paradoxerweise die Trennung verfestigt. Hätte sie die Vereinigung zur Bedingung gemacht — was wiederum Griechenland torpedierte —, wäre das Zypernproblem zu lösen gewesen und damit auch ein wichtiger Punkt in den Streitigkeiten mit der Türkei. Nebenbei hätte ein vereinigtes Zypern eine Brückenfunktion zur Türkei übernehmen können — so aber ist die zypriotische Regierung ein Störfaktor in den Beziehungen zwischen der Union und der Türkei geworden. Jetzt verlangt man von der Türkei normale Beziehungen mit Südzypern, während man selbst nicht bereit ist, die Blockade Nordzyperns aufzugeben. Die Türkei kann aber nicht so ohne weiters Südzypern als “Zypern” anerkennen und damit normale Beziehungen aufnehmen, wenn sie deswegen Nordzypern verraten müßte. Wenn dieser Pallawatsch gelöst werden soll — und dabei geht es weniger um den EU-Beitritt der Türkei, sondern vor allem um das Schicksal Zyperns —, dann kann die EU nicht einfach nur ständig Forderungen an die Türkei richten. Mit der Aufnahme Südzyperns hat die EU ein Problem, daß vorher ein außenpolitisches war, zu ihrem ureigensten gemacht. Jetzt muß sie selbst damit zurande kommen. Der Ball liegt nicht bei der Türkei, sondern bei der EU. |
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