Film: Bolivarische Sozialismusfabriken |
Geschrieben von Roman Gutsch/akin | |
Donnerstag, 1. Februar 2007 | |
Roman Gutsch war im Kino und rezensierte für die akin "5 Fabriken – Arbeiterkontrolle in Venezuela" Denkt man Kino und Fabrik zusammen, draengt sich die Traumfabrik Hollywoodauf, weniger die Aluminiumhuette, das Textilunternehmen, die Tomatenfabrik, die Fabrik, in der Kakaomasse produziert wird, und die Papierfabrik, alle Schauplaetze im Dokumentarfilm "5 Fabriken – Arbeiterkontrolle in Venezuela" von Oliver Ressler und Dario Azzellini. In der Vorwoche hatte dieser Film in Wien Premiere. Schauplatz einer interessanten Diskussion ueber diesen Film – mit Regisseur Ressler und einem Aktivisten von "Haende weg von Venezuela" am Podium – war das Filmcasino. Zum politischen Hintergrund des Films: Wuerden in Oesterreich ArbeiterInnen eine Fabrik besetzen, dann waeren binnen zehn Minuten Sondereinheiten der Polizei vor Ort, um den Wunsch nach Selbstverwaltung und sozialer Produktion im Keim zu ersticken. Anders in Venezuela. Dort steht die Staatsmacht hinter den ArbeiterInnen. So koennen sie etwa auf Kredite bauen, die ihnen gewaehrt werden, wenn sie die Produktion eines abgewirtschafteten oder stillgelegten Unternehmen eigenmaechtig wieder in Stand setzen, sich die Produktionsmitteln aneignen, die fuer ihre Kooperative notwendig sind. Die besetzten Betriebe – in Lateinamerika produzieren mittlerweile rund 300 Betriebe unter der unmittelbaren Kontrolle der Belegschaft, manche im rechtsfreien Raum, andere voellig legal – verstehen sich mehrheitlich als Unternehmen sozialer Produktion, die durchaus unterschiedliche Antworten auf die Schluesselfrage finden, wie ein Unternehmen im Rahmen des Kapitalismus Druck in Richtung Sozialismus machen kann. Allein diese Fragestellung, die im Film explizit vom Praesidenten der Aluminiumfabrik gestellt wurde, der seine Aufgabe als die Aufgabe eines Revolutionaers sieht, macht deutlich, dass das Modell der partizipativen Demokratie, das in Venezuela auch auf den Bereich der Wirtschaft angewendet wird, den Aufbau des Sozialismus anstrebt. Folglich faellt die Abgrenzung zu sozialdemokratischen Modellen der Mitentscheidung genauso deutlich aus wie die Ablehnung des Staatssozialismus der ehemaligen UdSSR. Mit Unternehmensstrategien, die derzeit unter dem Schlagwort Corporate Social Responsibility diskutiert werden, haben die in Venezuela gebildeten Arbeiterkooperativen allein schon aufgrund ihrer Zielbestimmung ueberhaupt keine Schnittmenge. Gegenoeffentlichkeit oder Propaganda Der Film von Oliver Ressler und Dario Azzellini zeigt, da er nur die Betroffenen selbst zu Wort kommen laesst, authentische Einblicke in den oben skizzierten Prozess, der nicht, wie gerne in den kapitalistischen Medien behauptet wird, von oben verordnet, der Bevoelkerung aufoktroyiert wurde. Demnach stellt der Film eine Gegenoeffentlichkeit zu der in Europa dominanten, die bolivarische Revolution denunzierenden Berichterstattung dar. Eine Gegenoeffentlichkeit, die bewusst darauf verzichtet hat, den politischen GegnerInnen eine Plattform zu bieten. Diese Entscheidung wurde in der Diskussion angegriffen. Diese Kritiker behaupteten auch, dass der Film sowohl aesthetisch als auch inhaltlich an einen realsozialistischen Propagandafilm erinnere. Er zeige nur, so der Vorwurf, reibungslose Produktionsablaeufe und wohlwollende Kommentare von AktivistInnen. Diesem Vorwurf wurde in der Diskussion auf mehreren Ebenen begegnet. Einerseits wurde festgehalten, dass nicht jede Filmsequenz auch ein Symbol ist (Beispiel: ein die Leiter nach oben steigender Arbeiter stehe nicht immer fuer Fortschritt), andererseits wurde darauf hingewiesen, dass ein Film nicht automatisch zum Propagandafilm wird, nur weil er sich einem politischen Phaenomen ausschliesslich aus einer Perspektive naehert, zumal es sich bei dieser Perspektive um eine handelt, die ansonsten nur am Rand wahrgenommen wird: die der ArbeiterInnenklasse. Insgesamt wurde in der Diskussion nicht nur die Dynamik auf der Betriebsebene, sondern auch das regionale Entwicklungspotential der Kooperativen durch die Einbindung der Communities und der weltpolitische Kontext thematisiert, vor dem die Besetzungen stattfinden und bewertet werden muessen. |
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