Samstag, 24. Januar 2009
 
Bolivien: Auseinandersetzungen und Putschgerüchte PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Robert Lessmann   
Samstag, 14. Oktober 2006

16 Tote und 81 Verletzte. Das ist die Bilanz regelrechter Gefechte zwischen Minenarbeitern in Huanuni (Dept. Oruro). Sieben Opfer starben durch Schussverletzungen. Die Kontrahenten setzten Gewehre und Dynamit ein. Viertausend Kooperativenarbeiter standen dabei Tausend Arbeitern der staatlichen Minengesellschaft COMIBOL gegenüber.

Ursache des Konflikts ist der Streit um Schürfrechte am Cerro Posokoni, wo sich die reichsten Zinnlagerstätten des Landes befinden. Seit einer Verdoppelung der Zinnpreise ist der Bergbau wieder attraktiv geworden. Viele im Zuge der Privatisierung entlassene Minenarbeiter kehren auf eigene Faust zu den Bergwerken zurück.

Nach Aussage des Vizepräsidenten Álvaro García Linera sind bereits 16 Verhandlungsrunden an der Unnachgiebigkeit der Fraktionen gescheitert. Die umstrittene Mine wurde während der Privatisierungen Mitte der 90er Jahre an einen britischen Investor verkauft, der seine Rechtspersönlichkeit änderte, bevor die neue Firma dann Pleite ging. Etliche der Kooperativenarbeiter hatten Anteile an dieser Firma erworben und fühlen sich nun geprellt. Die Cooperativistas erwarten sich von der regierenden MAS Unterstützung und hatten versucht, die Mine zu besetzen. Die Arbeiter der staatlichen COMIBOL werden vom Gewerkschaftsbund COB vertreten. Der fordert den Kopf verantwortlicher Minister. Die COB, die schon in der Vergangenheit als Radikalopposition gegen die Regierung Morales in Erscheinung getreten war, erfreut sich interessanterweise ausländischer Kooperation. Ob letztere oder der Ehrgeiz einzelner Funktionäre die radikalen Positionen forciert oder beides, ist offen.

Unterdessen war es Ende September in einem Randgebiet des Chapare zu den ersten Toten im Rahmen der Zwangsvernichtung von Kokafeldern gekommen. Nach Darstellung der Regierung handelte es sich um bewaffneten Widerstand; elf Polizisten wurden dabei als Geiseln genommen. Die fraglichen Felder hätten sich im Naturschutzgebiet des Parque Carrasco befunden. Die Bauern argumentieren, sie seien zu Unrecht behelligt worden. Die Felder lägen in den Yungas de Vandiola, einem Gebiet, wo der Kokaanbau legal ist. Solche Definitionsschwierigkeiten sind in abgelegenen Gebieten Boliviens keine Seltenheit. Um so wichtiger wäre es, das umstrittene Drogengesetz No. 1008 zu reformieren, das eine fragwürdige Zonifizierung des Kokaanbaus vorsieht. Und auch wenn sich die politischen Vorzeichen nun geändert haben: Die für die Drogenbekämpfung zuständigen Einheiten sind alle von den USA geschaffen, trainiert und ausgerüstet worden. Sie bestehen nach wie vor weiter. Ihnen wurde in der Vergangenheit das Gros der Menschenrechtsverletzungen angelastet.

Unterdessen mehren sich Gerüchte um angebliche Putschvorbereitungen in Kreisen des Militärs, das offiziell bisher loyal hinter der Regierung steht. Diese hat ohne Zweifel ein ganzes Bündel von Problemen geerbt, wozu auch einige notorisch kompromisslose und gewaltbereit-kämpferische soziale Bewegungen gehören. Klar ist aber auch: Jede soziale Destabilisierung käme solchen Putschvorbereitungen natürlich sehr gelegen.
(Lateinamerika Anders Panorama, Nr.5)

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