EuGH: Streikrecht theoretisch ja, praktisch aber nicht unbedingt |
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Geschrieben von akin
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Donnerstag, 20. Dezember 2007 |
Der EuGH zieht die Europäische Dienstleistungrichtlinie dem Streikrecht vor — der Generalanwalt war vorher noch ganz anderer Meinung gewesen.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat nun im Fall Laval gegen die schwedische Gewerkschaften entschieden. Prinzipiell wurde in diesem Urteil erstmals ein EU-Grundrecht auf Streik anerkannt, aber dieses in der konkreten Angelegenheit gleich wieder aberkannt. Bei diesem speziellen Fall geht es um die berüchtigte EU-Dienstleistungsrichtlinie (DL-RL). Denn diese wertet der EuGH praktisch höher als das Streikrecht.
Die lettische Baufirma Laval hatte Aufträge in Schweden bekommen, sich aber geweigert, dem schwedischen Tarifmodell beizutreten und nur Löhne unter dem nationalen Kollektivvertrag bezahlt. Die schwedischen Gewerkschaften reagierten damit mit Blockaden der Baufirma. Diese waren erfolgreich, die Baufirma ging pleite -- und klagte vor einem schwedischen Gericht die Gewerkschaften auf Entschädigung. Das Gericht sah EU-Recht berührt und bemühte den EuGH, der Laval jetzt recht gab. Schließlich seien EU-weite Mindeststandards geschaffen worden, etwa bezüglich der Arbeits- und Ruhezeiten, so der EuGH. Die einzelnen Staaten dürften zudem auch Mindestlöhne festsetzen. Blockaden, die darüber hinausgehende Ziele verfolgen, seien aber nicht gerechtfertigt und daher unzulässig. In Schweden gibt es keine gesetzlichen Mindestlöhne, sondern nur Kollektivverträge; die Nichtbeachtung durch Laval wäre damit EU-rechtlich legitim gewesen.
Die EU-Grünen sind darüber schockiert. Elisabeth Schroedter, Mitglied im Europaparlamentssausschuss für Beschäftigung und Soziales: "Für das soziale Europa ist es ein Schlag ins Gesicht, wenn der EuGH in seinem Urteil das europäische Wettbewerbsrecht über soziale und arbeitsrechtliche Standards in den Mitgliedstaaten hebt." Damit werde die nationale Arbeitsgesetzgebung in Frage gestellt, die auf Tarifvereinbarungen aufbaut: "In seinem Urteil stellt der EuGH solche Tarifvereinbarungen als Hindernis für den freien Wettbewerb im europäischen Dienstleistungsverkehr in der EU dar."
Erstaunlich dabei: Die europäischen Gewerkschaften hatten im Vorfeld dieses Urteils schon einen Sieg gefeiert. Denn der EU-Generalanwalt hatte im Mai den Gewerkschaften rechtgegeben. Üblicherweise folgt der EuGH den Empfehlungen des Generalanwalts. Nicht aber in diesem Fall. (EU-Grüne, focus.de, ÖGB/akin) |