Samstag, 24. Januar 2009
 
Buch: Neuanfang für Kärnten PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Ralf Leonhard   
Mittwoch, 21. November 2007

Kärnten neu denken. Zwei Kontrahenten im Dialog.
Hg.: Wilfried Graf/Gudrun Kramer
Drava/Heyn, Klagenfurt, 2007, 255 Seiten, EUR 22,-

In Unterkärnten sind wieder die Raser unterwegs, die nach einer Selbstanzeige beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde einlegen, weil eine zweisprachige Ortschaft nicht entsprechend ausgeschildert ist. Einvernehmliche Lösungen des Ortstafelkonflikts scheiterten bisher regelmäßig am Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider, der immer wieder neue Wege ersinnt, um der ordnungsgemäßen Beschilderung auszuweichen und den Konflikt am Köcheln zu halten. Daß die Spannungen zwischen der deutschkärntner Mehrheit und der slowenischen Volksgruppe längst nicht mehr so stark sind, belegt ein Buch mit dem programmatischen Titel „Kärnten neu denken“, das – wiederum ein Indiz für die zunehmende Verständigung – von den Klagenfurter Verlagen Drava und Heyn, die jeweils den beiden Volksgruppen zuzuordnen sind, gleichzeitig herausgebracht wurde.

Es sind mit Marjan Sturm vom Zentralverband slowenischer Organisationen und Josef Feldner, dem Obmann des Kärntner Heimatdienstes, zwei der prominentesten Exponenten, die es unternehmen, Kärnten neu zu denken. In einem moderierten Dialog nach der Methode des norwegischen Friedensforschers Johan Galtung entdecken die beiden Antagonisten immer mehr Gemeinsamkeiten. Feldner und Sturm sind nicht erst durch dieses Buch einander näher gekommen. Schon seit Jahren haben sie eine vernünftige Gesprächsbasis, die es erlaubt, den Standpunkt des jeweils anderen zwar nicht zu teilen, aber nachzuvollziehen. Damit bemühen sie sich, das einseitige Geschichtsverständnis, das auf beiden Seiten über Generationen weitergegeben und gepflegt wurde, aufzubrechen. Erinnerung an den Abwehrkampf und die Übergriffe der Tito-Partisanen auf der einen Seite und das Trauma des Assimilierungsdrucks und der Deportationen während der NS-Zeit auf der anderen Seite werden nicht mehr gegeneinander aufgerechnet, sondern als mythenbildende Faktoren erkannt. An der Aufarbeitung der Geschichte führt für Feldner kein Weg vorbei: „Die Meinung über den jeweils anderen wird nicht aufgrund von persönlicher Erfahrung gebildet, sondern aufgrund dessen, was man von dritter Seite erfahren hat“.

Bemerkenswert, dass die beiden einander in der Analyse häufiger zustimmen als widersprechen. Etwa wenn Marjan Sturm über Politiker klagt, die „alte Versatzstücke aus der Geschichte instrumentalisieren und damit um Stimmen kämpfen“ oder die Meinung vertritt, dass sich die Kärntner Kultur in zwei Sprachen widerspiegle. Feldner hält auch nichts von einer Minderheitenfeststellung, wie sie Jörg Haider immer wieder zum Nachweis der Schrumpfung der Volksgruppe fordert. Beide setzen ihre Hoffnungen in die junge Generation, die in einem Klima größerer Weltoffenheit heranwachsen soll.

Das Herausgeberpaar Gudrun Kramer und Wilfried Graf, das die Themen vorgibt und behutsam moderierend eingreift, hat die Methode der integrativen Konfliktbearbeitung schon in Ländern wie Sri Lanka und Uganda erprobt, wo blutige Kriege toben. Nicht ohne Unbehagen haben sie sich auf Kärnten eingelassen, wo die Intervention von Außenstehenden von vielen als unwillkommene Einmischung gesehen wird. Nach dem Grundsatz: „Was versteht schon ein Fremder?“. Der Moderationsversuch zeigt aber, dass die beiden Standpunkte gar nicht so weit auseinander liegen. Wann sich die versöhnliche Haltung von Feldner und Sturm durchsetzen kann, bleibt allerdings abzuwarten. Jörg Haider stieß sich schon am Titel des Buches. Ein „Neu Denken“ passt ihm politisch nicht in den Kram. Und auch in ihren jeweiligen Lagern sind die Obmänner nicht unumstritten. Sturm erscheint einigen Slowenen zu kompromissbereit und Feldner wurde von Deutschnationalen bereits als Verräter gebrandmarkt.


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