Samstag, 24. Januar 2009
 
Brasilien: Bischof Cappio beendet Hungerstreik PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Gustav Krammer   
Freitag, 21. Dezember 2007

Dom Luiz Cappio, Bischof von Barra, erklärte am Donnerstag (20.12.2007) nach der Abendmesse in Sobradinho sein Fasten, das 23 Tage gedauert hatte, offiziell für beendet. Gleichzeitig rief er dazu auf, den Kampf für das Überleben des Rio São Francisco gemeinsam fortzusetzen.


Aus Protest gegen die von der Regierung mit zweifelhaften Methoden in Angriff genommene Umleitung des Rio São Francisco hatte er bereits 23 Tage ohne Nahrungsaufnahme zugebracht. Nach der Bekanntgabe einer höchstrichterlichen Entscheidung vom 19.12., der den Bau der Kanalsysteme – zwischendurch war ein Baustop verfügt worden – wieder freigab, war Dom Cappio zusammengebrochen und musste kurzzeitig im Spital Memorial in Petrolina behandelt werden.


Vor über 700 Teilnehmern las Dom Cappio im Rollstuhl sitzend und offensichtlich in guter Verfassung einen Brief an die Menschen des Nordostens: "Nach diesen 24 Tagen beschließe ich mein Fasten, aber nicht meinen Kampf, der auch unserer ist." Er bedankte sich bei allen Anwesenden für die Solidarität. Seine Entscheidung wurde mit Freude und mit viel Applaus zur Kenntnis genommen. Seit seiner Einlieferung ins Krankenhaus war seitens seiner Familie sowie von Künstlern und Weggefährten der Wunsch nach einem Ende des Hungerstreiks laut geworden. Während der 24 Tage des Fastens hat Dom Cappio 9 Kilo verloren und wiegt nun 63,5 kg.


Bereits am Tag zuvor hatte Präsident Lula auf die Fragen von Journalisten über die Umsetzung des Projekts wiederholt, dass er mit allen Mitteln daran festhalte und dass die Flussumleitung – bereits von Pedro II. als Traum ausgesprochen – das größte Werk seiner Regierung sein werde. "Würde sich der Staat ergeben, würde er sich aufgeben – er muss aber funktionieren", sagte Lula und forderte Dom Cappio zum Abbruch des Fastens auf, da er nicht nachgeben werde. Das Projekt würde 12 Millionen Menschen des Nordostens zugute kommen und auch die Zukunft des Flusses garantieren. Die Gegner des Projekts und Dom Cappio bezweifeln das allerdings und sprechen von Privilegien für die exportorientierte Agro- und Hydro-Industrie.


Gustav Krammer, 21.12.2007


Botschaft von Bischof Luiz Cappio über das Ende des Fastens gegen die Umleitung des Rio São Francisco


Sobradinho, 20.12.2007


"Meine Schwestern und Brüder der Region des São Francisco, des Nordostens und von Brasilien: Paz e Bem! Friede und Wohlergehen!"

(…)

Gestern vollendete ich 36 Jahre meines Priesterseins – 36 Jahre im Dienst an den Bewohnern der Favelas von Petropolis (Rio de Janeiro), der Arbeiter an den Stadträndern von São Paulo und dem Volk in den semiariden Gebieten des Nordostens Brasiliens. Gestern sahen wir fassungslos, wie die Mächtigen das Theater der Unterwürfigkeit der Justiz feierten. Gestern, als mir meine Kräfte ausgingen, erfuhr ich wirklich die Hilfe jener, die mir in diesen langen und leidvollen Tagen zur Seite standen.


Aber unser Kampf geht weiter und er hat seine Fundamente dort, wo alles seinen Bestand hat: im Glauben an Gott des Lebens und in der organisierten Vorgangsweise des Volkes. Unser weiterer Kampf besteht darin, das Leben des Rio São Francisco und seines Volkes zu garantieren und den Zugang zum Wasser sowie eine wirkliche Entwicklung zugunsten aller betroffenen Bevölkerungsteile im gesamten semiariden Gebiet zu gewährleisten, und nicht nur eines Teiles.


Das ist den Einsatz meines Lebens wert und ich bin glücklich, dass ich mich dazu entschieden habe, als Teil meiner Hingabe an den Gott des Lebens, an das Lebendige Wasser, das Jesus ist und das sich denen schenkt, die im Elend zu leben haben aufgrund von Strukturen der Unterdrückung und des Todes.


Während dieser Tage war es eine große Freude für uns zu sehen, wie das Volk sich erhebt und wie in seinem Herzen die bewusste Kraft der Einheit wieder aufleuchtet, wenn Kinder und Jugendliche Lieder der Hoffnung und Parolen mit erhobenen Händen singen; wenn die Blicke sich in eine Zukunft richten, die wir für unser geliebtes Brasilien ersehnen: eine Zukunft, in der alle – alle ohne irgendwelche Ausnahmen – Brot zu essen, Wasser zu trinken, Land zum Arbeiten, Menschenwürde und Bürgerrecht haben.


Ich habe mit viel Liebe und Hochachtung die Solidarität von jedem von euch, nahe oder entfernt, erhalten. Ich freute mich über die Solidarität meiner Brüder im Bischofsamt, Patern und Hirten, die auf brüderliche Weise ihr Verständnis der schwerwiegenden Momente, die wir erleben, zum Ausdruck brachten.


Durch ihr mutiges Positionspapier machte uns die Brasilianische Bischofskonferenz CNBB wieder Hoffnung und lässt sie wieder als solche erkennen, die sie immer in ihren Blütezeiten war: Jesus und Seinem Evangelium gegenüber treu, ist sie eine Einrichtung, die sich den großen Anliegen Brasiliens und seines Volkes zuwendet und bei der Verteidigung der Würde der menschlichen Person und der unaufgebbaren Grundrechte klare und entschlossene Positionen einnimmt. Vorrangig stellt sie sich auf die Seite der Armen und Marginalisierten in diesem Land.


Ich habe mit großem Respekt die Appelle meiner Familienangehörigen, von Freunden, von Schwestern und Brüdern vernommen, die mich in diesem Kampf begleiten und die mich stets lebend und im Einsatz für das Leben wollten: im Kampf gegen die Zerstörung unserer Biodiversität, unserer Flüsse, unserer Landsleute und gegen die Arroganz jener, die alles in einen Kaufladen und in Wechselgeld transformieren wollen. In Sobradinho ist ein wunderbares Gemeinschaftswerk entstanden, wir erleben unvergleichbare Momente der intensiven Gemeinsamkeit und der Ausübung von Solidarität.


Nach diesen 24 Tagen beschließe ich mein Fasten, aber nicht meinen Kampf, der auch der eure ist, der unserer ist. Wir müssen die Debatten ausweiten, die wahren Informationen verbreiten und am Wachsen unserer Bewegung arbeiten, bis wir jenes Projekt des Todes zum Fall gebracht und eine wirkliche Entwicklung für die semiariden Gebiete und den São Francisco erreicht haben.


Euch zuliebe, die ihr mit mir gekämpft habt und den gleichen Weg beschreitet, beende ich mein Fasten. Ich weiß, dass ich mit euch rechnen kann, und ihr könnt auf mich zählen, wenn es darum geht, unsere Schlacht fortzusetzen, damit "alle das Leben haben, und zwar Leben in Fülle".


Dom Frei Luiz Flávio Cappio, OFM
Bischof von Barra-BA

(Übersetzung von Gustav Krammer)


Original:

http://www.cnbb.org.br/index.php?op=noticia&subop=17091

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