Dom Luiz Cappio, Bischof von Barra, erklärte am
Donnerstag (20.12.2007) nach der Abendmesse in Sobradinho sein Fasten, das 23 Tage
gedauert hatte, offiziell für beendet. Gleichzeitig rief er dazu auf, den Kampf
für das Überleben des Rio São Francisco gemeinsam fortzusetzen.
Aus Protest gegen die von der Regierung mit zweifelhaften
Methoden in Angriff genommene Umleitung des Rio São Francisco hatte er
bereits 23 Tage ohne Nahrungsaufnahme zugebracht. Nach der Bekanntgabe einer
höchstrichterlichen Entscheidung vom 19.12., der den Bau der Kanalsysteme –
zwischendurch war ein Baustop verfügt worden – wieder freigab, war Dom Cappio
zusammengebrochen und musste kurzzeitig im Spital Memorial in Petrolina
behandelt werden.
Vor über 700 Teilnehmern las Dom Cappio im Rollstuhl
sitzend und offensichtlich in guter Verfassung einen Brief an die Menschen des
Nordostens: "Nach diesen 24 Tagen beschließe ich mein Fasten, aber nicht
meinen Kampf, der auch unserer ist." Er bedankte sich bei allen Anwesenden
für die Solidarität. Seine Entscheidung wurde mit Freude und mit viel Applaus
zur Kenntnis genommen. Seit seiner Einlieferung ins Krankenhaus war seitens
seiner Familie sowie von Künstlern und Weggefährten der Wunsch nach einem Ende
des Hungerstreiks laut geworden. Während der 24 Tage des Fastens hat Dom Cappio
9 Kilo verloren und wiegt nun 63,5 kg.
Bereits am Tag zuvor hatte Präsident Lula auf die Fragen
von Journalisten über die Umsetzung des Projekts wiederholt, dass er mit allen
Mitteln daran festhalte und dass die Flussumleitung – bereits von Pedro II. als
Traum ausgesprochen – das größte Werk seiner Regierung sein werde. "Würde
sich der Staat ergeben, würde er sich aufgeben – er muss aber funktionieren",
sagte Lula und forderte Dom Cappio zum Abbruch des Fastens auf, da er nicht
nachgeben werde. Das Projekt würde 12 Millionen Menschen des Nordostens zugute
kommen und auch die Zukunft des Flusses garantieren. Die Gegner des Projekts
und Dom Cappio bezweifeln das allerdings und sprechen von Privilegien für die
exportorientierte Agro- und Hydro-Industrie.
Gustav Krammer, 21.12.2007
Botschaft von Bischof Luiz Cappio über das Ende des Fastens
gegen die Umleitung des Rio São Francisco
Sobradinho, 20.12.2007
"Meine Schwestern und Brüder der Region des São
Francisco, des Nordostens und von Brasilien: Paz e Bem! Friede und
Wohlergehen!"
(…)
Gestern vollendete ich 36 Jahre meines Priesterseins – 36
Jahre im Dienst an den Bewohnern der Favelas von Petropolis (Rio de Janeiro),
der Arbeiter an den Stadträndern von São Paulo und dem Volk in den semiariden
Gebieten des Nordostens Brasiliens. Gestern sahen wir fassungslos, wie die
Mächtigen das Theater der Unterwürfigkeit der Justiz feierten. Gestern, als mir
meine Kräfte ausgingen, erfuhr ich wirklich die Hilfe jener, die mir in diesen
langen und leidvollen Tagen zur Seite standen.
Aber unser Kampf geht weiter und er hat seine Fundamente
dort, wo alles seinen Bestand hat: im Glauben an Gott des Lebens und in der
organisierten Vorgangsweise des Volkes. Unser weiterer Kampf besteht darin, das
Leben des Rio São Francisco und seines Volkes zu garantieren und den Zugang zum
Wasser sowie eine wirkliche Entwicklung zugunsten aller betroffenen Bevölkerungsteile
im gesamten semiariden Gebiet zu gewährleisten, und nicht nur eines Teiles.
Das ist den Einsatz meines Lebens wert und ich bin
glücklich, dass ich mich dazu entschieden habe, als Teil meiner Hingabe an den Gott des
Lebens, an das Lebendige Wasser, das Jesus ist und das sich denen schenkt, die
im Elend zu leben haben aufgrund von Strukturen der Unterdrückung und des
Todes.
Während dieser Tage war es eine große Freude für uns zu
sehen, wie das Volk sich erhebt und wie in seinem Herzen die bewusste Kraft der
Einheit wieder aufleuchtet, wenn Kinder und Jugendliche Lieder der Hoffnung und
Parolen mit erhobenen Händen singen; wenn die Blicke sich in eine Zukunft
richten, die wir für unser geliebtes Brasilien ersehnen: eine Zukunft, in der
alle – alle ohne irgendwelche Ausnahmen – Brot zu essen, Wasser zu trinken,
Land zum Arbeiten, Menschenwürde und Bürgerrecht haben.
Ich habe mit viel Liebe und Hochachtung die Solidarität
von jedem von euch, nahe oder entfernt, erhalten. Ich freute mich über die
Solidarität meiner Brüder im Bischofsamt, Patern und Hirten, die auf brüderliche Weise
ihr Verständnis der schwerwiegenden Momente, die wir erleben, zum Ausdruck
brachten.
Durch ihr mutiges Positionspapier machte uns die
Brasilianische Bischofskonferenz CNBB wieder Hoffnung und lässt sie wieder als
solche erkennen, die sie immer in ihren Blütezeiten war: Jesus und Seinem
Evangelium gegenüber treu, ist sie eine Einrichtung, die sich den großen
Anliegen Brasiliens und seines Volkes zuwendet und bei der Verteidigung der
Würde der menschlichen Person und der unaufgebbaren Grundrechte klare und
entschlossene Positionen einnimmt. Vorrangig stellt sie sich auf die Seite der
Armen und Marginalisierten in diesem Land.
Ich habe mit großem Respekt die Appelle meiner
Familienangehörigen, von Freunden, von Schwestern und Brüdern vernommen, die
mich in diesem Kampf begleiten und die mich stets lebend und im Einsatz für das
Leben wollten: im Kampf gegen die Zerstörung unserer Biodiversität, unserer
Flüsse, unserer Landsleute und gegen die Arroganz jener, die alles in einen
Kaufladen und in Wechselgeld transformieren wollen. In Sobradinho ist ein
wunderbares Gemeinschaftswerk entstanden, wir erleben unvergleichbare Momente
der intensiven Gemeinsamkeit und der Ausübung von Solidarität.
Nach diesen 24 Tagen beschließe ich mein Fasten, aber
nicht meinen Kampf, der auch der eure ist, der unserer ist. Wir müssen die
Debatten ausweiten, die wahren Informationen verbreiten und am Wachsen unserer
Bewegung arbeiten, bis wir jenes Projekt des Todes zum Fall gebracht und eine
wirkliche Entwicklung für die semiariden Gebiete und den São Francisco erreicht
haben.
Euch zuliebe, die ihr mit mir gekämpft habt und den
gleichen Weg beschreitet, beende ich mein Fasten. Ich weiß, dass ich mit euch
rechnen kann, und ihr könnt auf mich zählen, wenn es darum geht, unsere
Schlacht fortzusetzen, damit "alle das Leben haben, und zwar Leben in
Fülle".
Dom Frei
Luiz Flávio Cappio, OFM Bischof von Barra-BA
(Übersetzung von Gustav Krammer)
Original:
http://www.cnbb.org.br/index.php?op=noticia&subop=17091
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