In Nicaragua werden am Wochenende die neuen Gemeindevertretungen gewählt. Dabei geht es nicht nur um die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, sondern um einen ersten Popularitätstest für Präsident Daniel Ortega.
Jede Kommunalwahl
hat auch ein gesamtpolitisches Element. In Nicaragua werden die Gemeindewahlen
vom 9. November von Präsident Daniel Ortega aber als Plebiszit über seine
bisher knapp zweijährige Amtszeit inszeniert. Er hat mehrere Sozialprogramme,
wie Null-Hunger und Null-Wucher, auf Schiene gebracht, um die Verarmung, die
sich unter den Vorgängerregierungen verschärft hat, abzufedern. Gleichzeitig
bemüht er sich, die Macht zu zentralisieren und die Voraussetzungen für eine
zweite Amtszeit zu schaffen. Dafür wäre eine Verfassungsänderung notwendig. Ein
deutliche Bestätigung seiner Politik durch einen Sieg in den Gemeinden wäre
dafür eine wichtige Voraussetzung.
Wenn am Sonntag
in 145 der insgesamt 153 Gemeinden des Landes neue Bürgermeister und
Gemeinderäte gewählt werden, geht es darum, die sandinistische Macht zu
konsolidieren. FSLN-Parlamentsabgeordneter Gustavo Porras gab die Parole aus:
„Wir müssen in allen Gemeinden mit mehr als 50 Prozent gewinnen“. Dieser totale
Triumph ist zwar utopisch, doch jüngste Umfragen geben den sandinistischen
Kandidaten in den meisten Gemeinden gute Chancen. Besonders umkämpft ist
natürlich Managua, wo die Sandinisten bereits die zweite Periode hintereinander
regieren. Sie schicken mit dem ehemaligen Boxweltmeister Alexis Argüello einen
populären politischen Quereinsteiger ins Rennen. Er liegt bei den Demoskopen
knapp vor seinem engsten Rivalen Eduardo Montealegre von der Liberalen Allianz,
der vor zwei Jahren gegen Ortega bei den Präsidentschaftswahlen unterlag. Er
ist allerdings politisch beschädigt, weil ihm eine dubiose Rolle bei der
Rettung der Privatbanken vor einigen Jahren nachgesagt wird.
Der Konkurrenz
von Links hat sich Ortega entledigt. Die Sandinistische Erneuerungsbewegung
(MRS), die vor allem vom städtischen Mittelstand unterstützt wird, darf gar
nicht antreten. Denn der Zentrale Wahlrat hat ihr in einer umstrittenen
Entscheidung wegen angeblicher Formfehler ebenso wie der Konservativen Partei
die Rechtspersönlichkeit entzogen.
Ortega und seine
First Lady Rosario Murillo überlassen nichts dem Zufall. Seit Wochen sind sie
landauf landab unterwegs, wenn es irgendetwas zu verteilen gibt, seien es
Schecks des Null-Hunger-Programms, Häuser eines Wohnbauprojekts oder von
Venezuela gespendete Kochherde. Immer dabei ist auch der Boxchampion Alexis
Argüello. Wer in den Genuß solcher Güter kommen will, tut allerdings gut daran,
den „Bürgerbeteiligungskomitees“ (CPC) beizutreten. Die haben mit
Basispartizipation wenig zu tun. Es sind administrative Parallelstrukturen, die
von den jeweiligen FSLN-Parteisekretären getragen werden. Sie dienen als
Transmissionsriemen der Zentralmacht. Noch Monate vor dem Wahlkampf, am
FSLN-Parteitag Ende Februar, nahm Ortega allen Bürgermeisterkandidaten das
Versprechen ab, sich im Fall ihrer Wahl, den Entscheidungen der CPC zu
unterwerfen. Das führt, wie Carlos Fernando Chamorro, der renommierteste
unabhängige Journalist des Landes, in einem Kommentar kritisiert, zur
Unterhöhlung der in der Verfassung verankerten Gemeindeautonomie, einer
Errungenschaft der sandinistischen Revolution. Denn unter Diktator Anastasio
Somoza war die Autonomie der Kommunen aufgehoben worden.
Während der 17
Jahre konservativer und liberaler Regierungen ermöglichten die autonomen
Gemeinden die Fortführung von Projekten aus der sandinistischen Zeit.
Ausländische Organisationen konnten auf diesem Wege gewachsene Strukturen an
der Regierung vorbei am Leben erhalten. Dass jetzt die Bürgermeister an die
Kandare genommen werden, fügt sich in das Bild der autoritären Amtsführung. Vor
kurzem wurde die Frauenorganisation AMNLAE, die sich eine gewisse
Unabhängigkeit erkämpft hatte, von der Partei übernommen. Eine Spaltung war die
Folge. Unabhängigen Organisationen wird das Leben mit bürokratischen Schikanen,
hetzerischen Medienkampagnen und juristischer Verfolgung schwer gemacht.
Wählerinnen und
Wähler, die mit ihrem sandinistischen Bürgermeister eigentlich zufrieden sind,
die zentralistische Machterweiterung des Ehepaars Ortega aber ablehnen, stehen
vor einem Dilemma. Deswegen ist auch knapp vor dem Urnengang der Prozentsatz
der Unentschlossenen mit rund einem Drittel sehr hoch. Politisch riskant ist
die Entscheidung von MRS-Chef Edmundo Jarquín, dessen Leute ja nicht antreten
dürfen, die jeweils aussichtsreichsten Kandidaten gegen die FSLN zu
unterstützen, egal ob sie jetzt der Liberalen Allianz, der Liberal
Konstitutionalistischen Partei oder der konservativen Allianz für den Wandel
angehören. Parteiintern hat das zu einer Spaltung geführt. Der linke Flügel
unter Mónica Baltodano will nicht mit den traditionellen Gegnern der
sandinistischen Idee gemeinsame Sache machen und ruft zur ungültigen
Stimmabgabe auf.
Der Tag vor und
der Tag nach der Wahl wurden von der Regierung arbeitsfrei gegeben. So soll für
hohe Wahlbeteiligung gesorgt werden. In den acht Gemeinden der Autonomen Region
Nordatlantik, die im September von Hurrikan Felix verwüstet wurde, sollen die
Wahlen am 18. Januar nachgetragen werden. Wahlbeobachter lehnt Daniel Ortega
ab. Weder die Organisation Amerikanischer Staaten, noch der Dachverband der
zivilgesellschaftlichen Organisationen, durften sich akkreditieren.
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