Samstag, 24. Januar 2009
 
Von Soliman zu Omofuma PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Eva Kumar   
Dienstag, 23. Januar 2007

Am Mittwoch, dem 17.1., wurde in einem der repräsentativen Säle des Parlaments
das 2006 von Walter Sauer im Studien-Verlag herausgegebene Buch "Von Soliman zu Omofuma: afrikanische Diaspora in Österreich" präsentiert.

Der große Saal war bis auf den letzten Platz besetzt. Barbara Prammer, die Präsidentin des Nationalrates, eröffnete die Veranstaltung und verwies auf die Biographie Walter Sauers - Ende der 70er Jahre einer der Gründer der Anti-Apartheid-Bewegung in Österreich, der bis heute als Historiker und gesellschaftspolitischer Autor die Spuren Afrikas in Österreich und die Geschichte der afrikanischen Diaspora erforscht und dazu immer wieder erstmalig einzigartige Quellen veröffentlicht hat.

In "Das afrikanische Wien" - 1996 vom Mandelbaum-Verl. aufgelegt - ging es um verborgene Spuren aus der österreichisch-afrikanischen Geschichte im Stadtbild Wiens. Und das Thema von "K&K kolonial" - 2002 bei Böhlau erschienen - beleuchtete die weithin unbekannte Kolonialgeschichte Österreichs.

Prammer betonte die Rolle des Buches als Beitrag zur Internationalisierung Österreichs. Wenn Internationalisierung heißt fähig werden, über den eigenen Tellerrand zu blicken, sich bewusst werden, in einer globalisierten Welt zu leben, die eigene Geschichte betrachten, um die Gegenwart realistisch erfassen zu können, dann stimmt das sicher. Der Herausgeber lässt einzelne Stimmen zu Wort kommen, die die Facetten afrikanischer Einwanderung in Österreich und Rezeption, Verständnis und Umgang der Österreicher mit der "visible minority" der Afrikaner im Land, von den Anfängen im 15. Jahrhundert bis in die Gegenwart darstellen.

Die Nationalratspräsidentin wies in ihrer Einführungsrede auf die Versuche ihrer Fraktion hin, die ablehnenden Verhaltens-Stereotypen immer wieder durch positive Ansätze einer angestrebten weitergehenden Zusammenarbeit auf Gemeinde-, Länder- und Bundesebene zu überwinden. Prammer forderte und stellte in Aussicht, eine Integrations-Plattform mit Beteiligung aller Bereiche, zu gründen. Minderheitenvertrerinnen, Sozialpartner und Experten sollen neben der Tagespolitik gleichberechtigt intensiv über die die vorrangigen Themen der Integration und Immigration diskutieren, um wirksame Handlungsstrategien zu finden. Wie weit das zu realen Ergebnissen und einer Verbesserung der Situation der sichtbaren Minderheit der Afrikaner führen wird, bleibt offen. Man wird sehen. Bisher gab es von politischer Seite her wenig wirksame Anstrengung,
das starr ablehnende fremdenfeindliche Bewusstsein vieler Österreicher nachhaltig zu verändern.

Medien und Politik tragen weiterhin dazu bei, irrationale alte Tabuisierungs-Ängste und Vorurteile der Bevölkerung zu am Leben zu erhalten. So ist - entgegen sicherlich abweichender Meinungen einzelner Abgeordneter und Regierungsmitglieder - im neuen Regierungsprogramm offiziell keine Rede mehr vom Überarbeiten des seit 2005 verschärften, mit der SPÖ zusammen beschlossenen Fremdenrechts-Pakets.

Walter Sauer setzte in seiner Rede bei der Geschichte der afrikanischen Migration nach Österreich an. Erste Einwanderung fand statt im Rahmen
- von Sklavenhandel, als Menschen als kostbare Mitbringsel oder Geschenke für
Geschäftsfreunde oder Politiker dienten;
- von Zirkus- und Völkerschauen, wenn afrikanische Menschen als Schau-Objekte und Ausstellungsgegenstände missbraucht wurden;
- als von der Kirche afrikanische Mädchen für hiesige Nonnen-Klöster zwangsrekrutiert wurden;
- später kamen Afrikaner als Diplomaten und Diplomatinnen ins Land, dann als
Arbeitsmigranten vor allem im Bereich der Zeitungskolportage und noch später, seit Anfang der 90er Jahre, als Krisen-Immigranten.

Walter Sauer möchte in seinem Buch den Stellenwert der afrikanischen Minorität in Österreich vom 15. Jahrhundert an, über das 17. bis ins 20. Jahrhundert widerspiegeln.

Manche der einzigartigen Quellen stammen aus den Archiven Wiens und aus Klöstern der Monarchie. Sie weisen z.B. eine studentische Migration aus Ägypten seit 1820 nach. Es gibt einige wenige Nachweise über die Situation während der Nazizeit und in den KZs sowie später während der Besatzung. Kaum dokumentiert sind z.B. die Anwesenheit der marokkanischen Besatzungssoldaten in Vorarlberg, das französische Besatzungszone war, sowie die Beziehungen der Marokkaner zu Vorarlberger und Tiroler Frauen und die daraus enstandenen Kinder. Niemand hat je zu dieser Thematik geforscht und versucht, Licht in die Tradition des Ausschlusses, der Verleugnung und Ächtung, die bis heute andauert, zu bringen. Durch das Erzählen und Aufschreiben von Geschichte wird sie begreifbar und verständlich und führt - für die Betroffenen - über das Verständnis der eigenen Geschichte - und für alle über das staunende Begreifen von Ausmaß und Beschaffenheit kollektiver Verdrängung solcher Fakten zum Relativieren des offiziell vermittelten Geschichtsbildes.

Walter Sauer ist auf der Suche nach den Spuren von Afrika in Österreich und deren Dokumentation auf eine österreichische Tradition von fortschreitender Diskriminierung und Rassismus gestoßen. Das Zeitalter der Aufklärung, das allgemein als Beginn des Fortschritts, von Emanzipation und Gleichberechtigung und des Entstehens einer Vorstellung der Menschenrechte gilt, bedeutet im Hinblick auf Afrika den Beginn von Kolonialisierung und Inbesitznahme von Mensch und Raum. Das mag der Grund dafür sein, warum die Berufung auf die "europäischen Werte" in der Entwicklungs- und Wirtschaftspolitik mit Afrika - z.B. wenn es um die Haltung Europas zum Zugriff Chinas auf Bodenschätze und Handel in Afrika geht - bei den Afrikanern immer fragwürdig bleibt.

Jahrhundertelang blieben die Berührungspunkte mit der afriklanischen Minderheit gering und die Zuwanderung war kaum spürbar - 1961 wurden bei einer Volkszählung 626 Menschen mit afrikanischer Herkunft gezählt, die aus den verschiedensten Gründen nach Österreich gekommen waren und die hier quasi Nischen fanden, in denen sie sich ihr Leben relativ ungestört aufbauen konnten. Seit 1990 allerdings wurde die krisenbedingte Zuwanderung aus Afrika größer, und der Migrationsdruck auf die EU spiegelt die afrikanischen Verhältnisse, die von der Weltwirtschaft abhängen. Statt nun hier anzusetzen und auf der Ebene der globalisierten Wirtschaft korrigierend einzugreifen, ist die Reaktion der EU-Staaten Abschottung gegen Afrika und eine zunehmende Verschärfung der Immigrationsbestimmungen. Um Europa vor "illegaler" Einwanderung zu "schützen", wird zu einer Art Sonderrecht gegriffen, das wie das Kriegsrecht Menschenrechte außer Kraft setzt. Rechtliche und menschenrechtliche Diskriminierung bis zur Preisgabe an den sicheren Tod in der Wüste hinter der Grenze oder im Ozean und durch das Ausliefern an Plünderer und Verfolger, wird in Kauf genommen, um die unerwünschten Zuwanderer abzuwehren.

Es entstehen in den Städten Europas Menschengruppen, die in auswegloser
Illegalität im Untergrund leben. Durch die Abschottung des Arbeitsmarktes gegen alle - aber vor allem afrikanische - Immigranten wird die Entstehung einer Schattenwirtschaft begünstigt. Es entsteht rechtloser Raum, in dem die afrikanischen Immigranten - in brutaler Konkurrenz mit anderen schwachen Gruppen aus dem südöstlichen Raum - zu überleben versuchen. Die Folgen sind evident und werden lautstark beklagt und als Vorwand genommen, die Spirale des Druckes und der Separation zu verstärken. Wenn der Sklavenhandel in der Geschichte als Verbrechen gegen die Menschlichkeit erkannt und abgelehnt wird, zu welchem Ergebnis werden dann wohl zukünftige Generationen kommen, wenn sie eines Tages die heutige Migrationspolitik bewerten?

Sauer schlägt den geschichtlichen Bogen von den Anfängen der Begegnungen von
Österreichern mit Afrikanern bis zur Situation heute, und es ist keine glorreiche Geschichte. Aber es ist notwendig, sie zu betrachten, um sich selbst zu verstehen. Auch wir Leserinnen und Zuhörerinnen, die wir uns von unserem Österreichertum emanzipiert haben, sind mehr oder weniger bewusst geprägt von den Haltungen der Menschen am Ort unseres Aufwachsens.

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