Immer mehr Asylwerber und –werberinnen aus Tschetschenien werden „rücküberstellt“, d.h. in das Land, aus dem sie eingereist sind, abgeschoben. Manche landen wieder in ihrer Heimat, wo sie einer besonderen Gefahrenlage ausgesetzt sind. Foto: Ralf Leonhard
Fünf Busse mit etwa 100 Tschetschenen sind seit Mitte Dezember nach Polen geschickt worden, gab Innenminister Günter Platter am 6. März bekannt. Möglich macht dies der Fall der Schengengrenze zum Jahresende. Flüchtlinge, die aus Polen – oder anderen Staaten innerhalb des Schengenraums – in Österreich einreisen, um hier Asyl zu beantragen, werden ohne Rücksicht auf Begleitumstände – Traumatisierung, psychische Störungen – zurückgeschickt.
Katarina L., eine junge Asylwerberin aus Tschetschenien, Vollwaise, lebt seit einigen Jahren in Österreich. Ihr Antrag wurde vom Bundesasylamt abgewiesen, die Ausweisung in die Russische Föderation für zulässig erklärt. Ihre Mutter wurde in Tschetschenien vor den Augen der Tochter in einem Willkürakt russischer Soldaten ermordet. Wie eine österreichische Psychotherapeutin feststellte, leidet Katarina seither unter traumatischen Belastungsstörungen: Albträume, Konzentrationsstörungen, beginnende Essstörungen. Auch ihre persönlichen Leistungen und Erfolge für eine gelungene Integration spielten bei der Entscheidung des Asylamtes keine Rolle. Der Fall liegt nun, wie viele andere Tausende Fälle, beim Unabhängigen Bundesasylsenat (UBAS).
Jahrelang genossen tschetschenische Flüchtlinge in Österreich eine außerordentlich hohe Anerkennungsquote von etwa 90 Prozent. Doch seit letztem Jahr geht die Zahl der Anerkennungen stark zurück. Das seit Anfang 2007 geltende neue Asylgesetz erlaubt, dass auch traumatisierte Menschen abgeschoben werden, und die Aufhebung der Schengengrenzen zu Jahresende ermöglicht nunmehr, wie schon erwähnt, die Rückweisung in Einreiseländer wie Polen und Tschechien.
Russische und internationale MenschenrechtsaktivistInnen berichten übereinstimmend von einer Situation extremer Rechtlosigkeit in der kaukasischen Teilrepublik. Besonders seit der ehemalige Boxer, der heute 31-jährige Ramsan Kadyrow, die Regierungsgewalt übernommen hat und mit seinen Milizen ein Schreckensregime ausübt. Unter seinem Regime, das im vergangenen Dezember bei einer Wahlbeteiligung von 99 % mit 99 % bestätigt wurde, hat die Rückkehrgefährdung stark zugenommen. Wie die russische Menschenrechtsorganisation Memorial feststellt, seien RückkehrerInnen beliebte Opfer von Lösegeld-Erpressungen. Weiters wird – in der Regel durch Folter – versucht herauszufinden, was die rückkehrenden Flüchtlinge im Ausland gemacht haben.
Katarina L. muss weiter warten – ständig mit der panischen Angst im Nacken, wieder in ihre Heimat abgeschoben zu werden. Human Rights Watch und Amnesty International weisen auf die besondere Gefährdung von Angehörigen von vermuteten Aufständischen und auf schwere Menschenrechtsverletzungen gegen Frauen hin. Ein Bruder von Katarina wurde im Vorjahr verhaftet und gefoltert. Ihre Furcht vor Verfolgungshandlungen ist fundiert. Und die Gerüchte – oder unbestätigten Meldungen – in der tschetschenischen Flüchtlingsgemeinde, dass AsylwerberInnen nach ihrer Abschiebung ins Kadyrow-Regime verschwunden sind, steigern die Angst vor einer Rückkehr weiter.
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