Samstag, 24. Januar 2009
 
Ungarn: Eier auf den Premier PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Ralf Leonhard   
Donnerstag, 10. Mai 2007

Mit Eiern und Steinen attackierten rechtsextreme Randalierer Mittwoch abend Premier Ferenc Gyurcsány bei einer Gedenkfeier für Faschistenopfer. Die Leibwächter versuchten die Geschosse mit Regenschirmen abzuwehren. An der "Friedenskette" von rund 15.000 Menschen nahmen auch Delegationen der Roma-Selbstverwaltung und der jüdischen Gemeinde teil. Ihnen galten hasserfüllte Parolen, wie "dreckige Juden" und "Landesverräter".

„Wer nur mit Eiern werfen kann, ist feige und kein Demokrat“, wetterte Gyurcsány, nachdem die Polizei die Randalierer einigermaßen abgedrängt hatte. Er sprach sich für ein „Ungarn der Liebe und des Verständnisses“ aus. Damit nahm er nicht nur auf das Gemetzel ungarischer Faschisten zwischen der Kettenbrücke und der Margaretenbrücke vor mehr als sechs Jahrzehnten Bezug. Wo immer der Ministerpräsident auftritt, sieht er sich als Ziel von Glatzköpfen und anderen rechtsradikalen Jugendlichen. Oppositionsführer Viktor Orbán von der rechtspopulistischen Fidesz geht zwar zu den Extremisten auf Distanz, lässt aber keine Gelegenheit aus, den Rücktritt des Regierungschefs zu fordern. Seit der Enthüllung der sogenannten "Lügenrede" im vergangenen September wird gegen Gyurcsány mobilisiert. In der parteiinternen Ansprache hatte der Premier zugegeben, das Volk im Wahlkampf über den beklagenswerten Zustand der Wirtschaft belogen zu haben. Das Thema ebenso schmerzhafter wie unumgänglicher Reformen war daher in der Wahlkampagne ausgespart worden.

Wie polarisiert die Stimmung in Ungarn ist, beweist auch die Schändung des Grabs von Ex-KP-Chef János Kádár in der vergangenen Woche. Der Metallsarg war aufgebrochen und der Schädel des 1989 – kurz vor der politischen Wende – verstorbenen Staatsmanns gestohlen worden. "Für Mörder und Verräter ist kein Platz in der heiligen Erde" sprayte jemand auf das "Pantheon der Arbeiterbewegung" unweit des Grabes. Kádár war nach der Niederschlagung der Revolution von 1956 mehr als 30 Jahre Chef der Kommunistischen Partei und wird für zahlreiche Erschießungen von Aufständischen und Dissidenten verantwortlich gemacht.

Die geraubten Überreste werden in einer Reisetasche vermutet, die die Polizei Mittwoch bei einer Razzia in der Wohnung rechtsextremer Verschwörer sicherstellte. Auf einen anonymen Hinweis hatte sie dort Sprengstoff und die Pläne für einen Anschlag gefunden. Drei Männer, unter ihnen ein bekannter Rechtsradikaler, wurden festgenommen.

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