Samstag, 24. Januar 2009
 
Spanien: Massenprozess gegen Massenorganisation PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Uschi Grandel   
Mittwoch, 23. April 2008

Vor dem spanischen Sondergerichtshof Audiencia Nacional in Madrid begann am 21. April ein Massenprozess: 27 Männer und Frauen stehen vor Gericht, die seit Jahren in den Strukturen der baskischen Bewegung Gestoras Pro Amnistía-Askatasuna (Bewegung Pro-Amnestie – Freiheit) aktiv sind.

Ihre Aktivität richtet sich gegen staatliche Unterdrückung und Willkür, gegen Folter, für die Solidarität mit den vielen politischen Gefangenen aus dem Baskenland, die auf Gefängnisse in ganz Spanien verteilt sind. Die Arbeit der pro-Amnestie-Bewegung ist im Baskenland und auch europaweit bei Menschenrechtsorganisationen hoch geachtet.


"Gestoras Pro Amnistía-Askatasuna ist nicht nur bekannt sondern anerkannt", schreibt der Kommentator der baskischen Zeitung GARA. Ihre Arbeitsweise ist offen und transparent, sie reicht von der Organisation von Protesten, über  praktische Hilfe für Gefangene bis zur Aufarbeitung von Zahlenmaterial über die Formen der Unterdrückung durch die Polizei und Justiz des spanischen und (in geringerem Umfang) auch des französischen Staates. Ihre Aktionen sind friedlich, im Rahmen der Gesetze und öffentlich.


Die spanische Regierung unter Zapatero setzt wie die Regierungen vor ihr, im baskischen Konflikt auf Unterdrückung und nicht auf eine Lösung. Ihr Problem ist dabei, dass die Unabhängigkeitsbewegung sehr lebendig alle sozialen, kulturellen und politischen Lebensbereiche umfasst. Sie kommt nicht nur, wie es die spärlichen Medienberichte vermuten lassen, in der Auseinandersetzung zwischen der ETA und dem Militär- und Polizeiapparat des spanischen Staates zum Ausdruck.


Die spanische Regierung könnte einen Blick auf den Konfliktlösungsprozess in Nordirland werfen und daraus lernen. Die britische Regierung scheiterte kläglich daran, die Solidarität mit den Gefangenen, mit den Verfolgten, mit den Opfern von Todesschwadronen zu verbieten und von der Straße prügeln zu lassen. Letztendlich musste auch sie lernen, dass staatliches Unrecht Märtyrer schafft und dass hunderte politische Gefangene tausende Familien- angehörige, Freunde und Bekannte haben. 100.000 Menschen folgten dem Sarg von Bobby Sands, der 1981 im Hungerstreik für die Anerkennung als politischer Gefangener starb. Der Protest richtete sich gegen die Politik einer britischen Regierung, die dachte, den politischen Konflikt zur kriminellen Verschwörung umdeuten zu können und damit die politischen Gegner als Kriminelle zu isolieren.                      


Weit über 700 politische baskische Gefangene gibt es zur Zeit. Das sind mehr als gegen Ende des Franco Regimes Mitte der siebziger Jahre. Seit 1969 hat die Zahl der Gefangenen diese Höhe nicht mehr erreicht. Die baskische Bewegung Gestoras Pro Amnistía-Askatasuna (Bewegung Pro-Amnestie – Freiheit) ist in praktisch jeder Stadt und jedem Dorf in den baskischen Gebieten vertreten. Sie mobilisiert tausende Baskinnen und Basken zu Solidaritäts- und Protestaktionen. Kein Wunder, dass sie einer Politik der Entrechtung und der Illegalisierungen ein Dorn im Auge ist. Seit 2001 ist sie nun selbst suspendiert, einige ihrer bekanntesten Sprecher saßen zum Teil bereits vier Jahre in Untersuchungshaft, ohne je ein Gerichtsverfahren gesehen zu haben.


Den Prozess, der am Montag, den 21. April 2008, begann, sehen die Angeklagten als Schauprozess. Für sie steht das Urteil fest. Die Staatsanwaltschaft fordert zehn Jahre für jeden der Angeklagten "wegen Zugehörigkeit zu einer bewaffneten Organisation". Einer der Anklagepunkte wirft den Angeklagten "Formen der Auseinandersetzung, die komplementär zu denen der ETA sind", vor. Ein anderer Punkt der Anklageschrift wirft der Organisation vor, "das Mitgefühl (auszunutzen), das durch die angebliche Verletzung der Rechte der ETA-Gefangenen entsteht, um neue Freiwillige zu generieren, die die operative Struktur der ETA erneuern". Die spanische Regierung lässt derzeit nicht einmal die Entlassung schwer kranker Häftlinge zu. Was meint sie wohl zu erreichen, wenn sie Mitgefühl und Solidaritätsaktionen unter Strafe stellt?
 

"Diese Art von Prozessen politischer Justiz entfernt uns weiter von den Zielen, die wir mit der baskischen Gesellschaft teilen: ein Ende der Unterdrückung und eine endgültige Lösung des baskischen Konflikts", schreibt Julen Arzuaga, Koordinator der Menschenrechtsorganisation Behatokia (http://www.behatokia.info/) und Angeklagter im Prozess, am Schluss seiner Übersicht zum Prozess, zur Anklage und zur Arbeit und Geschichte von Gestoras Pro Amnistía-Askatasuna.


Weitere Informationen zum Prozess finden Sie auf der Webseite
http://www.ehwatch.org/ in spanischer, französischer und englischer Sprache.

Wir verweisen auch auf unsere Hintergrundseite zum baskisch-spanischen Konflikt:

in deutscher Sprache: http://www.info-nordirland.de/euskalherria/key_eh_d.htm
in englischer Sprache: http://www.info-nordirland.de/euskalherria/key_eh_e.htm
          

Info Nordirland – Unterstützt den Friedensprozess in Nordirland
http://www.info-nordirland.de/
c/o Dr. Uschi Grandel
Holzhaussiedlung 15
84069 Schierling
Tel.: 0049.(0)9451.949859

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