Am 1. Oktober präsentierte Landwirtschaftsminister und Chef der ÖVP-Perspektivengruppe die Reformideen ebendieser Gruppe. Die eingetragene Partnerschaft für Homosexuelle ist eine der Neuerungen, die vorgeschlagen wird. Für die einschlägigen Lobbygruppen ist das ein guter Anfang, gehe aber nicht weit genug.
Willkommen im vorigen Jahrhundert
Das Rechtskomitee LAMBDA (RKL), Österreichs Bürgerrechtsorganisation für homo- und bisexuelle sowie transidente Frauen und Männer, begrüsst mit grosser Freude die heutige Initiative von VP-Minister Josef Pröll für eine am Standesamt zu schliessende eingetragene Partnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare analog zur Ehe. Zugleich bedauert es den apodiktischen Ausschluss jeglicher Adoption von Kindern und das Stehenbleiben beim Konzept des sexuellen Rassismus aus dem vorigen Jahrhundert. Das RKL appelliert an die SPÖ, sich jetzt energisch zumindest für die Ermöglichung der Stiefkindadoption einzusetzen.
Die Initiative Prölls und seiner MitarbeiterInnen stellt, so sie erfolgreich sein wird, einen Quantensprung innerhalb der katholisch-konservativen ÖVP dar. Dafür kann dem Minister und seinen MitarbeiterInnen nicht genug gedankt werden. Dieser Quantensprung ist freilich lediglich einer in das vorige Jahrhundert. Denn der Vorschlag des zuständigen Perspektivengruppenarbeitskreises, die Zivilehe auch für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen, wurde nicht übernommen.
Von der Rechtlosigkeit zum sexuellen Rassismus
Der Arbeitskreis “Familie und Recht" hat im Sommer für gleichgeschlechtliche Paare die Aufhebung des Eheverbotes und die Ermöglichung der Zivilehe vorgeschlagen. Gleichgeschlechtliche Ehepaare sollten mit kinderlosen verschiedengeschlechtlichen Ehepaaren gleichgestellt werden. Dabei war der Arbeitskreis, in den RKL-Präsident Dr. Graupner zu einem Vortrag eingeladen wurde, nicht vom liberalen Flügel der ÖVP sondern von ProponentInnen des konservativ-katholischen Kernbereichs der ÖVP dominiert.
Dieser interne Vorschlag des Arbeitskreises wurde bei der öffentlichen Präsentation der Ergebnisse am 26. September 2007 nicht mehr vorgebracht und Minister Pröll entschied sich nun mit der eingetragenen Partnerschaft für ein Modell aus den Anfängen der Gleichstellung als die skandinavischen Staaten im vorigen Jahrhundert homosexuelle Paare aus der Rechtlosigkeit holten und Sonderinstitute analog zur Ehe kreierten. Dieser sexuelle Rassismus wird jetzt im 21. Jahrhundert überwunden. Die Niederlande, Belgien und Spanien haben - getreu dem Grundsatz: "Ein Recht für alle" - kein Sonderrecht geschaffen sondern das Eheverbot aufgehoben und in Skandinavien gehen Schweden und Norwegen bereits daran, die Sonderinstitute wieder abzuschaffen und die Ehe für alle zu öffnen.
Ebensowenig wie man ein bißchen schwanger oder ein bißchen tot sein kann, kann man ein bißchen gleich sein. Gleichbehandlung ist solange nicht verwirklicht solange es zweierlei Recht für zweierlei Gruppen von Menschen gibt. Getrennt ist nicht gleich!
Es gibt kein Steuerrecht für Menschen mit weisser und ein anderes für Menschen mit schwarzer Hautfarbe. Und kein Gewerberecht für Juden und ein anderes für Christen. Ebensowenig darf es ein Partnerschaftsrecht für homosexuelle und ein anderes für heterosexuelle Paare geben.
Hinzu kommt, dass eine eingetragene Partnerschaft, im Gegensatz zur Öffnung der Ehe, gleiche Rechte für homosexuelle Paare nur auf Bundesebene bringen kann, nicht aber in den neun Bundesländern (etwa bei den Landes- und Gemeindebediensteten, der Wohnbauförderung, dem Grundverkehr etc.).
Sollte eine eingetragene Partnerschaft eingeführt werden, wird das Rechtskomitee LAMBDA (RKL) das Ende der Ära der Rechtlosigkeit begrüssen, gleichzeitig aber vom Tag des Inkrafttretens des Gesetzes für die Überwindung des damit geschaffenen sexuellen Rassismus arbeiten: für die Beendigung des Ausschlusses heterosexuelle Paare von der eingetragenen Partnerschaft einerseits und für die Aufhebung des Eheverbots für homosexuelle Paare andererseits.
(Stiefkind)Adoption: Appell an die SPÖ
Jedenfalls muss aber eine eingetragene Partnerschaft auch Adoptionsrechte umfassen. Gerade die Rechte und Pflichten hinsichtlich Kindern sind, vor allem für die betroffenen Kinder, ganz besonders dringend und wichtig.
In Österreich wachsen zehntausende Kinder in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften auf. Lesbische, schwule und bisexuelle Eltern tragen alleine oder in Partnerschaft Verantwortung für die Erziehung und das Wohlergehen ihrer Kinder. Doch noch immer sind diese Regenbogenfamilien Familien zweiter Klasse und werden rechtlich diskriminiert. Auch sie haben im Interesse der Kinder Anspruch auf Rechtssicherheit. Lesben, Schwule und Bisexuelle sind keine schlechteren Eltern als heterosexuelle Menschen, nur weil sie eine andere sexuelle Orientierung haben.
Insbesondere die fehlende Möglichkeit zur Stiefkindadoption (also des leiblichen Kindes des/der PartnerIn) entzieht den Kindern Versorgungsansprüche wie Erbrechte und sorgt für Unsicherheit. Das kann nicht im Interesse des Kindeswohls sein. Wir fordern vom Gesetzgeber ein gemeinsames Sorge- und Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare und eine umfassende steuer-, sozial-, erb- und namensrechtliche Anerkennung von Regenbogenfamilien. Alles andere ist Diskriminierung.
Faktum ist, dass nicht nur die Eltern, sondern vor allem die Kinder, die in Regenbogenfamilien aufwachsen, schlechter gestellt sind als die Kinder, die in anderen Lebensgemeinschaften, etwa den traditionellen Ehen, aufwachsen. Diese massiv diskriminierende Ungleichbehandlung hat mit Rechtssicherheit, Chancengleichheit und einer dem Kindeswohl verpflichteten Familienpolitik herzlich wenig, mit Vorurteilen und mangelndem Realitätssinn aber sehr viel zu tun.
Widerspruch zu bisherigen VP-Aussagen
Das RKL ist auch verwundert über den apodiktischen Ausschluss jeglicher Adoption, haben doch sämtliche ÖVP-PolitikerInnen, einschliesslich der MinisterInnen, mit denen das RKL in den vergangenen Monaten Gespräche geführt hat, betont, dass gegen eine Stiefkindadoption - im Gegensatz zur Fremdkindadoption - kein Einwand bestehe, weil diese Kinder ohnehin in Regenbogenfamilien aufwachsen.
Das RKL ruft insb. die SPÖ dazu auf, sich jetzt energisch zumindest für die Ermöglichung der Stiefkindadoption einzusetzen, wie dies etwa in den Niederlanden, in Belgien, in Dänemark, Schweden, Norwegen, Island, Grossbritannien sowie in Spanien, und in der Bundesrepublik Deutschland bereits Wirklichkeit ist.
“Wir danken Josef Pröll und seinen MitarbeiterInnen für ihre engagierte Initiative, drücken Ihnen dafür unsere grosse Wertschätzung aus und hoffen auf ihre innerparteiliche Durchsetzungskraft", sagt der Wiener Rechtsanwalt und Präsident des RKL, Dr. Helmut Graupner, “Gleichzeitig ersuchen wir ihn, den Ausschluss der (Stiefkind)Adoption noch einmal zu überdenken, und vor allem werden wir nach der Rechtlosigkeit auch den sexuellen Rassismus bekämpfen, damit auch bei der sexuellen Orientierung gilt was Kinder bereits im Sandkasten lernen: Ein Recht für alle!"
Das 1991 gegründete Rechtskomitee LAMBDA (RKL) arbeitet überparteilich und überkonfessionell für die umfassende Verwirklichung der Menschen- und Bürgerrechte gleichgeschlechtlich l(i)ebender Frauen und Männer. In seinem Kuratorium vereinigt es so prominente Mitglieder wie Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer, NRPräs. Mag. Barbara Prammer, die vormalige Justizministerin Mag. Karin Gastinger, Präs. NRAbg.a.D. Peter Schieder, Volksanwältin Mag. Terezija Stoisits, den Generaldirektor für öffentliche Sicherheit Dr. Erik Buxbaum, die Präsidentin der Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter Dr. Barbara Helige, die Vizepräsidentin der Rechtsanwaltskammer Wien Dr. Elisabeth Rech, den Vorstandsvorsitzenden der D.A.S.- Rechtsschutzversicherung Dr. Franz Kronsteiner, den Präsidenten des Weissen Rings Dr. Udo Jesionek, den Generalsekretär von Amnesty International Österreich Mag. Heinz Patzelt und die bekannten Menschenrechtsexperten HR Dr. Lilian Hofmeister und Univ.-Prof. Dr. Manfred Nowak, die Verfassungsexperten Univ.-Prof. Dr. Christian Brünner, Univ-Prof. Dr. Bernd-Christian Funk, Univ.-Prof. Dr. Heinz Mayer und Univ.-Prof. Dr. Ewald Wiederin, den renommierten Kinder- und Jugendpsychiater Univ.-Prof. Dr. Max Friedrich und die Kinder- nd JugendanwältInnen von Wien DSA Monika Pinterits und Dr. Anton Schmid, die Sexualwissenschafter Univ.-Prof. Dr. Josef Christian Aigner, Prof. Dr. Rotraud Perner und Mag. Johannes Wahala, den Theologen Univ.-Prof. Dr. Kurt Lüthi, Life-Ball-Organisator Gery Keszler, Entertainer Günter Tolar u.v.a.m. Das 15jährige Bestehen des Rechtskomitees LAMBDA (RKL) wurde am 2. Oktober 2006 mit einem historischen Festakt im Nationalratssitzungssaal des Parlaments in Wien gefeiert. Dieser weltweit ersten Ehrung einer homosexuellen Bürgerrechtsorganisation in einem nationalen Parlament wohnten unter den über 500 TeilnehmerInnen auch höchste RepräsentantInnen aus Justiz, Verwaltung und Politik bei.