Ein Gerichtsprozess in
Italien wegen Schlepperei wird die Angeklagten zu Anklaegern der Festung Europa
machen.
Seit ueber zwei Jahrzehnten gibt es Kirchenasyl in
Deutschland: Engagierte Pfarrgemeinden stellen illegalisierte Fluechtlinge
unter ihren Schutz. Vielen wurde so schliesslich doch ein legaler Status
erkaempft.
Am 10. und 11. November 2006 hielt die "Oekumenische
Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche" in Berlin eine Tagung zum
Thema "Glaubwuerdig leben -- widerstaendig handeln. Solidaritaet mit den
Entwurzelten" ab.
Als Gastredner nahm Elias Bierdel teil, ehemaliger
Chef des Komitees "Cap Anamur", dessen Bericht zu den Hoehepunkten dieser
Konferenz gehoerte.
Die Besatzung des Schiffs "Cap Anamur" hatte 37
Bootsfluechtlinge aus Afrika vor dem Ertrinken gerettet. Der Versuch, die
Schiffbruechigen gemaess internationalem Seerecht an der Kueste des
naechsten Landes (Italien) in Sicherheit zu bringen, loeste im Juli 2004
einen Militaereinsatz des Berlusconi-Regimes aus, als ob es darum ginge,
Italien vor einer Invasion zu bewahren.
Zwar wurde nach Protesten die
Landung erlaubt, die Fluechtlinge aber wurden verhaftet, brutal misshandelt
und ohne Pruefung ihrer Asylantraege abgeschoben. Dies, obwohl 37
italienische Gemeinden bereit waren, je einen der Fluechtlinge aufzunehmen.
Ein Abgeschobener wurde in seinem Heimatland bald darauf von seinen
Verfolgern niedergeschossen und schwer verletzt. Ein anderer ertrank im
April 2006 bei seinem zweiten Versuch, nach Europa zu gelangen, als sein
Boot im Sturm vor Lampedusa kenterte.
Der Kapitaen der Cap Anamur, Stefan
Schmidt, der erste Offizier Vladimir Daschkewitsch und Bierdel wurden
ebenfalls verhaftet, nach massiven Protesten der italienischen
Zivilgesellschaft aber freigelassen. Ab 27. November stehen sie in Italien
wegen "Schlepperei" vor Gericht; dafuer kann ihnen Gefaengnis bis zu zwoelf
Jahren drohen.
Bierdel dazu in einer Aussendung: "Es war augenscheinlich
Strategie hoher Regierungsstellen, an der ‘Cap Anamur’ ein Exempel zu
statuieren, um potentielle ‘Nachahmungstaeter’ von Rettungsfahrten im
Mittelmeer oder vor den Kanaren abzuhalten. Die fortgesetzte
Strafverfolgung, die schliesslich in einen jahrlangen Zermuerbungs-Prozess
muendet, passt in diese Strategie der damaligen Innenminister Otto Schily
und Beppe Pisanu, die im Juli 2004 oeffentlich erklaert hatten, ihnen gehe
es vor allem darum, ‘einen gefaehrlichen Praezedenzfall zu
verhindern’."
Dass es sich bei diesem Verfahren um einen vorwiegend
politisch motivierten Schau-Prozess handle, so Bierdel, sei schon anhand der
wackeligen Rechtsgrundlage ersichtlich: "Bestehen doch die Hauptkennzeichen
der ‘Schlepperei’ laut Gesetz vor allem darin, dass diese 1. heimlich und 2.
zum Zwecke des Gelderwerbs betrieben wird. Beides aber ist auf der ‘Cap
Anamur’ nachweislich nicht der Fall gewesen."
Doch dass es nun zum
Prozess komme, habe auch sein Gutes, meint Bierdel: "Nun werden diejenigen
Behoerdenvertreter und Regierungsbeamten, die mit ihren Falschaussagen zur
Kriminalisierung der ‘Cap Anamur’ beigetragen haben, als Zeugen vor Gericht
erscheinen muessen."
Die Tagungsteilnehmer in Berlin beschlossen, eine
internationale Solidaritaetskampagne fuer die Angeklagten der "Cap Anamur"
zu fuehren.
Auf Aktionsveranstaltungen in vielen europaeischen Laendern
soll gezeigt werden, welches Mass an Schuld der reiche Norden daran traegt,
dass die Lebensgrundlagen Afrikas zerstoert wurden, sodass zahllose Menschen
keine andere Wahl mehr haben, als auszuwandern.
Elias Bierdel kommt nach Wien zur Veranstaltung:
"Rettungsfahrt mit Folgen" - Studientag zum Thema:
Menschenrechtsverletzungen an der Festung Europa: Freitag, 1.Dezember 2006,
10-17 Uhr, Oesterreichische Beamtenversicherung (OeBV), Grillparzerstrasse
11, 1010 Wien, Anmeldungen an: