Samstag, 24. Januar 2009
 
EU/Italien: Der Fall "Cap Anamur" PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Asyl in Not/akin   
Donnerstag, 23. November 2006

Ein Gerichtsprozess in Italien wegen Schlepperei wird die Angeklagten zu Anklaegern der Festung Europa machen.

Seit ueber zwei Jahrzehnten gibt es Kirchenasyl in Deutschland: Engagierte
Pfarrgemeinden stellen illegalisierte Fluechtlinge unter ihren Schutz.
Vielen wurde so schliesslich doch ein legaler Status erkaempft.

Am 10. und 11. November 2006 hielt die "Oekumenische
Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche" in Berlin eine Tagung zum
Thema "Glaubwuerdig leben -- widerstaendig handeln. Solidaritaet mit den
Entwurzelten" ab.

Als Gastredner nahm Elias Bierdel teil, ehemaliger Chef des Komitees "Cap
Anamur", dessen Bericht zu den Hoehepunkten dieser Konferenz gehoerte.

Die Besatzung des Schiffs "Cap Anamur" hatte 37 Bootsfluechtlinge aus Afrika
vor dem Ertrinken gerettet. Der Versuch, die Schiffbruechigen gemaess
internationalem Seerecht an der Kueste des naechsten Landes (Italien) in
Sicherheit zu bringen, loeste im Juli 2004 einen Militaereinsatz des
Berlusconi-Regimes aus, als ob es darum ginge, Italien vor einer Invasion zu
bewahren.

Zwar wurde nach Protesten die Landung erlaubt, die Fluechtlinge aber wurden
verhaftet, brutal misshandelt und ohne Pruefung ihrer Asylantraege
abgeschoben. Dies, obwohl 37 italienische Gemeinden bereit waren, je einen
der Fluechtlinge aufzunehmen. Ein Abgeschobener wurde in seinem Heimatland
bald darauf von seinen Verfolgern niedergeschossen und schwer verletzt. Ein
anderer ertrank im April 2006 bei seinem zweiten Versuch, nach Europa zu
gelangen, als sein Boot im Sturm vor Lampedusa kenterte.

Der Kapitaen der Cap Anamur, Stefan Schmidt, der erste Offizier Vladimir
Daschkewitsch und Bierdel wurden ebenfalls verhaftet, nach massiven
Protesten der italienischen Zivilgesellschaft aber freigelassen. Ab 27.
November stehen sie in Italien wegen "Schlepperei" vor Gericht; dafuer kann
ihnen Gefaengnis bis zu zwoelf Jahren drohen.

Bierdel dazu in einer Aussendung: "Es war augenscheinlich Strategie hoher
Regierungsstellen, an der ‘Cap Anamur’ ein Exempel zu statuieren, um
potentielle ‘Nachahmungstaeter’ von Rettungsfahrten im Mittelmeer oder vor
den Kanaren abzuhalten. Die fortgesetzte Strafverfolgung, die schliesslich
in einen jahrlangen Zermuerbungs-Prozess muendet, passt in diese Strategie
der damaligen Innenminister Otto Schily und Beppe Pisanu, die im Juli 2004
oeffentlich erklaert hatten, ihnen gehe es vor allem darum, ‘einen
gefaehrlichen Praezedenzfall zu verhindern’."

Dass es sich bei diesem Verfahren um einen vorwiegend politisch motivierten
Schau-Prozess handle, so Bierdel, sei schon anhand der wackeligen
Rechtsgrundlage ersichtlich: "Bestehen doch die Hauptkennzeichen der
‘Schlepperei’ laut Gesetz vor allem darin, dass diese 1. heimlich und 2. zum
Zwecke des Gelderwerbs betrieben wird. Beides aber ist auf der ‘Cap Anamur’
nachweislich nicht der Fall gewesen."

Doch dass es nun zum Prozess komme, habe auch sein Gutes, meint Bierdel:
"Nun werden diejenigen Behoerdenvertreter und Regierungsbeamten, die mit
ihren Falschaussagen zur Kriminalisierung der ‘Cap Anamur’ beigetragen
haben, als Zeugen vor Gericht erscheinen muessen."

Die Tagungsteilnehmer in Berlin beschlossen, eine internationale
Solidaritaetskampagne fuer die Angeklagten der "Cap Anamur" zu fuehren.

Auf Aktionsveranstaltungen in vielen europaeischen Laendern soll gezeigt
werden, welches Mass an Schuld der reiche Norden daran traegt, dass die
Lebensgrundlagen Afrikas zerstoert wurden, sodass zahllose Menschen keine
andere Wahl mehr haben, als auszuwandern.

Elias Bierdel kommt nach Wien zur Veranstaltung: "Rettungsfahrt mit
Folgen" - Studientag zum Thema: Menschenrechtsverletzungen an der Festung
Europa: Freitag, 1.Dezember 2006, 10-17 Uhr, Oesterreichische
Beamtenversicherung (OeBV), Grillparzerstrasse 11, 1010 Wien, Anmeldungen
an:
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