Samstag, 24. Januar 2009
 
Argentinien von Kirchner zu Kirchner PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Harald Neuber   
Montag, 17. September 2007

Ende Oktober wird der amtierende Präsident Argentiniens das höchste Staatsamt wohl an seine Ehefrau übergeben, deren Sieg in den Wahlen vom 28. Oktober als sicher gilt.



Man könne sich schon einmal daran gewöhnen, kündigte die argentinische Senatorin
Cristina Kirchner unlängst an, dass es zukünftig »Präsidentin« statt »Präsident«
heißen werde. Glaubt man den aktuellen Umfragen, wird das nach den Wahlen am 28.
Oktober tatsächlich die einzige Neuerung an der Regierungsspitze sein. Denn der Name des Staatsoberhauptes bleibt gleich: Auf den amtierenden Néstor Kirchner folgt allen Prognosen nach die Peronistin und Präsidentengattin Cristina Kirchner.

Treffen mit US-Konzernen

Nach Einschätzungen mehrerer Umfrageinstitute kann die Politikerin mit 46 bis 50
Prozent der Stimmen rechnen. Damit würde sie schon nach der ersten Wahlrunde in den Präsidentenpalast »Casa Rosada« in Buenos Aires einziehen. Nach dem argentinischen Wahlrecht sind für einen direkten Sieg mindestens 45 Prozent der abgegebenen Stimmen nötig, oder mehr als 40 bei einem Abstand von zehn Prozentpunkten zum zweitplazierten Kandidaten.

Der Erfolg Cristina Kirchners von der peronistischen Gerechtigkeitspartei (PJ) ist auch einer konsequenten Bündnispolitik des noch amtierenden Präsidenten geschuldet. Der letzte Coup war den Kirchners im August gelungen, als sie für das Amt des Vizepräsidenten den Gouverneur der Provinz Mendoza gewannen. Julio Cobos' Kandidatur wurde Mitte des Monats in einem Stadion in Buenos Aires offiziell bekannt gegeben. Wenige Tage zuvor war er aus der liberalen »Radikalen Bürgerunion« (UCR) ausgeschlossen worden, die sich seit Jahren in einem Prozess der Selbstauflösung befindet. Das Gespann Kirchner-Cobos fischt damit in der Wählerschaft der beiden ehemals großen politischen Lager: der Peronisten und der Bürgerunionisten.

Um den »Kirchnerismus« als relativ junges Phänomen der argentinischen Politik
bewerten zu können, ist auch der Blick auf die internationalen Bündnispartner
aussagekräftig. Wenige Tage vor der pompös aufgezogenen Präsentation des
Präsidentschaftsduos im Luna-Park-Stadion in der Hauptstadt hatte Cristina Kirchner beim Amerika-Rat vorgesprochen, einer US-amerikanischen Unternehmerorganisation, die 1965 von David Rockefeller gegründet worden war. »Argentinien«, versicherte sie den US-Unternehmern bei dem Treffen in den Räumen des IT-Konzerns Microsoft, »bietet hervorragende Geschäftsmöglichkeiten«.

Komme sie an die Präsidentschaft, werde sie zudem ein Gesetz einschränken, das
Arbeitern und Angestellten bei unbegründeten Entlassungen eine großzügige Abfindung garantiert. Die Regelung war auf dem Klimax der Finanzkrise Anfang 2002 als Teil der Notstandsgesetzgebung eingeführt worden. Susan Segal, Hauptgeschäftsführerin des Unternehmerverbandes, erklärte nach dem Treffen euphorisch, sie hätte »nie so positive Nachrichten erwartet«.

In dem alternativen Nachrichtenportal »Rebelion.org« kritisierte Miguel Lamas von der trotzkistischen »Sozialistischen Linken« aus Argentinien die Annäherung
Kirchners an US-Unternehmer hingegen harsch. Der Vorsitzende des Amerika-Rats, William Rhodes, habe nach der Finanzkrise 2002 die kollektiven Verhandlungen von
Kreditinstituten mit dem argentinischen Staat geführt – zu Lasten der Bevölkerung als Hauptgeschädigte des Kollaps. In den Jahren vor der Krise habe Rhodes zudem engste Kontakte zu dem Expräsidenten Carlos Menem unterhalten, der zum ultrarechten Flügel der Peronisten gehört.

Für regionale Integration

Zu den Widersprüchen des »Kirchnerismus« zählt allerdings auch, dass die beiden
Namensgeber trotz ihrer wirtschaftsliberalen Orientierung zu den verlässlichsten
Bündnispartnern der venezolanischen Regierung und damit zu den Garanten eines
regionalen Integrationsprozesses gehören. Teil dieser Politik ist die konsequente Loslösung aus dem neoliberalen Finanzsystem. Mit Venezuelas Hilfe hat sich Argentinien bei IWF und Weltbank entschuldet. Ende Februar dieses Jahres legte Präsident Néstor Kirchner zudem den Grundstein für eine eigene regionale Entwicklungsbank. Dieser »Bank des Südens« haben sich inzwischen schon Brasilien, Ecuador, Paraguay und Uruguay angeschlossen. Und als rechte Parteien in Brasilien und Paraguay einen Eintritt Venezuelas in das regionale Freihandelsbündnis Mercosur verhindern wollten, war es Argentinien, das zum Bruch der Blockade aufrief. Zwar bedeutet das nicht, dass die Allianz zwischen Caracas und Buenos Aires auf einem linken Konsens fußt. Realpolitisch aber hat sie den Vormarsch der Rechten verhindert.


www.haraldneuber.de

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