Die Studierendenproteste in Venezuela werden von Parteien und ausländischen Gruppen beeinflusst.
Die beiden Studenten knien mitten auf der Hauptstraße von Caracas. In ihrer sportlichen Kleidung erwecken sie nicht den Eindruck von Militanz. Beide halten den nahenden Mannschaftswagen von Haupstadtpolizei und Nationalgarde Pappschilder entgegen. »Nein zur Schließung von RCTV« steht darauf und »Freiheit«.
Das medienwirksame Auftreten der Regierungsgegner hält Venezuela auch zweieinhalb Wochen nach einer kontrovers diskutierten Entscheidung um den größten privaten Fernsehsender »Radio Caracas Televisón« (RCTV) in den Schlagzeilen der internationalen Presse. Am 27. Mai waren nach zwei Jahrzehnten die Nutzungsrechte für den frei zu empfangenden zweiten staatlichen Kanal ausgelaufen. Die Telekommunikationsbehörde Conatel hat die Lizenz der neuen öffentlichen Sendeanstalt »Soziales Venezolanisches Fernsehen« (TVes) zugesprochen. Während die Festlegung im Chávez-Lager als »Demokratisierung des Rundfunks« verteidigt wurde, beklagen Gegner der Regierung im In- und Ausland eine Verletzung der »Presse- und Informationsfreiheit«. Starke Worte für einen Fernsehkanal, der maßgeblich durch seine Seifenopern berühmt geworden war.
Die Studierenden ficht das nicht an. Sie befinden sich bereits in der zweiten Woche der Proteste, die mehr durch einprägsame Slogans als politische Argumente bestimmt sind. »Wir sind Studenten, keine Putschisten«, skandieren sie auf den täglichen Meetings, die vor allem auf den autonomen Terrains der etablierten Universitäten oder im wohlhabenden Viertel Chacao stattfinden. Das hat seinen Grund. Der konservative Bürgermeister des Stadtteils, Leopoldo López, ist nicht nur ein erklärter Gegner der Regierung Chávez. Mit seinem Amt hat er auch die Befehlsgewalt über die lokalen Polizeieinheiten. Vertreter der Staatsführung haben in den vergangenen Tagen immer wieder beklagt, dass sich die Jugendlichen nach Zusammenstößen mit der Polizei nach Chacao zurückgezogen hätten,
Die These, dass die jungen Venezolaner, die hier protestieren, sich um die Zukunft ihres Landes Sorgen machten und unabhängig seien, ist wenig glaubwürdig. Denn führende Aktivisten wie Chacaos Bürgermeister oder der 21 Jahre alte Studentensprecher Freddy Guevara gehören der Partei »Un Nuevo Tiempo« (Eine Neue Zeit) an oder stehen ihr nahe. Nuevo Tiempo ist die Gruppe des im Dezember gescheiterten Präsidentschaftskandidaten und Gouverneurs des westlichen Bundesstaats Zulia, Manuel Rosales.
Sorgen bereitet den venezolanischen Autoritäten aber nicht die Rolle der Opposition, sondern der Einfluss aus dem Ausland. Nach Informationen aus Behördenkreisen sind seit Beginn der Proteste über einhundert Jugendliche aus zentralamerikanischen Staaten aus Venezuela ausgewiesen worden. Sie sollen in das südamerikanische Land gekommen sein, um die Demonstrationen anzuheizen. Außerdem hat die Polizei mehrere Studierende aus anderen Bundesstaaten festgenommen. Der offensichtlich organisierte Demonstrationstourismus widerspricht der Darstellung einiger Wortführer, es handele sich um eine spontane Protestbewegung. Die Kundgebungen sind offenbar vorbereitet worden, seit Präsident Chávez die Übergabe der Sendelizenz Mitte Dezember vergangenen Jahres angekündigt hatte. Teile der venezolanischen Opposition sehen in dem Protest gegen den Lizenzentzug offenbar die letzte Möglichkeit, die Regierung durch systematische Destabilisierung zu stürzen.
Dabei stehen sie nicht alleine. Unter anderem fördert die Belgrader Beratungsfirma »Center for Applied Nonviolent Action and Strategies« (CANVAS) des Serben Srdja Popovic Gruppen von Regierungsgegnern. Popovic hat mit finanzieller und politischer Unterstützung US-amerikanischer Geheimdienstkreise Ende der neunziger Jahre die Gruppe »Otpor« (Widerstand) aufgebaut, die maßgeblich zum Sturz des jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic im Oktober 2000 beigetragen hat. Vom Erfolg und US-Dollar beflügelt waren Popovic und seine Mitstreiter seitdem in mehreren »farbigen Revolutionen« präsent – von der Ukraine bis Kirgisistan.
Auf der Internetseite von CANVAS sind unter dem Unterpunkt »Battlefield« (Schlachtfeld) Kontaktorganisationen in Venezuela auf acht Seiten aufgeführt. Die Gruppen – von der »Bürgeraktion gegen AIDS« bis hin zum »Menschenrechtskomitee Anzoátegui« – tauchten in den vergangenen Tagen fast ausnahmslos in den venezolanischen Medien als Wortführer des »zivilgesellschaftlichen« Protests auf. So hatten auch andere »farbige Revolutionen« begonnen. Früherer DAZ-Bericht: Massendemonstration für Chávez
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