Samstag, 24. Januar 2009
 
Guerilla-Vorstoß in Caracas PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Harald Neuber   
Donnerstag, 6. September 2007

Venezuelas Präsident Hugo Chávez will in Kolumbien zwischen Regierung und Guerilla vermitteln. Ein ehrgeiziges Unterfangen, an dem schon Generationen von Politikern gescheitert sind. Trotzdem hat Álvaro Uribe, der strammste Verbündete Washingtons in der Region, die Initiative seines ungeliebten Amtskollegen begrüßt.

Schafft er, was Generationen von Politikern in Kolumbien nicht gelungen ist? Der aktuelle Versuch des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez, ein Abkommen zwischen den größten Guerillaorganisationen und der Regierung des Nachbarlandes zu erreichen, erhält jedenfalls schon jetzt breiten Zuspruch. Am 1. September hatte sich Chávez mit seinem kolumbianischen Amtskollegen Álvaro Uribe in Bogotá getroffen. Diese Woche nun äußerten sich die anderen Konfliktparteien zu der Initiative. In einem Interview mit der mexikanischen Tageszeitung La Jornada bezeichnete Raul Reyes, Kommandeur und Sprecher der kommunistisch orientierten »Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens« (FARC), den Vermittlungsversuch als möglichen ersten Schritt zu einem Friedensabkommen. Auch die kleinere guevaristische »Armee zur Nationalen Befreiung« (ELN) dankte Chávez in einem Kommuniqué für die »neue Dynamik«, die der Friedensprozess bekommen habe. Kolumbien wird seit über vier Jahrzehnten von einem sozialen und militärisch ausgetragenen Konflikt geprägt, der sich zunehmend auf die Anrainerstaaten auswirkt.

Dass sich Hugo Chávez nun in diese Auseinandersetzung eingeschaltet hat, ist auf die Initiative der Senatorin Piedad Córdoba zurückzuführen. Córdoba, die dem linken Flügel der Liberalen Partei Kolumbiens angehört, hatte Chávez vor rund zwei Wochen in Caracas um seine Hilfe bei dem neuerlichen Versuch gebeten, einen Austausch der Gefangenen von Guerilla und Regierung zu erreichen. Die FARC haben rund 45 Gefangene in ihrer Gewalt, der kolumbianische Staat hält rund 500 Kombattanten der Guerilla fest.

Nun hat Kolumbiens Präsident Uribe der Vermittlung von Chávez zugestimmt. Zwar dürfte dem Rechtskonservativen die Initiative der Linken nicht gefallen, jedoch ist die Gefangenenkrise auch der Schwachpunkt des Uribe-Regimes. Während der militärische Kampf gegen die Guerilla trotz kleiner Erfolge schon am Ende der ersten Amtszeit Uribes (2002–2006) als gescheitert galt, steigt der Druck der Angehörigen der FARC-Gefangenen unaufhörlich.

Unter der Federführung von Chávez sollen nun Gespräche mit den Konfliktparteien in Venezuela stattfinden. In dem Zeitungsinterview schlug Reyes ein Treffen zwischen dem venezolanischen Präsidenten und dem FARC-Gründer Manuel Marulanda vor. In seiner sonntäglichen Sendung »Aló Presidente« hatte Chávez zuvor schon erklärt, Marulanda um eine Unterredung gebeten zu haben. »Das wäre ein historisches Treffen«, so Reyes' Kommentar, »ein Treffen, das die Region, vor allem aber das kolumbianische Volk nötig hätte«. Chávez, sagte der FARC-Sprecher, sei der passende Verhandlungsführer: »Er ist ein achtbarer Bolivarianer und als solcher ein Antiimperialist«.

Die Initiative hat damit schon vor dem eigentlichen Beginn mehr erreicht als Uribe in anderthalb Legislaturperioden. Das ist auch den übrigen Staaten der Region bewusst. Der brasilianische Präsident Luiz Inácio »Lula« da Silva lobte am Dienstag nach Angaben des venezolanischen Kommunikations- und Informationsministeriums das Vermittlungsangebot. Unterstützung kam auch von Nicaraguas Präsidenten Daniel Ortega und dem französischen Staatsoberhaupt Nicolas Sarkozy. Letzterer hat sich in die Debatte um einen humanitären Austausch in Kolumbien eingeschaltet, weil sich unter den Gefangenen der FARC auch die Franko-Kolumbianerin und Grünen-Politikerin Ingrid Betancourt befindet. In der iranischen Hauptstadt Teheran äußerten sich am 5. September derweil die Außenminister der Blockfreienbewegung (NAM) positiv zu der Friedensinitiative. Die Organisation unterstütze Chávez bei dem Versuch, ein humanitäres Abkommen in Kolumbien zu erreichen, hieß es in einer Erklärung der 118 Mitgliedsstaaten.

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