Samstag, 24. Januar 2009
 
Ehrenkreuz für Otto Tausig PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Otto Tausig   
Freitag, 30. November 2007

Am 20. November 2007 überreichte Bundeskanzler Gusenbauer dem Schauspieler Otto Tausig das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft ud Kunst I. Klasse. In seinen Dankesworten kritisierte Tausig die österreichische Asylpolitik und machte auf einige absurde Fälle aufmerksam.

Dankesrede

Erlauben Sie mir, ihnen aus ganzem Herzen für diese tolle Auszeichnung zu danken. Aber sie wissen ja: wem das Herz voll ist, dem geht der Mund über. Und unter den vielen Krankheiten, die jeder in meinem Alter hat, ist die Maul-Diarrhöe eine der schlimmsten. Die zwanghafte Neurose, das weitergeben zu wollen, was man selbst für Altersweisheit hält, die Zuhörer aber eher für eine Art fortgeschrittener seniler Demenz.

 

Und so danke ich Ihnen nicht nur für diese Auszeichnung, sondern auch dafür, dass sie mir jetzt zuhören – obwohl Sie doch so viele andere Sorgen haben: z.B die Pensionen, wo Ihnen die Experten vorwerfen, dass Sie den Mindestrentnern gleich 21 Euro in den Rachen werfen. Trotzdem, obwohl ich kein Experte bin, weiß ich doch, wer wirklich schuld ist an diesen Problemen. Ich muss es zugeben: ich - ich bin schuld. Ich und der Johannes Heesters. Die Pensionsberechnungen basieren ja auf einer männlichen Lebenserwartung von 76 Jahren. Vom Heesters wollen wir gar nicht reden, aber auch ich nehme meine Pensionseinkünfte schon 10 Jahre länger in Anspruch, als mir zusteht. Zwar kann ich mit Nestroy sagen: Ich höre schon das Gras wachsen, in das ich beißen werde, aber zum Leidwesen des Finanzministers bin ich immer noch da!

 

Was in meinem Fall fast ein Wunder ist, welches ich zwei Faktoren verdanke: der Kunst der Ärzte und einem Eisenbahnzug; einem sogenannten Kindertransport, der mich vor 70 Jahren nach England gebracht hat und so Herrn Hitler die Möglichkeit genommen hat mich umzubringen, wie z.B. meine Großeltern und Millionen anderer.

Damals war ich 16 und das, was man heute einen unbegleiteten jugendlichen Flüchtling nennt, denn ich musste ja allein, ohne Eltern, mich in dieser fremden Welt zurechtfinden. Aber, obwohl ich Ausländer war, ließ man mich arbeiten, mein Brot verdienen. Und so konnte ich überleben bis heute. Dafür werde ich England immer dankbar sein.

 

Aber sehen Sie, da sitzt einer, der ist bei uns hier auch ein Ausländer, auch ein elternloser Jugendlicher, ein junger Inder, und den lässt man bei uns nicht arbeiten, sein Brot selbst verdienen. Dabei: Er ist unbescholten, integriert, spricht gut Deutsch und ist ein ausgezeichneter Schüler – hier eines seiner Zeugnisse, sehr gut, sehr gut, sehr gut – wenn man ihn in Ruhe lässt, ist er in nicht ganz vier Jahren ein diplomierter Maschinenbau-Ingenieur.

 

Und wir brauchen solche Leute. Bis zu 7.000 Fachkräfte sucht Österreich laut Kurier vom 12. Okt. "Die Liste", heißt es da, "reicht vom Schweißer etc. bis zum Diplomingenieur für Maschinenbau". Und weiter: "Gibt es ... genügend Fachkräfte in unseren Nachbarländern? Das darf bezweifelt werden. Bei den Drehern, Schweißern und Fräsern gab es erst 355 von 800 möglichen Ausländerbewilligungen."

 

Shiv Kumar lernt im Zuge seiner Ausbildung auch Drehen, Schweißen und Fräsen. Mit einem Wort - wie man auf indisch sagt: a gmahte Wiesen. Auch um einen Job braucht er sich keine Sorgen zu machen. Die Firma Shukra, in Berndorf, bei der er ein Praktikum gemacht hat, schreibt: "Herr Shiv Kumar ... erledigte seine Tätigkeiten ... selbstständig mit großer Sorgfalt und Genauigkeit zu unserer vollsten Zufriedenheit. Herr Kumar ist aufgrund seiner technischen Ausbildung, seiner Sprachkenntnisse - Deutsch und Indisch – absolut qualifiziert ... und unser Wunschkandidat." Also, gemähter könnte eine Wiese gar nicht sein. Oder?

Nur was steht da noch? "Wir bedauern sehr, dass es aufgrund der gesetzlichen Lage nicht möglich ist, ihn dauerhaft einzustellen. Aufgrund seines Asylantenstatus wurde unser Antrag auf Beschäftigungsbewilligung abgelehnt."

Na gibt`s denn so was? Dass etwas so Vernünftiges durch ein Gesetz verhindert wird! Kein dauerhafter Arbeitsmarktzugang ohne dauerhaftes Aufenthaltsrecht und umgekehrt, lautet der gnadenlose Circulus viciosus unseres Fremdenrechts.

 

Na ja, dachte ich mir aber, vielleicht könnte er eine vorläufige Arbeitsbewilligung kriegen bis die Frage des Aufenthaltsrechts geklärt ist. Und tatsächlich, auf eine Anfrage beim AMS wurde mir bestätigt, dass ein Ausländer zwar keine dauerhafte, aber doch eine mit 50 Wochen befristete Arbeitsbewilligung kriegen kann - Na immerhin - wenn die Firma ihr headquarter in Österreich hat.

 

Das kann ja nicht wahr sein! Diese Firma hat ihr headquarter in Nürnberg. Also keine Arbeitserlaubnis. Und was ist dann mit der Aufenthaltserlaubnis? Von einer gemähten Wiese kann kaum noch die Rede sein. Eher von einer sauren. Trotzdem, wo ein Wille ist, ist auch ein Weg! Hat doch unser Herr Innenminister neulich gesagt, dass jeder Fall individuell geprüft werden soll. Also habe ich mir erlaubt, ihm zu schreiben und darauf hinzuweisen, dass es doch nicht sinnvoll wäre, das strenge Gesetz auf diesen voll integrierten und für Österreich absolut nützlichen Menschen, blindlings anzuwenden.

 

Die verständnisvolle Antwort auf meinen Appell an die Vernunft lautete: "Diesbezüglich wird u.a. auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18.05.2006 Zl. 2006/18/0123 verwiesen, wonach die Innehabung einer Berechtigung zum Aufenthalt nach dem Asylgesetz die aufenthaltsrechtlichen Behörden dazu berechtigt, Anträge auf Aufenthaltstitel gemäß § 1 Abs 2 Z 1 NAG zurückzuweisen."

 

Ah ja! Zugegeben, das klingt ein bissel bürokratisch. Fast möchte man Goethe Recht geben, wenn er sagt:
 

Es erben sich Gesetz und Rechte, wie eine ew`ge Krankheit fort
Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage,
Weh dir, dass Du ein Flüchtling, -ah- Enkel bist.
Vom Rechte, das mit uns geboren ist,
Von dem ist, leider! nie die Frage.

 

Nun hatte dieser Goethe ja von Österreich keine Ahnung und von unserem Respekt vor den Menschenrechten. Wenn alle Stricke reißen, gibt es immer noch die Möglichkeit einer humanitären Aufenthaltsbewilligung. Im Falle Shiv Kumar hat sogar der Herr Bundespräsident persönlich angeregt eine solche zu erteilen ... was allerdings vom Innenministerium abgelehnt wurde, weil er ohnedies aufenthaltsberechtigt ist, solange sein Asylverfahren noch läuft. Und dann dauerhaft, wenn es positiv ausgeht.

 

Allerdings ist das bei einem Inder eher unwahrscheinlich. Ganz bestimmt nicht, wenn er ein bloßer Wirtschaftsflüchtling ist, also unter einfachen Wohnverhältnissen aufgewachsen ist und in einer einfacheren Gegend gelebt hat; Asyl gibt es nur, wenn die Gefahr von Verfolgung im Heimatland besteht. Aber Indien ist bekanntlich ein friedliches Land. Zwar kommt er aus dem Kashmir, wo hie und da ein Zug in die Luft gesprengt wird und Zigtausende umgebracht wurden, darunter seine Eltern, aber er muss ja nicht in den Kashmir zurück, wenn man ihn hier abschiebt. Dafür gibt es die innerstaatliche Fluchtalternative. Er könnte ja in einem anderen Teil Indiens leben, hat man ihm gesagt. Was er dort machen soll? Nun z.B. Rikschafahrer werden. Aber nein, er bildet sich ein, er möchte hier bei uns Diplomingenieur sein. Ein Inder!!!

 

Jetzt heißt es halt: Warten, qualvoll, angsterfüllt warten, auf die Entscheidung des 2. Bundesasylsenats, die bei Indern für gewöhnlich lautet: Ab in die Schubhaft.

 

Darum nehme ich diese einmalige Gelegenheit war, Sie, Herr Bundeskanzler zu bitten, sich dieses Falles anzunehmen. Denn es ist kein Fall. Es ist ein um sein Leben bangender Mensch.

Und davon gibt es nicht nur einen, sondern da hinten sitzt eine ganze Reihe junger Menschen, aus Afghanistan und dem Kosovo, aus Somalia, Gambia und Nigeria, die wie er, menschenwürdig leben möchten.

 

Herr Bundeskanzler, ich bitte Sie: Geben wir Shiv Kumar, geben wir den Shiv Kumars, die wir so brauchen, wie sie uns, eine Chance. Als ich so alt war wie er heute ist, musste ich in England schon recht hart arbeiten, unter anderem als Schweißer und Dreher, um zu überleben. Aber ich habe überlebt. Bin sogar 85 Jahre geworden.

 

Und jetzt krieg' ich sogar einen Orden, von meiner Heimat Österreich, aus der ich vor langer Zeit vertrieben worden bin und die doch, so hoffe ich, heute eine ganz andere ist. Eine, aus der ein begabter junger Mensch nicht verjagt wird, weil er Jude ist – oder Inder. Danke

 

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